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Anti-Missbrauchskonferenz in Rom
Ende der kirchlichen Zweiklassengesellschaft gefordert

Die Anti-Missbrauchskonferenz der katholischen Kirche in Rom endet am 24. Februar. In seiner Abschlussansprache könnte Papst Franziskus konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Minderjährigen ankündigen. Denn: Autorität darf nicht länger absolutistisch verstanden werden.

Von Tilmann Kleinjung | 23.02.2019
Papst Franziskus betet bei der Anti-Missbrauchskonferenz in Rom
Der Kampf gegen Missbrauch in den eigenen Reihen sei eine, wenn nicht die Zukunftsfrage der katholischen Kirche, glauben Teilnehmer der Anti-Missbrauchskonferenz in Rom (AFP/Pool/Vincenzo Pinto)
Der Erzbischof von Boston, Sean Patrick O‘Malley, weiß, wovon er spricht. Sein Bistum war das erste, das vom Missbrauchsskandal massiv erschüttert wurde. 2002 war das, als bekannt wurde, dass ein Priester über Jahrzehnte Schulkinder sexuell missbraucht hat. 17 Jahre hat es gedauert, bis auch dem Rest der Kirche klar wird: Das ist unser größtes Problem.
"Aus meiner Sicht gibt es für die Kirche in diesem Moment nichts Dringenderes, als zusammenzukommen und gemeinsam einen Weg zu finden, was unsere wichtigste Aufgabe in diesem historischen Augenblick ist: Der Schutz von Kindern und die Wiedergutmachung der Verbrechen und des Leidens, von dem so viele Kinder und verwundbare Erwachsene betroffen sind."
Katholische Kirche unter Druck
Der Kampf gegen den Missbrauch in den eigenen Reihen ist eine, wenn nicht die Zukunftsfrage, die die katholische Kirche in diesen Tagen in Rom beantworten will. Nach zwei Tagen sei die Bischofskonferenz auf einem guten Weg, sagt der Jesuit Bernd Hagenkord.
"Ich glaube, die Leute, die hier versammelt sind, die wissen sehr wohl, worum es geht, und wie groß der Druck ist, der berechtigterweise auf der Kirche lastet."
Mit dem Missbrauchsskandal werden auch die großen Reformthemen in der katholischen Kirche diskutiert: Gewaltenteilung, Kontrolle von Macht, Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ist auch Folge eines Leitungsproblems. Davon ist Hagenkord, leitender Redakteur des Papstsenders Vatican News, überzeugt.
"Wir haben sowohl bei diesen Skandalen, auch bei den Finanzskandalen in Deutschland, dass die Regierung der Kirche nicht modernen Kriterien entspricht. Dass Autorität nicht überprüft wird, sondern fast absolutistisch verstanden wird."
Ende einer kirchlichen Zweiklassengesellschaft gefordert
Das Machtgefälle fördert Missbrauch und dessen Vertuschung. "Wir leiden an einer Überhöhung von Ämtern", sagt Hagenkord und fordert eine Einbindung von Nicht-Geistlichen auf den verschiedenen Leitungsebenen der Kirche und das Ende einer kirchlichen Zweiklassengesellschaft: Hier die Bischöfe, dort die sogenannten Laien.
"Das ist die große Anfrage, wie Kirche geleitet wird. Alle Gläubigen müssen involviert werden. Sowohl in die Verantwortung wie auch in die Überprüfung von Verantwortung, als auch in Transparenz. Die gehören überall mit hinein. Da muss ein neues Leitungsmodell von Kirche hin und das ist ein großes Reformthema."
Linda Ghisoni ist eine Frau, die für vatikanische Verhältnisse eine beachtliche Karriere gemacht hat. Die Theologin ist "Untersekretärin" in der Kurienabteilung für Laien und Familie und bringt den in Rom versammelten Bischöfen auf schonende Weise bei, dass ihre Machtfülle begrenzt gehört.
"Die Laien sollen nicht bloße Erfüllungsgehilfen dessen sein, was von den Klerikern angeordnet wird. Alle sind Diener in diesem Weinberg, in dem ein jeder seinen Beitrag leistet bei der vom Heiligen Geist geleiteten Entscheidungsfindung der Kirche."
Die Anti-Missbrauchskonferenz endet morgen mit einer Abschlussansprache des Papstes. Es wird spekuliert, dass Franziskus darin konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Minderjährigen ankündigt.