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Anti-Mobbing Projekt
Wie Grundschule hilft, die Sprachlosigkeit zu überwinden

Mobbing unter Schulkindern scheint weit verbreitet. Nach einem schlimmen Fall mit Aufnahme-Riten für neue Schüler in Mecklenburg-Vorpommern sucht die Politik Konzepte, wie man Ausgrenzung künftig verhindern kann - wie mit dem Theaterprojekt „Aufstand der Umlaute“.

Von Ralf Pauli | 02.07.2019
Gestellte Aufnahme zum Thema Mobbing in sozialen Netzwerken. Neben dem "Gefällt mir Button" von facebook sind die Worte "Du Opfer" zu sehen.
Gemobbt wird unter Kindern und Jugendlichen nicht nur in sozialen Medien, auch in den Schulen kommt es zu Ausgrenzungen (imago/photothek)
"Cora-Cora-Krah….Cora-Cora-Krah...Cora-Cora-Krah"
Es ist früh am Morgen. Die Rabenfrau Cora Krah schläft noch. Die Drittklässler der Grundschule Bützow sitzen auf dem Boden der Schulturnhalle und rufen nach ihr. Die sprechende Rabendame soll endlich aufwachen. Schließlich muss sie helfen, einen ganz kniffligen Fall zu lösen.
"Ihr Buchstaben, das habt ihr gut gemacht. Denn dadurch, dass ihr die Umlaute und das Eszett so schön ausgegrenzt habt, da konnte ich wachsen. Da wo die Kinder, wo die Menschen nicht mehr miteinander reden, da wächst meine Macht."
Die 30 Grundschüler lauschen, wie sich die Sprachlosigkeit freut: Im Haus der Buchstaben gibt es Ärger. Die Umlaute Ä,Ö,Ü und das ß fühlen sich gemobbt, weil sie als einzige Buchstaben nicht im Alphabet vorkommen. Was kann man dagegen tun? Die mittlerweile aufgewachte Rabenfrau Cora Krah hat da eine Idee:"
"Na ja, man kann Wörter sprechen, die einem Mut machen..."
Die helfen, die Sprachlosigkeit zu überwinden, wenn sich jemand ausgegrenzt fühlt. Darum geht es in dem Theaterstück, das Daniel Trepsdorf mit an die Grundschule am Schlosspark gebracht hat. Der 42-Jährige leitet eines von fünf Regionalzentren für demokratische Kultur in Mecklenburg-Vorpommern. Regelmäßig führt er mit EU-Geldern Projekte an Schulen durch. Dadurch weiß er: Mobbing tritt häufig schon in der Grundschule auf.
Zwei Mädchen lästern über ein drittes, das an der Wand kauert und die Hände vors Gesicht geschlagen hat.
Mobbing findet nicht nur im Internet statt (imago / photothek/ Ute Grabowsky)
Auch an der in Bützow, erzählt Schulleiterin Silke Beuster:
"Themen wie Mobbing treten bei uns an der Grundschule auch auf. Das kriegen wir nicht immer mit, manchmal ist es versteckt. Das ist ja grad so die Geschichte, dass es nicht immer so vordergründig ist."
Kinder für das Thema sensibilisieren
Deshalb setzt die Schulleiterin auf Prävention. Wie bei dem Theaterstück über die Ausgrenzung der Umlaute. Das soll die Kinder für das Thema sensibilisieren, sagt Daniel Trepsdorf, der das Stück nicht nur allein spielt, sondern auch selbst geschrieben hat:
"Die Geschichte funktioniert auf mehreren Ebenen. Es geht einmal um das Haus der Sprache, in der die Umlaute und das ß in einer Situation sind, in die sich kein Kind hinein wünscht."
Und gleichzeitig geht es darum, einen wertschätzenden Umgang miteinander im Schulalltag zu üben.
"Als großes Problem sehe ich tatsächlich den Umgang mit den Medien, dass Kinder viel alleine gelassen werden von den Eltern. Sie bekommen ganz viel – Tablet, Computer, Smartphone – aber der Umgang damit wird nicht reglementiert und nicht kontrolliert und nicht gemeinsam besprochen."
Analoges Mobbing
Schulleiterin Beuster erzählt, dass es hier auch schon Cybermobbing gab. Aber auch ganz analog kommt es hin und wieder dazu, dass ein Kind ausgegrenzt werde, erzählt eine Joyce, eine Schülerin aus der 3c:
"Wir haben mal einen Mitschüler in unser Klasse sehr doll geärgert und deswegen haben wir ihn praktisch gemobbt."
In diesem Fall hat es die Lehrerin mitbekommen und ist eingeschritten. Aber das ist nicht immer so. Das hat mittlerweile auch die Landesregierung aus CDU und SPD erkannt. Derzeit prüft das Bildungsministerium, ob zusätzliche Anti-Mobbing-Angebote für die Schulen im Bundesland notwendig sind.
An der Grundschule Bützow ist das Theaterstück nur der Auftakt, es folgen Fortbildungen für Lehrkräfte und im Herbst dürfen Schülerinnen und Schüler einen eigenen Animationsfilm drehen. Zwölf Kinder aus sieben Grundschulen haben sich schon angemeldet. Für Trepsdorf ein Zeichen, das sein Ansatz richtig ist.
"Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Grundschülerinnen und Grundschüler eine sehr wache Empfindung dafür haben, wie sie in sozialen Situationen agieren können und sollen."
Das zeigt sich auch an der Grundschule am Schlosspark. Zumindest klingt es ganz danach:
"Wir grenzen keinen aus, wir halten zusammen."