Archiv

App "Hush City"
Stille Orte in der Stadt bewerten

Lärm belastet, besonders in Großstädten. Doch auch dort gibt es Oasen der Stille. Die App "Hush City" soll helfen, sie zu entdecken: Bürger werden aufgefordert, ihre akustische Umgebung zu kartieren - und zu bewerten.

Von Volkart Wildermuth |
Ein Mann liegt in einer Hängematte und genießt das warme Wetter.
Auch in Großstädten wie Berlin gibt es Orte ohne Lärm (picture-alliance / dpa / Lukas Schulze)
Antonella Radicchi steht mit einer kleinen Gruppe im Berliner Wedding. Sie hat die Hush City App programmiert und wird sie auf diesem akustischen Spaziergang vorstellen. Die Architektin beschäftigt sich an der Technischen Universität Berlin mit dem Zusammenhang zwischen Stille und Wohlbefinden.
"Mich interessiert, wie die Menschen auf die akustische Umgebung reagieren. Ein Kriterium bei der Suche nach Ruhe ist ganz klar die Wahrnehmung der Leute. Mit der Hush City App können sie solch ruhige Orte identifizieren und bewerten."
Wie das geht, wird Antonella Radicchi auf dem Soundwalk zeigen. Übrigens einem von weltweit über 20, die im September die Hush City App vorstellen. Es geht zu einem versteckten Kanal. Alle holen die Smartphones heraus und starten die App.
"Es erstes werden Sie eingeladen, eine Tonaufnahme zu starten. Nach 30 Sekunden berechnet die App den Geräuschpegel. Dann können sie ein Foto machen und einen Fragebogen in der App ausfüllen. Viel Spaß bei der Datenerfassung."
Fragebogen erfasst Reaktion auf akustische Qualität
An der viel befahrenen Müllerstraße lag der Geräuschpegel vorhin bei 64 Dezibel, klar im roten Bereich. Hier am Kanal, nur ein paar Minuten entfernt, ist die S-Bahn immer noch zu hören, aber noch besser die Enten. 43 Dezibel, wirklich ein ruhiger Ort. Diese Information hätte man mit einer ganzen Reihe von Apps bekommen können. Die Hush city App will aber mehr. Viel wichtiger als das Mikrofon ist Antonella Radicchi der Fragebogen.

"Das ist zentral. Die Messung der Lautstärke reicht nicht aus, um die akustische Qualität eines Ortes zu erfassen. Es ist wichtiger zu verstehen, wie die Leute im Detail auf die Umgebung und die akustische Qualität reagieren."
War der Ort freundlich, unangenehm, lebhaft? Welche Geräusche tragen zur Ruhe bei, welche stören? Fühlen die Leute sich sicher? Etwa 500 Nutzer haben so weltweit schon weit über 2.000 ruhige Orte beschrieben.
Friedvolle Umgebung wirkt ruhiger als sie ist
Antonella Radicchi nutzt ihre Angaben, um mehr über die Psychologie der Stille in der Stadt zu erfahren. Sie bietet die Daten aber auch den zuständigen Verwaltungen an. In Europa sind die Großstädte verpflichtet, alle fünf Jahre einen Lärmaktionsplan zu erstellen. Berlin weist darin zum Beispiel den Grunewald als Ruheraum aus. Jörg Kaptain, Referent für Verkehrslärmschutz, will aber auch Ruheorte mitten in der Stadt finden und schützen.
"Wir wissen aber nicht genau, wo diese Flächen sein sollen. Sehr häufig sind die Schallpegel so, dass wir sagen, naja eigentlich ist der Platz nicht leise, aber die Bewertung der Menschen ist, es ist ruhig hier. Nämlich dass die Menschen das Geräusch gar nicht wahrnehmen, wenn sie in einer friedvollen Umgebung sind und sich zur Ruhe kommend fühlen. Dabei hilft uns die Hush City App in der akustisch psychologischen Bewertung."
App persönlich nutzen
Zurück zum akustischen Spaziergang durch den Wedding. Die Teilnehmer wollen die App weiter nutzen.
"Auf jeden Fall. Ich glaube, ich würde da viele Bookmarks für mich selber setzen, wo ich in der Stadt mal hingehe, wenn ich einen ruhigen Ort brauche."
"Ich glaube auch, hier in Deutschland habe ich gemerkt, dass Stille und Ruhe viel wichtiger ist als zum Beispiel in Italien, woher ich komme."