Meyer: Guten Tag, Herr Koczian.
Koczian: Überraschend kamen diese Anschläge wohl nicht?
Meyer: Absolut nicht. Es war lange erwartet worden und es ist eigentlich nur überraschend, dass sie nicht schon vorher passiert sind, während der Kämpfe gegen den Irak stattgefunden hatten. Vor gut einer Woche sind insgesamt 19 Saudis, 17 Saudis genau gesagt, ein Iraker, ein Jemenit, entdeckt worden, gemeinsam mit einem riesigen Waffenlager. Diese 19 Leute befinden sich auf der Flucht, in diesem Waffenlager lagerte hochbrisante Munition, auch Waffen von tonnenweise Sprengstoff, wird hier berichtet. Das war auch der Anlass dafür, dass die Warnungen rausgegangen sind an alle amerikanischen Staatsbürger in Saudi-Arabien. Nun war schon fast befürchtet oder gehofft worden, dass es vielleicht doch nicht zum Anschlag kommen würde, nachdem die amerikanische Regierung erklärt hatte, dass sie ihr Militär-Hauptquartier aus Saudi-Arabien nach Katar verlegen wird. Aber so lange noch Amerikaner dort in Saudi-Arabien sind, so lange besteht die Bedrohung auf jeden Fall weiter.
Koczian: Was sagt dieses nun über das Bedrohungspotential durch terroristische Netzwerke aus in dem Sinne, dass die Gefahr vielleicht auf deren Posten beschränkt bleibt, oder kann sie doch noch, wie am 11. September weiterhin exportiert werden?
Meyer: Zunächst sehe ich die Hauptgefahr wirklich begrenzt, gerade auch bei diesen Gruppen, auf Saudi-Arabien. Wenn wir noch mal einen Blick zurück werfen: der Ansatzpunkt für den Terror, für Bin Laden, war 1990 nach dem Angriff von Saddam Hussein auf Kuwait. Jetzt hatte Bin Laden dem saudischen König damals angeboten, dass er mit seinen Afghanistan-Veteranen die Iraker aus Kuwait vertreiben würde. Der König hat es abgelehnt und dem Drängen der Amerikaner nachgegeben, die ihn schlicht und einfach betrogen haben. Sie haben erklärt, es seien 120.000 irakische Soldaten an der saudischen Grenze mit über 1200 Panzern aufmarschiert und würden unmittelbar einen Angriff auf Saudi-Arabien vorbereiten. Daraufhin hat der König nachgegeben und den Amerikanern gestattet, dass sie von Saudi-Arabien aus ihre Angriffe gegen Kuwait beziehungsweise gegen Saddam Hussein damals, durchführen konnten. Es war schlicht und einfach ein Betrug, die Satellitenbilder, auf die sich Powell und Cheney damals beriefen, existierten nicht, wie sich herausgestellt hat. Und man hat das dann als Vorwand genommen, um auch auf Dauer in Saudi-Arabien zu bleiben, nachdem Saddam Hussein an der Macht blieb, haben die Amerikaner die Flugverbotszone im Süden des Irak von ihrem Stützpunkt Bachran aus überwacht. Und das war natürlich etwas, was auch gegen die ursprünglichen Absprachen mit den Saudis war und der Druck jetzt auf der einen Seite, Bin Laden, der das zum Anlass genommen hat, um mit seinem Terrornetzwerk gegen die Saudis vorzugehen und insgesamt auch gegen die Amerikaner um die Ungläubigen, um die Amerikaner aus Saudi-Arabien zu vertreiben. Das heiß, es ist insgesamt erst einmal ein lokales Netzwerk, wobei ehemalige Afghanistan-Kämpfer eine ganz große Rolle dabei spielen, auch bei den Anschlägen, die wir schon 1995 und 96 hatten, die zahlreiche amerikanische Soldaten getötet haben. Aber auch in vergangenen Jahren gab es mehrere Anschläge, auch schon in diesem Jahr auf einzelne Ausländer, unter anderem Briten, auch ein Deutscher war dabei, aber vor allem Amerikaner. Das heißt, es ist ein sehr heißes Pflaster, so lange die 'Ungläubigen', insbesondere die Amerikaner, sich in Saudi-Arabien aufhalten, das Signal ist deutlich, wird die Gefahr von terroristischen Anschlägen zur Befreiung des heiligen Landes von den Ungläubigen sich fortsetzen.
Koczian: Osamah Bin Laden ist, wenn ich recht informiert bin, saudischer Staatsbürger und was macht denn die Saudis, die ja bisher so als Verbündete Washingtons in den Augen Washingtons galten, so zu unsicheren Kantonisten?
Meyer: Da gibt es verschiedene Gründe. Die Saudis, das saudische Königshaus selber, steht voll auf der Seite der Amerikaner, denn im Endeffekt stützt das amerikanische Militär das saudische Königshaus. Auf der anderen Seite wächst der Widerstand der saudischen Bevölkerung gegen das Königshaus, das in extrem autoritärer Weise die Geschicke das Landes lenkt, wo vor allem über tausend Prinzen mit ihren Familien einen erheblichen Teil des Volkseinkommens für ihre privaten Zwecke verwenden. Das heißt also wachsender Widerstand und ein Widerstand, der vor allem von islamitischen Kreisen hervorgerufen wird. Die große Gefahr ist also, dass das saudische Königshaus auf Seiten der Amerikaner steht, aber die Masse der Bevölkerung, gerade auch vor dem Hintergrund des Irak-Krieges, eindeutig gegen die Amerikaner eingestellt ist und Bin Laden als derjenige, der gegen die Amerikaner kämpft, dann die Unterstützung einer wachsenden Zahl von Saudis hat und auch Saddam Hussein hat erhebliche Sympathien unter den Saudis, weil er ebenfalls gegen die Amerikaner vorgegangen ist.
Koczian: In den Informationen am Mittag hörten Sie Professor Günter Meyer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient. Danke nach Mainz.
Meyer: Bitteschön.
Koczian: Überraschend kamen diese Anschläge wohl nicht?
Meyer: Absolut nicht. Es war lange erwartet worden und es ist eigentlich nur überraschend, dass sie nicht schon vorher passiert sind, während der Kämpfe gegen den Irak stattgefunden hatten. Vor gut einer Woche sind insgesamt 19 Saudis, 17 Saudis genau gesagt, ein Iraker, ein Jemenit, entdeckt worden, gemeinsam mit einem riesigen Waffenlager. Diese 19 Leute befinden sich auf der Flucht, in diesem Waffenlager lagerte hochbrisante Munition, auch Waffen von tonnenweise Sprengstoff, wird hier berichtet. Das war auch der Anlass dafür, dass die Warnungen rausgegangen sind an alle amerikanischen Staatsbürger in Saudi-Arabien. Nun war schon fast befürchtet oder gehofft worden, dass es vielleicht doch nicht zum Anschlag kommen würde, nachdem die amerikanische Regierung erklärt hatte, dass sie ihr Militär-Hauptquartier aus Saudi-Arabien nach Katar verlegen wird. Aber so lange noch Amerikaner dort in Saudi-Arabien sind, so lange besteht die Bedrohung auf jeden Fall weiter.
Koczian: Was sagt dieses nun über das Bedrohungspotential durch terroristische Netzwerke aus in dem Sinne, dass die Gefahr vielleicht auf deren Posten beschränkt bleibt, oder kann sie doch noch, wie am 11. September weiterhin exportiert werden?
Meyer: Zunächst sehe ich die Hauptgefahr wirklich begrenzt, gerade auch bei diesen Gruppen, auf Saudi-Arabien. Wenn wir noch mal einen Blick zurück werfen: der Ansatzpunkt für den Terror, für Bin Laden, war 1990 nach dem Angriff von Saddam Hussein auf Kuwait. Jetzt hatte Bin Laden dem saudischen König damals angeboten, dass er mit seinen Afghanistan-Veteranen die Iraker aus Kuwait vertreiben würde. Der König hat es abgelehnt und dem Drängen der Amerikaner nachgegeben, die ihn schlicht und einfach betrogen haben. Sie haben erklärt, es seien 120.000 irakische Soldaten an der saudischen Grenze mit über 1200 Panzern aufmarschiert und würden unmittelbar einen Angriff auf Saudi-Arabien vorbereiten. Daraufhin hat der König nachgegeben und den Amerikanern gestattet, dass sie von Saudi-Arabien aus ihre Angriffe gegen Kuwait beziehungsweise gegen Saddam Hussein damals, durchführen konnten. Es war schlicht und einfach ein Betrug, die Satellitenbilder, auf die sich Powell und Cheney damals beriefen, existierten nicht, wie sich herausgestellt hat. Und man hat das dann als Vorwand genommen, um auch auf Dauer in Saudi-Arabien zu bleiben, nachdem Saddam Hussein an der Macht blieb, haben die Amerikaner die Flugverbotszone im Süden des Irak von ihrem Stützpunkt Bachran aus überwacht. Und das war natürlich etwas, was auch gegen die ursprünglichen Absprachen mit den Saudis war und der Druck jetzt auf der einen Seite, Bin Laden, der das zum Anlass genommen hat, um mit seinem Terrornetzwerk gegen die Saudis vorzugehen und insgesamt auch gegen die Amerikaner um die Ungläubigen, um die Amerikaner aus Saudi-Arabien zu vertreiben. Das heiß, es ist insgesamt erst einmal ein lokales Netzwerk, wobei ehemalige Afghanistan-Kämpfer eine ganz große Rolle dabei spielen, auch bei den Anschlägen, die wir schon 1995 und 96 hatten, die zahlreiche amerikanische Soldaten getötet haben. Aber auch in vergangenen Jahren gab es mehrere Anschläge, auch schon in diesem Jahr auf einzelne Ausländer, unter anderem Briten, auch ein Deutscher war dabei, aber vor allem Amerikaner. Das heißt, es ist ein sehr heißes Pflaster, so lange die 'Ungläubigen', insbesondere die Amerikaner, sich in Saudi-Arabien aufhalten, das Signal ist deutlich, wird die Gefahr von terroristischen Anschlägen zur Befreiung des heiligen Landes von den Ungläubigen sich fortsetzen.
Koczian: Osamah Bin Laden ist, wenn ich recht informiert bin, saudischer Staatsbürger und was macht denn die Saudis, die ja bisher so als Verbündete Washingtons in den Augen Washingtons galten, so zu unsicheren Kantonisten?
Meyer: Da gibt es verschiedene Gründe. Die Saudis, das saudische Königshaus selber, steht voll auf der Seite der Amerikaner, denn im Endeffekt stützt das amerikanische Militär das saudische Königshaus. Auf der anderen Seite wächst der Widerstand der saudischen Bevölkerung gegen das Königshaus, das in extrem autoritärer Weise die Geschicke das Landes lenkt, wo vor allem über tausend Prinzen mit ihren Familien einen erheblichen Teil des Volkseinkommens für ihre privaten Zwecke verwenden. Das heißt also wachsender Widerstand und ein Widerstand, der vor allem von islamitischen Kreisen hervorgerufen wird. Die große Gefahr ist also, dass das saudische Königshaus auf Seiten der Amerikaner steht, aber die Masse der Bevölkerung, gerade auch vor dem Hintergrund des Irak-Krieges, eindeutig gegen die Amerikaner eingestellt ist und Bin Laden als derjenige, der gegen die Amerikaner kämpft, dann die Unterstützung einer wachsenden Zahl von Saudis hat und auch Saddam Hussein hat erhebliche Sympathien unter den Saudis, weil er ebenfalls gegen die Amerikaner vorgegangen ist.
Koczian: In den Informationen am Mittag hörten Sie Professor Günter Meyer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient. Danke nach Mainz.
Meyer: Bitteschön.