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Arafats Ausweisung

    Zagatta: Will Israel Arafat also tatsächlich ausweisen? Würde das die Lage nicht noch weiter verschärfen? Würde das Arafat nicht noch zusätzlich stärken? Salman Shoval war früher Israels Botschafter in den USA, er ist heute außenpolitischer Berater von Ministerpräsident Sharon. Er hat auf unsere Nachfrage hin klargestellt, dass diese Ausweisung Arafats nun doch keine konkrete Ankündigung ist, sondern eher eine Drohung.

    Shoval: Erstens muss man sagen, dass dieser Beschluss gestern des ministeriellen Komitees nicht sagte, dass Arafat ausgewiesen wird. Jedenfalls nicht sofort und nicht unbedingt. Was dieser Beschluss gestern eigentlich sehr klar sagte und ich würde sagen, sehr einfach sagte, ist, dass Arafat heute das schlimmste, das größte, das schwerste Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden, zu einer Versöhnung zwischen Israel und den Palästinensern ist, bestimmt immer gewesen ist, aber ganz besonders würde ich sagen, in den letzten zwei Jahren seit der Camp David Konferenz. Und deshalb dieses Hindernis zu entfernen ist, um wirklich Fortschritt machen zu können, aber natürlich sagte dieser Beschluss nicht, wie das gemacht wird und wann das gemacht wird. Das ist nur eine Empfehlung an die israelische Regierung, die noch nicht darüber gehandelt hat.

    Zagatta: Das ist noch kein Beschluss, sondern eine Drohung, aber bringt das dann nicht erst Recht eine gewisse Ratlosigkeit zum Ausdruck?

    Shoval: Schauen Sie, die Palästinenser, trotzdem sie das natürlich nicht offen sagen werden, verstehen ganz gut. Zwar, einerseits ist vielleicht Arafat bei bestimmten Kreisen der Palästinenser ganz populär, als Symbol und so weiter, aber andererseits ist es den Palästinensern ganz klar, und man hört das auch in privaten Gesprächen, dass mit Arafat die Palästinenser wieder die Chance verlieren werden, irgendwie zu einer Unabhängigkeit zu kommen. Denn es gibt ja heute die "Road Map", dessen Ziel der palästinensische Staat ist, es gibt eine israelische Regierung, die dem zustimmt und stattdessen sehen wir diese furchtbare Terrorwelle, die nicht nur unter der Nase, aber unter den Augen Arafats geschehen ist. Zagatta. Aber, Herr Shoval, welchen Sinn macht denn dann solch eine Drohung? Sie stärken doch damit sogar noch die Position Arafats. Wenn man jetzt sieht, wie die Palästinenser reagieren, Arafat wird ja jetzt regelrecht gefeiert, damit stärken Sie ihn doch noch?!

    Shoval: Aber, Sie werden sich bestimmt daran erinnern, wie vor einigen Monaten das Fernsehen die Unterstützungsdemonstrationen für Saddam Hussein im Irak zeigte. Denn die "arab street", in der arabischen Straße kann man solche Sachen organisieren und man muss die Sachen wirklich etwas langfristiger ansehen. Wenn man zum Beispiel dem neuen Premierminister Abu Alla eine Chance geben will, das kann nur sein, wenn er den Arafat nicht mehr auf seinem Rücken, auf seinem Buckel hat.

    Zagatta: Erreichen Sie da jetzt mit der Drohung, Arafat auszuweisen, nicht genau das Gegenteil?

    Shoval: Vielleicht, würde ich sagen in kurzer Frist, aber in längerer Frist, es gibt dort genug realistische Leute bei den Palästinensern, die verstehen, dass der einzige Weg vorwärts wirklich in Besprechungen und so weiter und Kompromissen mit Israel ist und nicht mit einer Fortsetzung der Terrorwelle. Und die Terrorwelle wäre nicht ausgebrochen, wenn Arafat nicht im Bilde gewesen wäre. Und das kann wirklich nicht, besonders nach dem, was vor ein paar Tagen in Jerusalem geschehen ist, das kann nicht so weiter gehen. Und wenn heute Leute sagen, Leute mit guten Einstellungen und Absichten, dass man wirklich keinen Fortschritt machen kann ohne Arafat, dann haben diese Leute ein kurzes Gedächtnis, denn es ist erst zwei ein halb Jahre her, als unser früherer Premierminister Barak und Präsident Clinton dem Arafat mehr oder weniger alles geboten haben und die Antwort war eben diese Terroroffensive, mit der wir noch immer leben. Arafat will keinen Kompromiss, er will keinen Frieden. Und zu sagen, man kann es nicht ohne Arafat machen, das wäre so, zu sagen, dass man nicht Irak wieder aufbauen kann ohne Saddam Hussein. Das ist ein schweres Dilemma für uns, vielleicht auch für Abu Alla, aber manchmal muss man schwere Beschlüsse nehmen, aber wie gesagt, der endgültige Beschluss ist noch nicht genommen worden.

    Zagatta: Abu Alla, das ist der designierte Ministerpräsident Kureia. Geben Sie ihm denn eine Chance, haben Sie denn die Hoffnung, dass er ein Gegenspieler von Arafat werden kann? Dass er eine ganz andere Politik verfolgt? Er gilt doch gerade als Gefolgsmann von Arafat.

    Shoval: Ja, das stimmt. Aber es gibt manchmal Überraschungen und Abu Alla möchte, hoffentlich, nicht den selben Weg Abu Masins, seines Vorgängers, gehen, drei Monate so genannter Premierminister zu sein und dann zu demissionieren. Ich verneine gar nicht, dass für Abu Alla das keine leichte Aufgabe sein wird. Er muss da wirklich, würde ich sagen, wie ein Jongleur zwischen Arafat auf der einen Seite und seinen eigenen politischen Absichten spielen. Schwer ist das bestimmt, aber er versteht vielleicht. Er war ja auch seinerzeit beim Oslo-Abkommen, beim gescheiterten Oslo-Abkommen, tätig. Ich glaube Abu Alla nicht, dass er gerade ein Freund Israels ist, aber er ist ein Freund der Palästinenser. Er versteht, dass die Palästinenser jetzt seit Jahrzehnten jede Chance, zu einem eigenen Staat zu kommen, verpasst haben. Jetzt haben sie eine neue Chance, aber mit Arafat im Bilde wird das nicht gehen. Ich möchte das vielleicht ganz krass sagen: es ist entweder Frieden oder Arafat.

    Zagatta: Salman Shoval, früher Botschafter Israels in den USA, heute außenpolitischer Berater des israelischen Ministerpräsidenten Sharon. Herr Shoval, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Shoval: Ich bedanke mich. Alles Gute.