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Arbeitskreis Rohstoffe
"Handel mit Konfliktmineralien verbindlich regulieren"

In vielen Alltagsgegenständen stecken Tantal, Wolfram, Zinn und Gold. In der Republik Kongo, aber nicht nur dort, hält das Geschäft mit diesen Rohstoffen den Kampf rivalisierender Gruppen in Gang. Eine freiwillige Selbstzertifizierung von Unternehmen reiche nicht aus, sagte Michael Reckordt vom Netzwerk Arbeitskreis Rohstoffe im DLF.

Michael Reckordt im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 10.11.2015
    Schwarze Arbeiter sitzen, stehen und laufen auf einer hügeligen Oberfläche am Rande der Mine. Die Luft ist staubig. Einige Arbeiter halten Schaufeln in den Händen.
    Die sogenannte Mudere-Mine am 28.5.2013 in der Demokratischen Republik Kongo, wo das Mineral Coltan abgebaut wird, das zur Herstellung von Handys benötigt wird. (AFP / Junior D. Kannah)
    Susanne Kuhlmann: Laptops und Lametta, Gitarrensaiten und Glühlampen, in allen möglichen Alltagsgegenständen stecken Tantal und Wolfram, Zinn und Gold. Metalle und Mineralien, die aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind, anderswo aber Leben kosten. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo zum Beispiel hält das Geschäft mit den Rohstoffen den Kampf rivalisierender Gruppen um die Vorherrschaft in Gang.
    Heute beginnt in Berlin eine Internationale Rohstoff-Konferenz, die das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gemeinsam veranstalten. Das ist gut so, sagt Michael Reckordt vom Netzwerk Arbeitskreis Rohstoffe, und er ist jetzt in Berlin am Telefon. Guten Tag, Herr Reckordt.
    Michael Reckordt: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
    Kuhlmann: Die Bundesregierung und die Europäische Union wollen den Handel mit diesen Konfliktmineralien ja verbindlich regulieren. Klingt gut, aber noch herrscht keine Einigkeit über die Frage, wie das genau umgesetzt werden soll. Wie sehen die verschiedenen Positionen aus?
    Streit um Freiwilligkeit und Verbindlichkeit
    Reckordt: Es gibt seit 2014 einen ersten Entwurf, einen sogenannten Draft von der Europäischen Kommission, der einen sehr schwachen Entwurf darstellt, der im Grunde eine freiwillige Selbstzertifizierung von Einführern von diesen Rohstoffen, sprich Schmelzen und Raffinerien vorschlägt, und im Mai diesen Jahres, am 20. Mai, hat das Europäische Parlament diesen Vorschlag im Grunde an wesentlichen Stellen verschärft. Das Europäische Parlament fordert verbindliche Regeln, und zwar sowohl für den sogenannten Upstream-Bereich, sprich Prüfung von der Mine bis zur Schmelze, als auch für den Downstream-Bereich, das heißt die produzierenden Unternehmen, die Lametta und Laptops herstellen oder auch Glühlampen, dass diese prüfen, von woher kommen eigentlich die Rohstoffe, oder zumindest, aus welchen Schmelzen kommen die Rohstoffe. Das sind im Grunde die beiden Positionen, die aufeinanderprallen, und viele der Mitgliedsstaaten, die gerade als dritte Partei an einem sogenannten Trilog beteiligt sind, sind gerade dabei, ihre Meinung, ihre Positionen zu erörtern, inwieweit sie sich zu Freiwilligkeit oder zu Verbindlichkeit äußern.
    Kuhlmann: Herkunftsnachweise und öffentlicher Druck aus Europa und auch aus den USA, kann das tatsächlich verhindern, dass bewaffnete Gruppen nicht nur in Afrika, sondern auch in Südamerika und Asien ihre Machtinteressen mit dem Rohstoffhandel finanzieren?
    Reckordt: Es geht nicht allein um Herkunftsnachweise. Herkunftsnachweise können die Schmelzen oder die Raffinerien nachweisen. Das heißt, sie können zertifizierte Rohstoffe einkaufen. Es geht aber darum: Diese Schmelzen, die sich verantwortungsbewusst ihre Rohstoffe beschaffen, haben natürlich einen höheren Aufwand, und das schlägt sich in der Regel auf einen höheren Preis nieder. Da kommt sicherlich der Downstream-Sektor, sprich die Endkonsumenten, die Endnutzer dieser Rohstoffe, und das sind Unternehmen, ins Spiel. Diese müssen im Grunde, ähnlich wie sie Qualitätsrisiken analysieren entlang ihrer Lieferkette, auch riskieren, ob durch ihre Tätigkeiten irgendwo anders Menschenrechte verletzt werden. Das heißt, sie müssen zumindest offenlegen und berichten, von welchen Schmelzen beziehen sie ihre Rohstoffe. Das ist ein Teil der Aufgaben der Industrie. Natürlich müssen die Staaten vor Ort aktiv werden und ebenfalls Strukturen schaffen, dass Kleinschürfer, Kleinschürferinnen und andere Gesetze einhalten und dass deren Menschenrechte nicht verletzt werden.
    "Auch die kongolesische Politik ist gefordert"
    Kuhlmann: Bei Ihnen sind ja heute Vertreter aus dem Kongo zu Gast und von denen hören Sie sicher ganz eindrücklich, wie der Handel mit Rohstoffen, mit diesen Konfliktrohstoffen sich in dem Land auswirkt.
    Die Arbeiter blicken mit staubbedeckten Gesichtern in die Kamera. Es sind Jugendliche und Kinder.
    Arbeiter am 28.5.2013 bei einer Coltan-Mine in der Demokratischen Republik Kongo. (AFP / Junior D. Kannah)
    Reckordt: Ja. Bischof Ambongo aus dem Kongo unterstützt ebenfalls diese Forderung. Er sagt auch, dass es im Grunde zwei Seiten braucht. Zum einen müssen natürlich in dem Land selber Strukturen aufgebaut werden. Da ist natürlich auch die kongolesische Politik gefordert. Aber nicht nur im Kongo; auch in Kolumbien oder Burma oder Afghanistan. Er sagt aber auch, es gibt die Verantwortung der Länder und der Konzerne, die diese Rohstoffe nutzen, und da braucht es verbindliche Regeln.
    Kuhlmann: Ganz kurz noch. Welche einfache Lösungsmöglichkeit sähe Ihr Netzwerk?
    Reckordt: Einfache Lösungen gibt es leider bei dem Problem nicht. Ich glaube, es ist ein langer Prozess, und da sind diese verbindlichen Berichtspflichten ein wichtiger Schritt, ein wichtiger Teil, damit wir zumindest die Konfliktfinanzierung vor Ort und die Konfliktverlängerung dadurch verhindern können.
    Kuhlmann: Internationale Rohstoff-Konferenz in Berlin. Was sich ändern muss beim Handel mit Metallen und Mineralien für viele unserer Alltagsgegenstände, das schilderte Michael Reckordt vom Netzwerk Arbeitskreis Rohstoffe. Danke dafür nach Berlin.
    Reckordt: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.