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Antisemitismus beim Spiel Union Berlin - Maccabi Haifa
Die geteilte Öffentlichkeit

Das Spiel Union Berlin gegen Maccabi Haifa in der Conference Lague wurde zunächst als unbeschwertes Fest der deutsch-israelischen Freundschaft wahrgenommen. Doch eine Gruppe von Union-Fans hat Haifa-Fans antisemitisch beleidigt. Unserem Reporter ist es gelungen, mit einem Stadionbesucher zu sprechen, der selbst Ziel der Anfeindungen wurde.

Von Sebastian Engelbrecht |
Fans von Maccabi in Berlin
Fans von Maccabi in Berlin (imago-images / Matthias Koch)
"Eisern Union" sangen die Fans an einem kalten Donnerstagabend auf den Rängen des Berliner Olympiastadions. Das Spiel ihres 1. FC Union gegen Maccabi Haifa war das erste Pflichtspiel einer israelischen Mannschaft an diesem Ort, den die Nationalsozialisten für ihre Propaganda genutzt hatten, vor allem bei den Olympischen Spielen von 1936. Die Führung des 1. FC Union Berlin war gut auf die Begegnung vorbereitet. Vor dem Spiel zeigten die Unioner den Gästen von Maccabi Haifa ihr eigentliches Heim-Stadion an der Alten Försterei in Berlin-Köpenick.
Christian Arbeit, der Sprecher des 1. FC Union, berichtet, man habe Bilder von der Visite der Maccabi-Clubführung aus Haifa vor dem Spiel ins Netz gestellt. Damit habe der Berliner Verein zeigen wollen, wie willkommen die Gäste gewesen seien. Beim Spiel, das Union 3:0 gewann, sei es dann so weitergegangen.
"Es war eine sehr fröhliche, phasenweise ausgelassene Atmosphäre, begann schon mit der Begrüßung der Gäste, aber auch mit dem sehr stimmungsvollen Gästeblock, die ja auch eine entsprechende Choreo vorbereitet haben, die ja auch die ganze Zeit getrommelt, gesungen haben, und endete letztlich mit verdientem Applaus für die Mannschaft von Maccabi Haifa."

Die eine Wahrnehmung: völkerfreundschaftliche Begegnung im europäischen Fußball

Christian Arbeit erlebte das Spiel geradezu als vorbildlich faire, herzliche Begegnung zweier Mannschaften – eine völkerfreundschaftliche Begegnung im Rahmen der europäischen Conference League. Und sogar Dudu Bezeq, der Pressesprecher der Gäste aus Haifa, bestätigte noch nach dem Spiel, man sei selten so freundlich aufgenommen worden wie in Berlin. Beschwerden von mitreisenden Maccabi-Haifa-Fans habe es nicht gegeben.
Auch auf den Rängen, in den Blöcken 13 und 14, erlebten die Zuschauer das Spiel zunächst als fröhliche Fußball-Begegnung. Aber viele von ihnen haben bis heute Angst, öffentlich zu reden. Einer, der anonym bleiben will, ist bereit, vor dem Mikrofon zu erzählen.
"Der Block war mehrheitlich rot, das schon, aber auch dann einige Maccabi-Anhänger, teilweise mit Schals oder mit Trikot – wir hatten noch so zwei Fähnchen dabei, also Israel-Fahnen explizit – und haben die vorne am Zaun hingehängt und hatten auch noch zwei Papp-Fähnchen zusätzlich dabei."

Die Kehrseite: antisemitische Beleidigungen, fliegende Bierbecher

Der Fussballfan saß in einem gemischten Block – als Maccabi-Anhänger unter einer Mehrheit von Union-Begeisterten. Union Berlin hatte Mitglieder des jüdischen Berliner Vereins TuS Makkabi Berlin und des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft eingeladen und ihnen Freikarten für diesen Block im Oberrang geschenkt. Aber für die Gruppe von etwa 25 jüdischen und nichtjüdischen Fans von Maccabi Haifa wurde es dann ungemütlich. So erzählt der anonyme Zeuge. Schon kurz vor Spielbeginn forderte ein Union-Fan die Maccabi-Truppe drohend auf, den Block zu verlassen – mit den Worten "Verpisst Euch".
"Als das 1:0 für Union gefallen ist, ist es dann so gewesen, dass einerseits sowieso Bierbecher geflogen sind. Und dann ist eben dieser eine gerade wieder auf uns zugelaufen gekommen sehr schnell, hat sein Bier dann in unsere Richtung gekippt und hat dann so die körperliche Auseinandersetzung gesucht."

Ein Teil der Makkabi-Fans verließ aus Angst den Block

Eine Gruppe von fünf Union-Fans sei aktiv gegen die Maccabi-Anhänger vorgegangen. Zunächst hätten diese noch versucht, sie zu besänftigen, sagt der anonyme Zeuge aus der Maccabi-Anhängerschaft.
"Als das dann so richtig losging und wir da stark bedrängt wurden, auch eben körperlich und an der Jacke gehalten wurden, tatsächlich diese Person auch ihren Kopf an uns gedrückt hat – im gleichen Moment kam dann eben die Gruppe von neben uns an, relativ panisch: So, wir wurden gerade als ‚Scheiß Juden‘ bezeichnet, wir werden die ganze Zeit von hinten angepöbelt. Wir wollen jetzt den Block verlassen."
Fans von Maccabi Haifa schwenken im Gästefanblock die israelische Flagge
Antisemitismus - Skandal bei Union BerlinVorfall mit Symbolkraft
Bei dem Conference-League-Spiel von Union Berlin gegen Maccabi Haifa hat es antisemitische Äußerungen gegeben, bestätigte Union. Wegen der UEFA-Kriterien fand die Partie im Olympiastadion statt. Es war somit das erste Pflichtspiel einer israelischen Mannschaft in der während der NS-Zeit errichteten Arena.
Ein Teil der Gruppe habe den Block daraufhin tatsächlich verlassen. Der Pöbler provozierte weiter und versuchte, ein Israel-Papierfähnchen anzuzünden, allerdings ohne Erfolg. Mehrere Union-Fans hätten immer wieder versucht, die antisemitischen Pöbler von ihren Attacken abzuhalten, erinnert sich der Zeuge. Dennoch hallt eine Beschimpfung in seinem Gedächtnis wider – sie ist so bedrohlich, dass er seinen Namen nicht veröffentlichen will.
"Die Beleidigung als ‚Scheiß Jude‘, das war schon vor dem Tor tatsächlich, das ist dann von hinten quasi so gerufen worden."

Antisemitische Erfahrungen bei einem Teil der Makkabi-Fans, bei anderen nicht

Schließlich verließen alle Maccabi-Unterstützer den Block, in dem das alles passiert war. Ein Zivilpolizist hatte das Geschehen beobachtet und bat um Zeugenaussagen.
"Ich hab auch von anderen gehört, die keine antisemitischen Erfahrungen gemacht haben, andererseits dann auch im Nachhinein von anderen, die an anderer Stelle im Stadion saßen, die dann ähnliche Erfahrungen gemacht haben."
Die Recherche- und Dokumentationsstelle Antisemitismus schreibt, nach dem Spiel hätten Union-Fans die Gäste aus Israel als "Judensöhne" beschimpft. Ein anderer Union-Fan soll seine Freunde verklausuliert gefragt haben, ob sie ein wenig Zyklon B dabeihätten, das Giftgas, mit dem in Auschwitz Juden ermordet wurden. Ein anderer Union-Fan rief in der Menge nach dem Spiel laut einem Bericht der Berliner Polizei mehrmals die Parole "Sieg Heil".

Entschuldigung und Verurteilung durch den FC Union

Union-Sprecher Christian Arbeit entschuldigte sich nach dem Spiel bei den beschimpften und bedrängten Maccabi-Fans für das Verhalten der Pöbler, der Verein verurteilte die antisemitischen Vorfälle.
Zudem hat der 1. FC Union einen der Täter aus dem Oberrang mittlerweile identifiziert und ihm Hausverbot erteilt. "Es gibt für ihn nicht mehr die Möglichkeit, teilzuhaben hier an dieser Gemeinschaft, und wir haben ein Ausschlussverfahren aus dem Verein aufgenommen, das darin münden wird, dass er nicht mehr Mitglied und Teil dieses Vereins sein kann."
Auf offizieller Ebene aber, bei der Pressekonferenz nach dem Spiel, bevor bekannt wurde, was auf den Rängen passiert war, klang alles noch nach einem unbeschwerten Fußballfest.
"Vielen Dank, dann sagen wir noch mal Dankeschön fürs Kommen. Danke für diese Möglichkeit der tollen Begegnungen in der Europa Conference League und thank you very much."