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App-Test
15 Sekunden Spaß auf Musical.ly

Im Internet ist das bei Jugendlichen beliebte soziale Netzwerk Snapchat schon fast wieder Schnee von gestern. Als nächstes großes Ding wird Musical.ly gehandelt. Es ist eine App mit der Nutzer zu aktuellen Songs und Clips synchron singen und tanzen und daraus ein Video machen können. Viel Raum für Selbstdarstellung.

Von Ina Plodroch | 21.07.2016
    Die Youtuber (l-r) Joely_White (musical.ly), BLVCKNIC (YouNow), Chany Dakota, Jonas (Taboo TV) und Manufernandesss posieren in Berlin zum Auftakt der "You 2016".
    Bekannte YouTube- und Musical.ly-Stars posieren zum Auftakt der Jugendmesse "You 2016" in Berlin. (dpa / Jens Kalaene)
    Baby Ariel bewegt ihre Lippen synchron zum Text und tanzt ein wenig - fast als wäre sie selbst der Popstar. Nach 15 Sekunden beginnt das "Musical" von vorne. So heißen die kurzen Videos auf dem Social-Media-Hype der Stunde Musical.ly. Diese App aus China ist wie eine Weiterentwicklung des sozialen Netzwerks Snapchat - viel Raum für Selbstdarstellung.
    "Musical.ly ist eine App, mit der man Videos machen kann: Lip-Sync-Videos, Comedy-Videos, Tanz-Videos mit Musik."
    Erzählt das junge Mädchen, das sich auf Musical.ly Baby Ariel nennt. Sie ist 15 Jahre alt, lädt jeden Tag 15 Sekunden von sich hoch und hat über 11 Millionen Follower – viel mehr als Selena Gomez oder erfolgreiche YouTuberinnen wie BibisBeauty Palace oder Kelly MissesVlog.
    "15 Sekunden mit dem, was du liebst."
    Hier darf jeder ein Star sein
    Und was lieben junge Menschen? Glaubt man dieser App: Popmusik mit einem Dance-Beat, ein bisschen Comedy. Und klar: sich selbst. Auf Musical.ly darf jeder der Star sein.
    Und manche ein bisschen mehr: Lisa und Lena, Zwillinge aus Deutschland, 13 Jahre alt, haben es "geschafft": Über sechs Millionen Fans scheinen zu lieben, wie sie im Jeans-Hemd oder College-Pullover Choreografien wie die Backstreet Boys vor 10-20 Jahren tanzen, einfach "abgehen", die Lippen synchron zum Text bewegen und die Popsongs einfach ein bisschen schneller abspielen.
    Dieses so genannte "Lip Sync" ist schon seit längerem sehr beliebt, auch die deutsche App Dubsmash lässt Nutzer wie John Travolta in Pulp Fiction sprechen. US-Komiker Jimmy Fallon lädt regelmäßig Stars zu Lip-Sync-Battles ein. Musical.ly ist wie die App gewordene Selbstmach-Option, ein nie enden wollender Spaß.
    Eine neue Werbeplattform für Popmusik?
    Seltsam scheint allerdings, dass die meisten Jugendlichen ihr Profil und ihre Videos aus ihrem eigenen Zimmer nicht privat, sondern öffentlich zeigen. Die Grenze zum Fremdschämen mit all seinen negativen Folgen ist schnell erreicht. Grenzwertig ist auch der Einsatz von Musik. Für die User ergibt sich ein rechtliches Risiko, weil Musical.ly noch am Anfang steht, Lizenzverträge mit Musiklabels oder Verlagen zu verhandeln.
    Doch vielleicht ist Musical.ly für die Labels und Verlage mitunter ganz reizvoll: Die Sängerin Ariane Grande hat vor kurzem ihre Fans aufgerufen, ein "Musical", also einen 15-Sekunden-Clip zu ihrer neuen Single aufzunehmen. Eine bessere Werbeplattform für Popmusik gab es lange nicht. Schwierig wird es nur, wenn es soweit kommt, wie Analyst Mark Mulligan auf seinem Music Industry Blog glaubt: Musical.ly könnte das Ende des 3-Minuten-30-Popsongs sein. So viel Zeit hat ja heute keiner mehr.