Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Applaus für Ostwestfalen

Heute wird der Deutsche Arbeitgeberpreis 2005 für Bildung in Berlin vergeben. Gewonnen hat den mit 10.000 Euro dotierten Preis die Fachhochschule Bielefeld. Sie biete ihren 6000 Studierenden eine praxisnahe und moderne Ausbildung, so die Jury. Ausschlaggebend für die Preisvergabe war jedoch eine "Individuelle Kompetenzentwicklung für Dozenten". Was genau verbirgt sich dahinter?

Von Ingo Müntz | 03.11.2005
    " Sie: Ach gut, dass du da bist ich habe auf der Reha-Care letzte Woche gesehen, dass ein neues Federungssystem entwickelt worden ist. Und für mein Projekt wär’s ganz schön, wenn wir das hiermit dran bringen könnten.

    Er: Möglich wär’s schon. Man müsste im Prinzip die gesamte Rahmenkonstruktion ändern. "

    Alicia Weirich gehört zum wissenschaftlichen Nachwuchs der Fachhochschule Bielefeld. Seit einem halben Jahr verbessert die 27-Jährige den Komfort von Rollstühlen – zusammen mit ihrem Kollegen Jörg Meier-Pechstein. Der Wechsel von der Studierenden auf die Dozentenseite, sagt sie, sei nicht leicht gewesen. Die Welt der Dozenten und Professoren unterscheidet sich wesentlich von der einer Studentin. Alicia Weirich aber kann auf Unterstützung hoffen, sie profitiert vom Bielefelder System – dem individuellen Qualifizierungskonzept für junge Lehrkräfte, das auf soziale Kompetenzen besonderen Wert legt:

    " Also ich denke in erster Linie, durch dieses familiäre Klima das sich während der Studienzeit schon gezeigt hat, einem ein bisschen die Angst genommen hat frei heraus zu fragen. Auch nicht, dass man Angst hat eine dumme Frage zu stellen. Und auch gerade die Hilfsbereitschaft von den Kollegen, gerade von denen, die schon länger hier sind, die hilft einem schon sehr weiter."

    Dass man für diese Qualifizierungsarbeit der Lehrkräfte jetzt den Arbeitgeberpreis für Bildungbekommen hat, bestätigt die gute Stimmung. Auch Alicia Weirichs Chef, Professor Ralf Hörstmeier, freut sich über die Auszeichnung . Sie zeige, dass man den richtigen Weg eingeschlagen habe:

    " Wir legen wert auf eine gute Einarbeitung aller Mitarbeiter, aber auch der Kollegen, der Professoren, ob jung oder alt, damit die Qualität der Lehre gewährleistet ist. Und wir haben schon ein paar Tricks, die wir anwenden. Zum einen ist das, dass wir uns sehr stark mit unseren Partnern, den Unternehmen unterhalten, was ist in, was ist wichtig am Markt. Wir schicken unsere Mitarbeiter auch häufig auf Messen, auf Fortbildungen und wir haben eine interessante Sache, gerade in Bielefeld, wir haben eine von drei Hochschuldidaktischen Stellen, die wir nutzen können."

    Hinter diesen Hochschuldidaktischen Arbeitsstellen verbirgt sich ein NRW-weites Weiterbildungsnetzwerk für Dozenten. Von Aachen und Hagen aus wird jungen und alten Lehrkräften eine didaktische Hilfestellung für den Arbeitsalltag geboten. In Bielefeld dagegen konzentriert man sich seit drei Jahren auf die Einarbeitung von Nachwuchsdozenten. Diese Spezialisierung war auch ausschlaggebend für die Vergabe des Arbeitgeberpreises für Bildung. Hinter dieser Arbeit steht Tobina Brinker. Sie erklärt die Feinheiten:

    "Die 16 Fachhochschulen in NRW haben sich zusammengeschlossen, sie unterhalten ein Netzwerk für die Hochschuldidaktische Weiterbildung. Sämtliche Professoren an den Hochschulen bekommen Workshops und Beratung. Und die Fachhochschule Bielefeld hat darauf aufgesattelt ein Einarbeitungskonzept für neuberufende Lehrende entwickelt, das seit drei Jahren erfolgreich läuft. Es geht darum dass die Neuberufenden direkt mit dem ersten Schritt in unsere Hochschule beraten werden, wie sie didaktisch fortgebildet werden können. Und wir unterstützen sie im ersten Jahr besonders, dann aber auch weiter in Richtung lebenslanges Lernen."

    Individuell ausgearbeitete Einarbeitungskonzepte unterstützen den Schritt in die Lehrtätigkeit. Die zeitaufwändigen Beratungen und Weiterbildungen werden auf die Lehrverpflichtung angerechnet. In einem ersten Beratungsgespräch ermittelt Tobina Brinker den didaktischen Stand des Neuberufenen.

    Basiskurse und Workshops bieten dann Hilfe bei der Strukturierung von Lehrveranstaltungen oder dem Umgang mit Studierenden. Denn die neuen Dozenten kommen mit unterschiedlichsten Erfahrungen an die Hochschule. Tobina Brinker kennt die Probleme der Neuen:

    "Als erstes der Schritt von der Firma, oder wo sie her kommen, von der Einrichtung in das System Hochschule, das ja ganz anders läuft und funktioniert. Dann auch das Leben als Einzelkämpfer, dass ich alles selbst organisieren muss, und dann 18 Stunden Lehre von null auf hundert, das ist ein riesengroßes Problem."

    Am Ende des ersten Jahres folgt dann ein weiteres Beratungsgespräch, denn Ziel ist auch für Dozenten ein lebenslanges Lernen.

    Vom Bielefelder Einarbeitungskonzept profitiert auch Alicia Weirich, denn sie kann nun langsam in die Welt der Lehrkräfte wachsen, ohne als Einzelkämpfer im Unialltag unter zu gehen.