Samstag, 20. April 2024

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Antifaschismus in der DDR
Tendenz zur Geschichtsklitterung

Ihr unbedingter Antifaschismus gehörte zu den Gründungsmythen der DDR - mit dem sie sich auch ideologisch und propagandistisch von der Bundesrepublik abzugrenzen suchte. Dass allerdings nur in Westdeutschland einstige Nazi-Funktionäre eine zweite Karriere machen konnten, ist eine von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gepflegte Legende.

Von Sabine Adler | 10.02.2016
    Walter Ulbricht beim 6. Parteitag der SED 1961
    Walter Ulbricht, erster Sekretär des Zentralkomitees der SED. (picture alliance / dpa-Zentralbild / ADN)
    Für einen über 100-Jährigen gibt es nicht mehr viele Pflichttermine. Der 11. April hingegen ist für Marko Max Feingold ein Muss, denn an diesem Tag wurde das Konzentrationslager Buchenwald befreit. Zum 70. Jahrestag, da war Feingold 102 Jahre alt, fuhr er wieder nach Weimar, von dort aus auf den Ettersberg. Neben dem Glockenturm von Buchenwald hielt er seine Rede. Frei, ohne Blatt, ohne Stock. Sichtbar aufgewühlt.
    "70 Jahre habe ich gelitten unter der Lüge, die Häftlinge von Buchenwald hätten sich selbst befreit. Nur, wer wie ich in Buchenwald war, der wird von dieser Selbstbefreiung nichts wissen. Es ist kein Schuss geschehen. Das wäre ja auch nicht möglich. Auf wen hätten wir schießen sollen? Ab vormittags um halb elf gab es ja gar keine SS mehr hier. Weder auf den Türmen, noch im Lager."
    Der über 100-jährige Jude aus Wien kämpft für die Wahrheit. Bis heute.
    Im Mai wird Feingold 103. Wer ihn nicht kennt, schätzt ihn auf höchstens 80. Von Salzburg aus hat der gebürtige Wiener nach dem Krieg Juden bei der Ausreise nach Palästina geholfen. Er entschloss sich danach, in der Mozartstadt zu bleiben, gründete ein Geschäft für Herrenmode. Man sieht, dass er gute Kleidung bis heute schätzt, eine Leidenschaft. Als er die "Wiener Moden", eine Herren-Boutique, aufgab und in Rente ging - das war vor über 35 Jahren - wurde Marko Max Feingold Präsident der Israelitischen Gemeinde Salzburg und ist es bis heute. Bis 1938 war ihm sein Judentum wenig bewusst. Seit der Verhaftung in Wien, der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz, nach Dachau, Neuengamme und schließlich Buchenwald war er nur noch Jude, Häftling, eine Nummer. Noch wichtiger aber wurde, was er nicht war: Kommunist. Die fehlende Gesinnung erwies sich als lebensbedrohlich.
    Ein Gruppe Häftlinge bewegt sich nach der Selektion zum Krematorium im KZ Auschwitz.
    Ein Gruppe Häftlinge bewegt sich nach der Selektion zum Krematorium im KZ Auschwitz. (picture-alliance / dpa)
    "Wenn einer die Macht hatte, spielten die Kommunisten sie aus. Wurden die Kommunisten vorgezogen. Und kein Feingold. Feingold war überhaupt ein Dorn im Auge. Auch auf dem Block. Man hat mich dargestellt, als ob ich vorher ein Großunternehmer, ein Industrieller gewesen wäre. Wer einmal ein Krösus war, ist jetzt ein Niemand."
    Den fetten acht Jahren folgten sieben entsetzliche
    Arbeitslos und gerade mal 20 hatte er seine Heimatstadt Wien verlassen und sich als Vertreter in Italien durchgeschlagen. Anfangs mühsam. Später lief das Geschäft wie geschmiert, als er in Hotels und an Hausfrauen Bohnerwachs verkaufte. Ein Glücksgriff.
    "Durch eine Spritze aufgetragen: ein wundervoller Glanz. Mit dem sind wir reich geworden. Es ist mir so gut gegangen. Wenn wir manches Mal von einer Stadt in eine andere gefahren sind und sind am Bahnhof angekommen, dann mussten wir zwei Taxis nehmen, denn in eines sind die Koffer nicht hereingegangen."
    Den fetten acht Jahren folgten sieben entsetzliche, die meisten verbrachte er in Buchenwald. Dort traf er den Schriftsteller Bruno Apitz. Was der später in seinem Buch schrieb, "Nackt unter Wölfen", hat Marko Feingold so nicht erlebt. Auch Apitz verbreitete die Lüge von der Selbstbefreiung und ihr folgten weitere. Der Antifaschismus in der DDR zum Beispiel. Galt doch der Antifaschismus als Daseinsberechtigung für den zweiten Deutschen Staat, etwas anderes hatte der nicht zu bieten, meint der Historiker Rüdiger Bergien vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung.
    "Wichtig ist, dass der DDR-Antifaschismus als Gründungsmythos von Beginn an schwarz-weiß war. Es war klar, wer sind die Guten, wer sind die Bösen. Während der bundesdeutsche Weg verschlungen, wechselhaft, aber eben auch offen war für all die Nuancierungen, für die unterschiedlichen Verstrickungen. Dieses Bewusstsein ist in der DDR sicherlich nicht entwickelt worden."
    Die Logik war schlicht, die Rhetorik scharf, vom Kalten Krieg geprägt: Karl Schirdewan, Mitglied des Politbüros der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, sprach auf einer Kundgebung für die Opfer des Faschismus und bediente sich der seinerzeit üblichen Formeln.
    "Zwei verschiedene Wege ist man in Deutschland gegangen. Wer geglaubt hat, dass die alten Kräfte des Militarismus und der Reaktion mit Worten allein bekämpft werden können, der sieht an der Entwicklung Westdeutschlands, dass das eine gefährliche Illusion ist. Die Reaktion feiert ihre faschistischen Führer. Die SS-Mörder sind treue Gefolgsleute Adenauers und der CDU-Kriegspartei. Frech erheben sie ihr Haupt und tragen die Kainsmale des Verbrechens, die faschistischen Orden und Abzeichen provokatorisch zur Schau."
    Karl Schirdewan 1957 auf dem Ostberliner August-Bebel-Platz. Auf dem Gelände des Konzentrationslagers Buchenwald wird ein Jahr später die nationale Mahn- und Gedenkstätte eröffnet. In diesem Umfeld erscheint der Roman von Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen". 13 Jahre nach Kriegsende. Eine Zeit, in der die SED Schriftsteller längst an die Kandare genommen hat. Diesen zensierten, unterdrückten, bevormundeten Literaten ist das aktuell erschienene Buch "Gesperrte Ablage" von Ines Geipel und Joachim Walter gewidmet. Ines Geipel beginnt mit einem Porträt von Bruno Apitz, denn er war der einzige Bestseller-Autor der DDR und in den Anfängen des jungen Staates der allerwichtigste.

    "Er ist Buchenwald-Häftling und merkt über die Jahre hinweg die Diskreditierung der Buchenwald-Häftlinge. Er will seine Kommunisten rehabilitieren. Man weiß, dass er sehr lange an diesem Buch gearbeitet hat, dass der Stoff nicht gewollt war und in dem Moment öffentlich wurde, als die große Weihe "Buchenwald" geschehen sollte."
    Bruno Apitz
    Bruno Apitz (1900−1979) (dpa / picture alliance / ADN)
    Bruno Apitz erzählt die Geschichte des jüdischen polnischen Jungen Stefan Jerzy Zweig, der durch die Kommunisten im Lager "Buchenwald" gerettet wird. Eine Heldengeschichte, die als authentisch verkauft wird, an der jedoch fast nichts stimmt.
    Der Stoff wird trotzdem gleich dreimal verfilmt, 1960, 1963 und 2015, immer nach Bruno Apitz' Vorlage. Zuletzt zwar nach einem der unveröffentlichten Manuskripte, von denen es mehrere gab, doch immer noch ist Manches historisch falsch. Trotzdem gewann die jüngste Fassung den Deutschen Fernsehpreis 2016.
    "Die Forschung ist ja sehr viel weiter in den letzten 25 Jahren, also nachdem im Grunde überhaupt erst Forschung möglich wurde. Das Problem fängt ja da an, wenn die historische Wahrheit in der Weise verdreht wird. Ich glaube, dass eine politische Gruppierung versucht zu überleben, ist legitimiert aus dieser Notsituation, aber dass man danach so eine Mega-Erzählung baut, die auf der Lüge basiert – das ist, glaube ich, das große Problem."
    Dabei hatte der Ex-Buchenwald-Häftling Bruno Apitz in seinem Roman den grausamen Lageralltag ursprünglich durchaus differenziert erzählen wollen. Und seine kommunistischen Genossen rehabilitieren, denn er hatte die unguten Diskussionen über sie mitbekommen, die hinter vorgehaltener Hand innerhalb der Partei geführt wurden. Darüber, dass sich kommunistische Häftlinge mitschuldig gemacht haben. Doch dieser Erzählstrang fehlt komplett. Wichtige, unangenehme Wahrheiten lässt Apitz aus.
    Für die Kommunisten gibt es wertvolle Häftlinge und weniger schützenswerte
    "Verschwiegen wird das systematische Töten durch Phenolspritzen oder durch Luftspritzen oder Spritzen mit Erreger-Bakterien. Und das eben massenhaft. Und da gibt es eben verschiedene Zeugen, die darüber berichtet haben. Und verschwiegen wird auch die Systematik, das Unentrinnbare in dem Ganzen. Und man spricht vom massenhaften Töten im Lager selber unter der Obhut des kommunistischen Lagerkomitees und das ist natürlich ein schwerer Vorwurf."
    Auch der Wiener Jude Marko Feingold ist diesem sogenannten Abspritzen begegnet.
    "Ich erinnere mich an drei Häftlinge, drei Juden, die Maurer geworden sind und irgendwann vorzeitig Schluss gemacht haben. Und ein SS-Mann kommt herein in die Halle und sieht da, wie sie vorzeitig Schluss machen, und schreibt alle drei auf. Der Scharführer Spät war das. Der besteht darauf, dass man die drei abspritzt. Und am Abend auf dem Block bekommen sie einen Zettel und da steht, sie müssen am Morgen ins Revier gehen zum Abspritzen."
    Bruno Apitz schrieb drei Jahre an dem Buchenwald-Roman. Er wusste um das Töten mit Spritzen. In der ersten Fassung des mehrfach überarbeiteten Manuskripts schafft er die Figur des Papa Berthold, der auf diese Art mehrfach Häftlinge ermordet. Die Figur taucht in allen späteren Fassungen nicht mehr auf.
    Die Nazis hatten die Häftlinge bereits in Kategorien sortiert, diese Einteilung wird nun ergänzt. Für die Kommunisten gibt es wertvolle Häftlinge und weniger schützenswerte. Das hat Einfluss auf die Zusammenstellung von Transportlisten, beispielsweise nach Auschwitz oder für die Todesmärsche.
    Auch der polnische Junge, die Hauptfigur bei Bruno Apitz, ist in Buchenwald vor einer Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz bewahrt worden, im Austausch für den Sinto-Jungen Willy Blum.
    In dem Werk, das alle DDR-Schüler seit 1960 lesen mussten, findet sich von diesem Opfertausch kein Wort. Doch er ist belegt. Ebenso wie der noch schwerere Vorwurf, dass Kommunisten selbst Häftlinge mit Spritzen getötet haben.
    Einer dieser Täter hieß Helmut Thiemann. Thiemann nannte sich Rolf Markert. Möglicherweise auch, weil US-Behörden nach ihm wegen seiner Rolle im KZ fahndeten. Als kommunistischer Häftling in Buchenwald mordete er aus politischen Gründen.
    In einem internen Bericht für die Partei schrieb Helmut Thiemann nach Kriegsende:
    "Im Lager hatten wir eine Zeit lang circa tausend freiwillige Wlassow-Leute. ... Die russischen Genossen verlangten von uns die Beseitigung derselben. Wir konnten ungefähr 176 Mann vernichten."
    Helmut Thiemann hat gestanden, dass von ihm und seinen Genossen 176 Menschen durch das sogenannte Abspritzen getötet wurden. Die Dunkelziffer in Buchenwald und anderen Lagern dürfte weit höher sein. Unter den Kommunisten in Buchenwald befanden sich demnach Mörder.
    "Ich meine, worüber sprechen wir? Wir sprechen über ein Konzentrationslager. Und das ist klar, dass wenn es die Möglichkeit gegeben hat zu überleben, dann wird man das natürlich versucht haben. Und insofern war die Lager-Organisation der Kommunisten unwahrscheinlich effektiv. Wenn man weiß, es gibt 56.000 Tote und 72 davon waren Kommunisten."
    Als Österreicher befand sich Feingold in sicherer Distanz
    Die Erkenntnisse über die Mittäterschaft sind keineswegs neu. Das Gegenteil ist der Fall. Ines Geipel verweist auf das Datum, an dem die Zeugnisse abgelegt wurden: kurz nach Kriegsende.
    "Alle die Personen, die dazu befragt wurden, zum Beispiel eben Helmut Thiemann, alias Rolf Markert, der dann unter Decknamen in der DDR gelebt hat, sagt über diese Politik im Lager eigentlich sehr klar aus. Nur sind eben diese Dokumente in der DDR auf keinen Fall öffentlich geworden."
    Die DDR – ein Land von Antifaschisten. Marko Feingold hat diese Stilisierung des zweiten deutschen Staates nach dem Krieg beobachtet. Er hat diese Propaganda nie geschluckt. Als Österreicher befand er sich in sicherer Distanz, in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR war jeder, der zweifelte, gut beraten, dies nicht öffentlich zu tun.
    "Das ist ein neuer und ein junger Staat. Und ganz am Anfang werden natürlich Machtinteressen geklärt. Es gibt diese Gruppe der 218 Moskauer, die zurückkommen, unter Walter Ulbricht, und die die Macht an sich ziehen. Und es gibt die knapp 800 Buchenwald-Häftlinge, deutsche Kommunisten. Das ist ja eine vielfache Verdrehung im Sinne der abgeforderten Loyalität. Jeder, der nur die leiseste Frage gestellt hat in der Anfangszeit, kam dran."
    Dass sich ehemalige KZ-Häftlinge schuldig gemacht und kollaboriert hatten, war für Exil-Kommunisten wie Walter Ulbricht eine überaus wertvolle Information. Die sogenannten Moskauer hatten den Krieg in der Sowjetunion abgewartet und waren nicht gewillt, die Macht den angeblich moralisch überlegenen Widerständlern der Lager zu überlassen. Doch nicht nur die belasteten Kommunisten waren erpressbar. Die Mitläufer und Täter, von denen es weitaus mehr gab, hatte die Parteiführung in der Hand. Wer sich loyal verhielt, am Aufbau des Sozialismus beteiligte, durfte in bestimmtem Umfang Karriere machen, trotz brauner Vergangenheit. Der Geschichtswissenschaftler Rüdiger Bergien.
    "Es gibt nicht eine Elitenkontinuität, die sich auf die Leitungsebene erstreckt. Das MfS war schon ein Bereich, der nazi-frei war. Aber es gibt, und das ist sicherlich ein Knacks im Bild des antifaschistischen Staates, es gibt Kontinuitäten in Mangelberufen. Insbesondere Mediziner. Mediziner waren ein großes Problem. Da war man ausgesprochen duldsam."
    Ob Nazis oder Kommunisten, die in Buchenwald Schuld auf sich geladen hatten: Hohe Positionen waren für sie durchaus erreichbar, sofern sie der DDR bedingungslos treu waren. Helmut Thiemann behielt seinen Decknamen Rolf Markert, wurde in den Dienst der Volkspolizei aufgenommen und ging als Generalmajor 1981 in den Ruhestand. Der SED-Bezirksleitung Dresden gehörte er bis 1989 an.
    Ende der 50er-Jahre hatte die DDR ihre Entnazifizierung lange hinter sich
    Nazis stiegen selbst bis in den Verwaltungsapparat des Zentralkomitees der SED auf, wie der Historiker Rüdiger Bergien belegt:
    "Ich habe mich beschäftigt mit dem Apparat des Zentralkomitees. Das Zentralkomitee ist die gewählte Versammlung, also das höchste Gremium der Partei. Wenn man es vergleichen will mit der Bundesrepublik, dann wäre das das Bundeskanzleramt. Und das waren 1.000 politische Mitarbeiter. Und da war es tatsächlich so, dass wir einen Anteil haben von zehn Prozent der Personen, die vor 1945 in der NSDAP waren. Das ist etwa der Bevölkerungsdurchschnitt. Ein Spruch der Zeitgenossen in den späten 40er-Jahren war: Die SED ist der große Freund der kleinen Nazis. Die SED war die Partei mit dem größten Anteil an NSDAP-Mitgliedern unter allen Parteien in der DDR."
    Ende der 50er-Jahre hatte die DDR ihre Entnazifizierung bereits lange hinter sich. Dank eines Schnelldurchlaufs. Allerdings mit zweifelhaftem Erfolg.
    "Wir haben eine Phase sehr scharfer Strafverfolgung, das waren die späten 40er-Jahre. Also noch unter der sowjetischen Besatzung, wo rigide verurteilt wurde. Wir haben mehrere Tausend Verurteilungen von NS-Tätern, wir haben viele Todesstrafen und wir haben die Waldheimer Prozesse. Aber Mitte der 50er-Jahre haben wir mehrere Amnestiewellen. Und da ist es also wirklich frappierend. Mitte der 50er-Jahren saß von den mehrere Tausend verurteilten NS-Tätern kaum noch jemand in Haft. Die waren alle wieder entlassen worden. Und das war im krassen Gegensatz, was in der Bevölkerung und auch unter den Opfern in der DDR geglaubt wurde."
    Das schematische Verständnis, wer Faschist und wer Antifaschist ist, hat bis heute überlebt. Wenn die ukrainische Bürgerbewegung auf dem Maidan von Russlands Führung als Faschisten verunglimpft wird, regt das in Osteuropa kaum jemanden auf, denn dort wird der Begriff Faschist vor allem als Schimpfwort verstanden. Jeder Gegner, der für nationale Interessen eintrat, war schon zu Sowjetzeiten ein Faschist. Russische Propagandaprofis haben gelernt, dass in Westeuropa ein politischer Akteur kaum effektiver diskreditiert werden kann. In Deutschland machen sich vor allem jene diese Lesart zu eigen, die von der demokratischen Gesellschaft als Ganzes wenig halten, immer noch auf starke Führer setzen. Ines Geipel verweist auf Plakate bei Pegida-Demonstrationen, auf denen steht "Putin hilf" - ein Indiz für die Nähe von Rechtspopulisten zur Moskauer Führung.
    "Man sieht daran heute, wie die AfD heute diese Putin-Lüge benutzt. Wir wissen, wie der Osten dahingehend tickt. Wir wissen, was in Dresden auf den Pegida-Demonstrationen in Sachen Putin gesagt wird. Deswegen ist es so wichtig, wie wenig Aufarbeitung da geschafft ist."
    Der von der Obrigkeit diktierte Antifaschismus der DDR hat die Illusion erzeugt, in einem Land frei von Tätern zu leben. Und wo es keine Täter mehr gibt, muss sich niemand verantworten.
    "Diktaturen sind immer Verantwortungsentlastungen, große Verantwortungsentlastungen. Davon hat sich der Osten nicht emanzipiert. Das ist ja das Interessante am Osten, dass du dort eine Überlagerung von zwei Diktaturen hast. Und wenn die erste wie ein Siegel im Grunde verschlossen wird – das ist alles ein Nachhall oder wie ein langes Ausatmen nach der Diktatur, was wir jetzt erleben."