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"Anschluss" ans Dritte Reich vor 80 Jahren
Österreichs zwiespältiger Blick auf die NS-Vergangenheit

Vor 80 Jahren übernahm Hitler-Deutschland die Macht in Österreich. Damals bejubelten Menschenmassen den Anschluss an das faschistische Deutschland. Nach dem Krieg wurde die Mittäterschaft an den Nazi-Verbrechen größtenteils negiert - und bis heute nagt die Machtübernahme am nationalen Selbstbewusstsein.

Von Clemens Verenkotte |
    Bildnummer: 53363390 Datum: 13.03.1938 Copyright: imago/ZUMA/Keystone Mar 13, 1938; Vienna, AUSTRIA; Nazi leader ADOLF HITLER entering the square of the old Imperial Palace in Vienna at the Anschluss Österreichs referring to the inclusion of Austria in a Greater Germany in 1938. Vienna AUSTRIA PUBLICATIONxINxGERxONLY sw kbneg 1938 quer o0 People Auto Hitlergruß Österreich Mercedes Menschenmenge Hakenkreuz 53363390 Date 13 03 1938 Copyright Imago Zuma Keystone Mar 13 1938 Vienna Austria Nazi Leader Adolf Hitler ENTERING The Square of The Old Imperial Palace in Vienna AT The Connection Austria referring to The of Austria in a Greater Germany in 1938 Vienna Austria PUBLICATIONxINxGERxONLY black and white Kbneg 1938 horizontal o0 Celebrities Car Hitler greeting Austria Mercedes Crowd Swastika
    "Heute grüßen alle Deutschen auf Ewigkeit den Führer als den Vollender": Auf dem Wiener Heldenplatz zelebriert Hitler vor jubelnden Menschenmassen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich (imago stock&people)
    "Der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volke mitzuteilen, dass wir der Gewalt weichen."
    Es ist der Abend des 11. März 1938. Die knapp zwanzigjährige Eigenständigkeit der ersten Republik endet mit dieser letzten Radioansprache Kurt Schuschniggs. Der diktatorisch regierende Bundeskanzler war unter dem militärischen Druck Hitlers, der Machtübernahme österreichischer Nationalsozialisten in zahlreichen Städten des Landes sowie dem Eintreffen deutscher SS- und Gestapo in Wien, zum Rücktritt gezwungen worden.
    "So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volke mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich."
    "Mein Führer, wie immer der Weg führt: Wir folgen nach!""
    Tags darauf rollt bereits die Wagenkolonne Hitlers durch Hitlers Geburtsort Braunau, weiter nach Linz, bis schließlich nach Wien.
    "Heil, mein Führer, Adolf Hitler, wir erwarten unseren Führer…"
    Es ist der 15. März, auf dem Heldenplatz zelebriert Adolf Hitler vor jubelnden Menschenmassen und einem Meer von Hakenkreuzfahnen den Anschluss ans Deutsche Reich. Die Inszenierung des NS-Regimes weist Arthur Seyß-Inquart, den Hitler einen Monat zuvor als willigen österreichischen Innenminister und für zwei Tage als Bundeskanzler in Wien platziert hat, die Rolle zu, die Übergabe zu verkünden:
    "Heute grüßen alle Deutschen auf Ewigkeit den Führer als den Vollender. Mein Führer, wie immer der Weg führt: Wir folgen nach!"
    "Ein Volk, ein Reich, ein Führer."
    "Als Führer und Kanzler der deutschen Nation und Reichs, melde ich vor der deutschen Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutschen Reich."
    "Sieg Heil!"
    "Wir wollten das auch nicht"
    "Heute taucht schon die Version auf: Ja, wir waren überrumpelt durch die Begeisterung, aber wir wollten das auch nicht, was dann gekommen ist, und wir waren nur kurzfristig begeistert. Stimmt, diese Begeisterungen sind sehr volatil."
    Gerhard Botz, emeritierter Professor für Zeitgeschichte der Universität Wien, hat einen erheblichen Teil seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit diesem einen Thema gewidmet: Dem Anschluss der ersten Republik Österreich, die sich zunächst erst, im November 1918 als "Republik Deutschösterreich" gegründet hatte, und dessen Folgen.
    "Anschluss ist ab 1918, ab den 20er-Jahren, in anderen Gesichtspunkten ab den 30er-Jahren, immer in der politischen Öffentlichkeit."
    Nach dem Untergang des Habsburger Reiches und dem Verlust der imperialen Vielvölker-Größe entscheidet die provisorische Nationalversammlung Ende 1918: Die frisch ausgerufene Republik solle an die deutsche Republik angeschlossen werden. Österreichs Sozialdemokraten fordern in ihrem Parteiprogramm: Zusammenschluss mit einem sozialistischen Deutschland - erst 1933 streichen sie diesen Passus.
    "In Österreich hat man die Opferthese kodiert"
    Die politische Bewertung des Anschlusses war in Österreich einem beständigen Wandel ausgesetzt. Nahezu alle politischen Kräfte hätten damals - anders als in der Bundesrepublik - eine Mittäterschaft an den Verbrechen des NS-Regimes zunächst negiert.
    "In Österreich hat man die Opferthese kodiert. Weil ja unsere Staatspolitik damit - ich meine, es hat auch selbstkritische Infragestellung gegeben. Die Überlebenden haben natürlich gewusst, dass sie auch Österreicher waren. Aber nach offizieller Version waren wir die Opfer, wir haben damit nichts zu tun, das sind die Deutschen gewesen."
    Vor allem anlässlich der Wiederkehr runder Jahrestage wird das nationale Selbstbewusstsein in Frage gestellt. Wie ordnet man etwa die fast hundertprozentige Zustimmung der wahlberechtigten Österreicher ein, zum Anschluss an das NS-Reich bei der Volksabstimmung vom 10. April 1938?
    "Bis heute wird meine Position da nicht sehr gerne gesehen. Und es ist immer natürlich - ganz klar - kein demokratischer Vorgang, aber es ist nicht gefälscht. Es ist ein Mobilisierungsvorgang, der die Anhängerschaft mobilisiert und eine unglaubliche Dynamik diese Machtübernahme auf allen Ebenen vorbereitet."