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Apple ruft zur Bergpredigt

Apple hat zur Entwicklerkonferenz WWDC gerufen. Wie jedes Mal, brodelte vorab auch nun wieder die Gerüchteküche, was der Hersteller denn Neues auf den Markt werfen würde. Das Highlight: Ein Notebook mit extrem hochauflösendem Display.

Wissenschaftsjournalist Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber | 16.06.2012
    Manfred Kloiber: Die Apple Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco hat sich für die Anhänger der Marke zu einer Art Bergpredigt entwickelt. Jahr für Jahr versuchen Tausende eines der begehrten Konferenztickets zum Preis von über 1000 Dollar zu ergattern. Und schon Wochen vor dem Start der Veranstaltung brodelte die Gerüchteküche, was denn der Steve-Jobs-Nachfolger Tim Cook der Anhängerschar präsentieren würde. Erst wurde nur über ein paar aktualisierte Produkte und das rätselhafte Apple-TV gemutmaßt. Dann, eine Woche vorm Start, hieß es gar, die gesamte Rechner-Palette würde ausgetauscht. Ganz so ist es dann aber doch nicht gekommen. Was es Neues gab, weiß mein Kollege Jan Rähm. Herr Rähm, fangen wir heute einmal andersherum an, wer wurde denn von der Keynote enttäuscht?

    Jan Rähm: Das waren vor allem die professionellen Anwender. Die hatten mit einem Mac pro gerechnet. Das ist die besonders hochwertig ausgestattete und vor allen Dingen variable leistungsfähige Workstation. Die hat aber nur ein kleines Update in Sachen Prozessoren erfahren. Gar kein Update gab es für den All-in-one-Rechner, den iMac. Aber Tim Cook hat für diese beiden Benutzergruppen, die den All-in-one-Rechner benutzen als auch die Workstation, bereits reagiert und hat versprochen, nächstes Jahr werden beide Rechner komplett aktualisiert. Dazu kommen dann auch noch Updates für die professionellen Anwendungen wie Videoschnitt (Final Cut) und die Fotoanwendung Aperture. Ebenfalls nicht aktualisiert wurde der kleine Mac Mini.

    Kloiber: Dafür hat Apple aber im Bereich seiner tragbaren Rechner nachgelegt. Was gibt es hier zu berichten?

    Rähm: Ganz neu vorgestellt wurde so eine Art Mittelding zwischen dem extrem dünnen und leichten MacBook Air und dem konventionellen Notebook MacBook Pro. Das Ganze nennt sich MacBook Pro mit Retina-Display. Und genau das ist auch das Besondere. Das ist ein hochauflösender Monitor. Der hat fast 3000 Pixel in der Breite und 1800 Pixel in der Höhe. Das ist das Vierfache der herkömmlichen Auflösung, wie sie im MacBook Pro bisher war. Und die eignet sich für Anwender im Bereich Film und Foto. Dabei bleibt dieses Notebook vergleichsweise dünn und leicht und ist mit seinen 15 Zoll Displaydiagonale sogar noch halbwegs kompakt. Apple verzichtet in diesem neuen Gerät komplett auf das optische Laufwerk und setzt stattdessen auf schnellen Flash-Speicher. Wie auch die anderen Geräte der MacBook-Pro-Reihe und der MacBook-Air-Reihe, die auch beide eine Aktualisierung erfahren haben, kriegt das ganz neue MacBook jetzt einen USB 3.0-Anschluss.

    Kloiber: Viele andere Hersteller bieten ja USB schon seit Jahren an. Wie ist die neue Hardware also zu bewerten? Zieht Apple da nur nach?

    Rähm: Ja, in erster Linie zieht Apple nach. Sie haben den Wunsch vieler Anwender erhört und haben endlich jetzt USB 3.0 eingebaut. Man muss aber auch sagen, Apple hat dafür schon seit über einem Jahr die Thunderbolt-Schnittstelle. Die ist ja noch deutlich Schneller und variabler als USB 3.0, aber eben auch deutlich teurer. Jetzt sind beide drin. Jetzt kann der Nutzer sich entscheiden, welche von beiden Schnittstellen er benutzen will. Trotz alldem hat Apple natürlich jetzt hier wieder ganz kräftig vorgelegt. Vor allen Dingen durch dieses neue Display. Das setzt neue Maßstäbe. Und die anderen Hersteller werden erstmal daran zu beißen haben. Weil erstmal müssen sie Notebooks mit solchen Displays entwickeln. Und zum zweiten müssen sie die irgendwo herbekommen. Denn zu vermuten steht, dass Apple sich die Produktionskapazitäten dafür gesichert hat. Und so ist es doch relativ unwahrscheinlich, dass andere Notebooks in Kürze schon mit ähnlichen Displays punkten können.

    Kloiber: Aber auch bei den Betriebssystemen OS X und iOS gab es doch neues, oder?

    Rähm: Ja, für beide wird es in diesem Jahr ein Upgrade geben, also einen Versionssprung. OS X kommt im Sommer, iOS kommt dann im Herbst. Beide Betriebssysteme sollen über 200 neue Funktionen bekommen haben. Und darunter ist dann die systemweite Facebook-Integration. Bisher hat ja Apple schon Twitter in sein iOS integriert. Das wird jetzt auch in das OS X integriert. Zudem richtet Apple beide Betriebssysteme ganz, ganz stark auf den eigenen Cloud-Dienst iCloud aus. Und: Apple verzichtet auf das Kartenmaterial von Google. Das ist ein sehr radikaler Schritt. Dafür nutzen sie jetzt Karten von TomTom und eigenes Material. Das Sprachassistent Siri wird stark erweitert und verbessert und kommt in 10.8 in Form einer Diktierfunktion auch auf Macs. Ebenfalls noch bemerkenswert war: Beide Systeme werden jetzt ganz stark an den chinesischen Markt angepasst, mit eigenen Diensten, mit eigenen Schriften und ähnlichem. Und – das ist wiederum auch sehr interessant – iOS, das Mobilsystem, bekommt Hilfsfunktionen für Menschen mit Behinderung.

    Kloiber: Und wie bewerten Sie die Neuigkeiten zu den Systemen?

    Rähm: Diese starke Cloud-Integration ist doch ein bisschen bedenklich. Man weiß nicht so genau: Wie gut schützt Apple diese Daten? Was tut Apple mit diesen Daten? Gut ist aber bei aller Integration: Derzeit kann der Benutzer beide Systeme auch noch ohne nutzen, zumindest nach dem Stand der Dinge wie es jetzt aussieht. Ebenso kritisch sehe ich diese Integration von Facebook. Aber auch hier gilt: kann man nutzen, muss man aber nicht. Der Verzicht auf die Google Maps ist ganz klar eine Kampfansage an den Suchmaschinengiganten. Der hatte ja mit Android Apple mächtig was entgegengestellt. Und damit bleibt jetzt abzuwarten, wie der darauf reagiert, dass er aus iOS rausgeflogen ist.