Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Antisemitismus
Frankreichs Justiz stoppt umstrittenen Satiriker

Sein Antisemitismus hat dem französischen Satiriker Dieudonné nun ein Auftrittsverbot eingebracht. Frankreichs Innenminister will ihm so im wahrsten Sinne des Wortes die Bühne entziehen. Antisemitismus ist ein wachsendes Problem in unserem Nachbarland.

Von Ursula Welter | 10.01.2014
    Der französische Satiriker "Dieudonné"
    Wegen antisemitischer Äußerungen geht die französische Justiz schon länger gegen den Satiriker "Dieudonné" vor. (picture alliance / dpa / Christophe Morin)
    Ob die Türen sich öffnen würden, war lange nicht klar. Die Juristen berieten noch, als die Polizeiwagen vor der Veranstaltungshalle im westfranzösischen Nantes schon vorfuhren, auch eine Bombendrohung soll es gegeben haben.
    Nachdem die eine Instanz die Meinungsfreiheit verteidigt, das Spektakel genehmigt und das Verbot des Präfekten damit aufgehoben hatte, rief der Innenminister die nächste Instanz an: das höchste Verwaltungsgericht der Republik.
    Und der Staatsrat gab dem Minister recht, hob die Genehmigung des regionalen Gerichts wieder auf. Da zogen in Nantes ein paar Hundert Demonstranten vor das Gebäude.
    Schon Geldstrafen verhängt
    Mehr als 5000 Tickets waren verkauft worden, manche Fans waren einfach enttäuscht, andere nutzen das Medieninteresse, drängten sich mit zweifelhaften Gesten vor die Kameras, Reporter mussten Liveschalten abbrechen.
    "Es herrscht Meinungsfreiheit, die haben nicht das Recht das zu tun, schockierend", meint nicht nur diese Frau.
    Mit einem Erlass an die Präfekten hatte Innenminister Manuel Valls vor Tagen entschieden, den Alleinunterhalter mit Namen "Dieudonné M’Bala M’Bala" zu stoppen. Der 47jährige war regelmäßig mit antisemitischen Witzen vor ausverkauften Häusern aufgetreten, war deshalb mehrfach zu Geldstrafen von insgesamt 65tausend Euro verurteilt worden, die er schuldig blieb. Weil er seine Einnahmen klein rechnete – obwohl der Betreiber eines privaten Theaters in Paris neben gut besuchten Shows einen florierenden Handel mit Werbeartikeln betreibt, die seine Marke tragen.
    "Vorbeigehen, wegschauen, während er seine Hassparolen verbreitet, den Antisemitismus, den Rassismus, die Leugnung des Holocaust, während er die Juden für alle Probleme der Gesellschaft verantwortlich macht? Sicher nicht!
    Einen "großen Künstler" nennt dieser Fan den Mann, der auf der Bühne mal in die Rolle eines Nazis schlüpft, mal laut über Holocaustentschädigungen witzelt, mal offen homophob spricht und meist die Lacher im Saal auf seiner Seite hat.
    Die Zeitschrift "lepoint " hatte Ausschnitte seiner Programme veröffentlicht und die Leser aufgefordert, selbst zu urteilen, ob der Innenminister Recht habe mit dem Auftrittsverbot, oder ob hier ein Fall von Zensur vorliege.
    Politisches, militantes Auftreten
    In Umfragen zeigte sich das Publikum gespalten, 52 Prozent teilten die Meinung des Ministers, die knappe andere Hälfte sprach sich für künstlerische Freiheit aus.
    Man müsse doch auch über die Shoah lachen dürfen, zitierte die Zeitung "Libération" Besucher einer Show, andere räumten ein, manchmal gehe der "Künstler" doch zu weit.
    Die Kulturministerin ist entschieden. In diesem Fall gehe es nicht um Kunst, sondern um ein politisches, militantes Auftreten.
    "Schon heute ist es nicht erlaubt, sich den Mantel eines Künstlers umzuhängen, wenn es tatsächlich um ein politisches Meeting geht, das Gesetz besagt, dass die Meinungsfreiheit endet, wo die Leugnung der Shoah beginnt."
    "Dieudonné", auf Deutsch der "Gottgegebene", Sohn einer Französin und eines Einwanderers aus Kamerun, bullige Gestalt, getönter Teint, galt in den 90er Jahren als Ausnahmetalent, mutierte mit der Zeit jedoch zu einem Tabubrecher, nahm sich mehr und mehr antisemitische Inhalte vor. Eine "Gaskammer-Bemerkung" gegenüber einem Journalisten jüdischen Glaubens hatte zum Jahreswechsel, aus Sicht des Innenministers, das Fass der Zumutungen zum Überlaufen gebracht. Manuel Valls ermunterte die Präfekten, "Dieudonnés" Auftritte zu unterbinden. Bordeaux, Nantes, Orléans, Toulouse - das Verbot zog Kreise, aber die Anwälte des 47jährigen hielten in jedem Fall dagegen, legten Einspruch ein.
    Videobotschaft angekündigt
    Nun, da die höchste Instanz entschieden habe, werde das jedoch kompliziert, räumte Jacques Verdier im Fernsehsender iTele ein.
    Der Innenminister sah die Entscheidung des Staatsrates als Erfolg an:
    Hinter den Mauern, in der Künstlergarderobe, tippte derweil "Dieudonné" eine Nachricht ins soziale Netzwerk, indem er es auf mehr als eine halbe Million sogenannte Freunde bringt. "Geht nach Hause", schrieb er und forderte die Fans auf, nach Hause zu gehen und dabei die französische Hymne, die Marseillaise zu singen. Und versprach ihnen für diesen Freitag ein Video im Internet.