Bernhard Docke: Guten Tag.
Meurer: Sie haben auch vor dem Supreme Court für Ihren Mandanten geklagt. Empfinden Sie das Urteil als einen großen Erfolg?
Docke: Ja sicher. Es ist ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit über eine rechtliche Argumentation um Positionen der Bush-Administration, die abwegig und mittelalterlich war. Dass man dieses Urteil jetzt so feiern muss, sagt auch etwas über die Zeiten aus, in denen wir leben, weil der Supreme Court eigentlich etwas Selbstverständliches klargestellt hat: dass auch in Zeiten der Krise die Regierung nicht nach Gutdünken mit Gefangenen verfahren darf, dass auch in Zeiten der Krise die Regierung Recht und Gesetz achten muss und dass alle Gefangenen der Amerikaner, egal wo, wie lange und von wem sie festgehalten werden, das Recht haben, ihre Inhaftierung richterlich überprüfen zu lassen. Das sind jahrhundertealte Rechte, die der Supreme Court jetzt noch einmal hochhalten muss, es ist traurig, dass erst der Supreme Court der Bush-Administration diesen Weg weisen muss.
Meurer: Zum Schicksal Ihres Mandanten: wie schnell werden Sie jetzt eine Haftüberprüfung für ihn in die Wege leiten können?
Docke: Wir werden das jetzt unmittelbar einleiten. Bislang habe ich noch keine Stellungnahme der US-Administration gehört, ob sie jetzt freiwillig Terrain freigeben, Anwälte zulassen, diesen Akteneinsicht gewähren, Haftüberprüfung vornehmen oder sofort Spreu von Weizen trennen und dort, wo es keine Haftgründe gibt, die Leute von alleine freizulassen. Wir wissen nicht, ob ihr diese ganzen rechtsstaatlichen Standards, die wie gesagt eigentlich selbstverständlich sind für einen Rechtsstaat, ob wir die jetzt vor Gericht durchsetzen müssen oder ob die Bush-Administration dieses Terrain räumt.
Meurer: Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Mandant vorerst auf freien Fuß kommt, aber dann immer noch einen Prozess zu gegenwärtigen hat?
Docke: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Wenn es belastendes Material gibt, wird es dort Anklagen geben, die werden dann vor amerikanischen Gerichten verhandelt werden, eine Freilassung wird dann möglicherweise mit dem Urteilsspruch erfolgen. Ich gehen aber davon aus, dass Murat Kurnaz nicht angeklagt wird, weil alles dagegen spricht, dass es dafür ausreichendes belastendes Material gibt.
Meurer: Werden Sie ihn besuchen können? Sie haben ihn ja glaube ich noch nie gesehen?
Docke: Das werde ich versuchen. Bislang habe ich ja in einer surrealen Welt gelebt, was diesen Mandanten angeht. Ich kenne ihn nicht, er kennt mich nicht, wahrscheinlich weiß er auch gar nicht, dass ich für ihn tätig bin. Die Mandatierung läuft über die Familie, die Mutter. Das ist also ein Stück aus Kafka gewesen und ich hoffe, dass diese Situation der Ohnmacht und des Anrennens gegen eine Arroganz der Macht, ein für alle mal beendet ist. Wir haben keine rechts- und gerichtsfreie Zone mehr, der Rechtssaat kann jetzt dort beginnen. Mit zweieinhalb Jahren Verzögerung, bittere Jahre für die Gefangenen dort.
Meurer: Die US-Regierung behauptet, ihr Mandant habe in den Krieg gegen die USA ziehen wollen. Hat er das tatsächlich?
Docke: Was wir von Murat Kurnaz wissen ist, dass er am 3. Oktober 2001 Bremen Richtung Pakistan verlassen hat, mit welchem Motiv auch immer, da gibt es verschiedene Spekulationen drüber. Selbst wenn er vorhatte, sich Richtung Taliban zu bewegen: er ist drei Tage, bevor die ersten Bomben in Afghanistan fielen Pakistan gereist. Er hatte keine Militärausbildung, konnte kein Englisch oder Arabisch und der Generalbundesanwalt hat Untersuchungen eingeleitet, ob er irgendwelche Kontakte zum islamistischen Terrornetzwerk in Deutschland hatte und das Ergebnis war nein und er ist in Pakistan, nicht in Afghanistan festgenommen worden, alles spricht also dagegen, dass er in Kampfhandlungen verwickelt war.
Meurer: Es gibt ja ein zweites Urteil des Supreme Courts von gestern, danach wird es in den USA schon erlaubt, jemanden ohne Anklage unbefristet festzuhalten. Ist das ein erheblicher Wermutstropfen aus Ihrer sicht?
Docke: Nein, das andere Urteil betraf ja US-Bürger. Der entscheidende Punkt für uns ist, dass wir eine richterliche Überprüfung der Inhaftierung bekommen. Das ist die entscheidende Qualität dieses Urteils. Ab sofort ist alles anders in Guantánamo, dieses Urteil wird da sehr viel in Bewegung setzen und ich erwarte auch, dass ein Großteil der Gefangenen in unmittelbarerer Zukunft freigelassen wird.
Meurer: Der Rechtsanwalt des deutsch-türkischen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz, Bernhard Docke. Besten Dank und auf Wiederhören.
Docke: Wiederhören.
Meurer: Sie haben auch vor dem Supreme Court für Ihren Mandanten geklagt. Empfinden Sie das Urteil als einen großen Erfolg?
Docke: Ja sicher. Es ist ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit über eine rechtliche Argumentation um Positionen der Bush-Administration, die abwegig und mittelalterlich war. Dass man dieses Urteil jetzt so feiern muss, sagt auch etwas über die Zeiten aus, in denen wir leben, weil der Supreme Court eigentlich etwas Selbstverständliches klargestellt hat: dass auch in Zeiten der Krise die Regierung nicht nach Gutdünken mit Gefangenen verfahren darf, dass auch in Zeiten der Krise die Regierung Recht und Gesetz achten muss und dass alle Gefangenen der Amerikaner, egal wo, wie lange und von wem sie festgehalten werden, das Recht haben, ihre Inhaftierung richterlich überprüfen zu lassen. Das sind jahrhundertealte Rechte, die der Supreme Court jetzt noch einmal hochhalten muss, es ist traurig, dass erst der Supreme Court der Bush-Administration diesen Weg weisen muss.
Meurer: Zum Schicksal Ihres Mandanten: wie schnell werden Sie jetzt eine Haftüberprüfung für ihn in die Wege leiten können?
Docke: Wir werden das jetzt unmittelbar einleiten. Bislang habe ich noch keine Stellungnahme der US-Administration gehört, ob sie jetzt freiwillig Terrain freigeben, Anwälte zulassen, diesen Akteneinsicht gewähren, Haftüberprüfung vornehmen oder sofort Spreu von Weizen trennen und dort, wo es keine Haftgründe gibt, die Leute von alleine freizulassen. Wir wissen nicht, ob ihr diese ganzen rechtsstaatlichen Standards, die wie gesagt eigentlich selbstverständlich sind für einen Rechtsstaat, ob wir die jetzt vor Gericht durchsetzen müssen oder ob die Bush-Administration dieses Terrain räumt.
Meurer: Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Mandant vorerst auf freien Fuß kommt, aber dann immer noch einen Prozess zu gegenwärtigen hat?
Docke: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Wenn es belastendes Material gibt, wird es dort Anklagen geben, die werden dann vor amerikanischen Gerichten verhandelt werden, eine Freilassung wird dann möglicherweise mit dem Urteilsspruch erfolgen. Ich gehen aber davon aus, dass Murat Kurnaz nicht angeklagt wird, weil alles dagegen spricht, dass es dafür ausreichendes belastendes Material gibt.
Meurer: Werden Sie ihn besuchen können? Sie haben ihn ja glaube ich noch nie gesehen?
Docke: Das werde ich versuchen. Bislang habe ich ja in einer surrealen Welt gelebt, was diesen Mandanten angeht. Ich kenne ihn nicht, er kennt mich nicht, wahrscheinlich weiß er auch gar nicht, dass ich für ihn tätig bin. Die Mandatierung läuft über die Familie, die Mutter. Das ist also ein Stück aus Kafka gewesen und ich hoffe, dass diese Situation der Ohnmacht und des Anrennens gegen eine Arroganz der Macht, ein für alle mal beendet ist. Wir haben keine rechts- und gerichtsfreie Zone mehr, der Rechtssaat kann jetzt dort beginnen. Mit zweieinhalb Jahren Verzögerung, bittere Jahre für die Gefangenen dort.
Meurer: Die US-Regierung behauptet, ihr Mandant habe in den Krieg gegen die USA ziehen wollen. Hat er das tatsächlich?
Docke: Was wir von Murat Kurnaz wissen ist, dass er am 3. Oktober 2001 Bremen Richtung Pakistan verlassen hat, mit welchem Motiv auch immer, da gibt es verschiedene Spekulationen drüber. Selbst wenn er vorhatte, sich Richtung Taliban zu bewegen: er ist drei Tage, bevor die ersten Bomben in Afghanistan fielen Pakistan gereist. Er hatte keine Militärausbildung, konnte kein Englisch oder Arabisch und der Generalbundesanwalt hat Untersuchungen eingeleitet, ob er irgendwelche Kontakte zum islamistischen Terrornetzwerk in Deutschland hatte und das Ergebnis war nein und er ist in Pakistan, nicht in Afghanistan festgenommen worden, alles spricht also dagegen, dass er in Kampfhandlungen verwickelt war.
Meurer: Es gibt ja ein zweites Urteil des Supreme Courts von gestern, danach wird es in den USA schon erlaubt, jemanden ohne Anklage unbefristet festzuhalten. Ist das ein erheblicher Wermutstropfen aus Ihrer sicht?
Docke: Nein, das andere Urteil betraf ja US-Bürger. Der entscheidende Punkt für uns ist, dass wir eine richterliche Überprüfung der Inhaftierung bekommen. Das ist die entscheidende Qualität dieses Urteils. Ab sofort ist alles anders in Guantánamo, dieses Urteil wird da sehr viel in Bewegung setzen und ich erwarte auch, dass ein Großteil der Gefangenen in unmittelbarerer Zukunft freigelassen wird.
Meurer: Der Rechtsanwalt des deutsch-türkischen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz, Bernhard Docke. Besten Dank und auf Wiederhören.
Docke: Wiederhören.