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Umstrittener Umgang
Rohstoffe aus Konfliktgebieten

Manche Rohstoffe werden dringend gebraucht, doch ihr Abbau kann Kriege finanzieren. Coltan zum Beispiel: Das ist ein Erz, das die Elemente Niob und Tantal enthält, die wiederum in der Mikroelektronik unentbehrlich sind. Es wird in Zentralafrika abgebaut, unter anderem im Kongo, wo Regierung und Rebellen um die Macht streiten. Ohne den Verkauf von Mineralien wäre der Konflikt vielleicht längst beigelegt.

Von Anja Nehls | 24.11.2014
    60 verschiedene Rohstoffe stecken in einem Mobiltelefon, noch mehr in einem Auto. Viele Rohstoffe stammen aus Ländern, in denen mit dem Rohstoffhandel Kriege und Konflikte finanziert oder illegale bewaffnete Gruppierungen unterstützt werden. Die geplante EU Verordnung soll das nun verhindern. Für Michael Reckordt von Power Shift - Verein für eine ökologisch - solidarische Energie und Weltwirtschaft, geht der Entwurf in dieser Hinsicht aber nicht weit genug.
    "Die EU Richtlinie würde halt Schmelzen und Importeure betreffen, die vier Konfliktrohstoffe Wolfram, Zinn, Gold und Tantal nach Europa einführen. Das sind schätzungsweise 300 bis 420 Unternehmen, zumeist Schmelzen. In Deutschland wäre davon betroffen Aurubis zum Beispiel, die zwar Kupferschmelze sind aber häufiger Gold als Beiprodukt haben. Wer aber nicht davon betroffen ist, sind die, die die Metalle nutzen, also hauptsächlich die Elektroindustrie, Automobilindustrie und überall wo solche teile drin sind."
    Lieferkette verfolgen
    Power Shift fordert, dass die Lieferkette vom Endprodukt bis zum Erzeuger der Rohstoffe zurückverfolgt werden muss - und zwar für die Unternehmen verpflichtend. So eine Bestimmung gibt es bereits, nämlich das amerikanische Dodd Frank Gesetz. Auch 100.000 bis 200.000 europäische Unternehmen müssen sich bereits danach richten, weil sie an der amerikanischen Börse registriert sind. Das gilt zum Beispiel für Fresenius Medical Care und SAP, aber indirekt auch für Bosch als Zulieferer von Toyota. Wenn es nun auch eine entsprechende europäische Verordnung geben würde, kämen auf die Unternehmen Problem zu, befürchtet der BDI, Matthias Wachter:
    "Die Erfahrungen mit dem amerikanischen Dodd Frank Act zeigen, dass es für die Unternehmen wahnsinnig komplex ist, diesen Herkunftsnachweis vom Endprodukt über Hunderte vielleicht Tausende von Zulieferern bis nach unten durchzusetzen, nachzuvollziehen etc. Es ist natürlich mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden. Es ist durch den Mehraufwand mit mehr Kosten verbunden, was dazu führt, dass die Produkte, die diese Unternehmen herstellen gegebenenfalls teurer werden."
    Komplexer Herkunftsnachweis
    Darüber hinaus sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie Probleme mit der Definition von Konfliktgebieten. Der EU Vorschlag sieht Konfliktgebiete weltweit. Der BDI will deshalb entweder eine entsprechende Liste oder der Einfachheit halber nur eine Fokussierung auf die demokratische Republik Kongo und die Anrainerstaaten, sagt Matthias Wachter: "weil es eigentlich kein Land und keine Region gibt, wo es einen so engen Zusammenhang gibt zwischen Rohstoffen und Konflikt. Sprich wo die Erträge aus dem Rohstoffgeschäft dazu beitragen den Konflikt zu befeuern. Also sind wir der Auffassung es wäre besser wenn sich der Kommissionsvorschlag auch auf eine Region wie Kongo und große Seenregion konzentrieren würde."
    Darin sieht Power Shift eine große Gefahr, da die Unternehmen dann Rohstoffe aus den gebrandmarkten Gebieten einfach boykottieren würden, warnt Michael Reckordt.
    "Im Kongo sind viele Kleinschmelzer und Kleinschürferinnen im Abbau tätig. Das heißt, wenn man da anfängt einen Boykott gegen das Land auszurufen, würde das Land umgangen und die Leute würden ihre Jobs verlieren und damit ihre Lebensgrundlage, das ist so ein bisschen die Herausforderung, warum man da sehr sensibel sein sollte."
    Seit 2010 gibt es bereits für Unternehmen eine OECD Leitlinie zur Sorgfaltspflicht, an der sich Unternehmen orientieren können. Das ist allerdings freiwillig. 80% von 186 befragten europäischen Unternehmen haben keine Informationen darüber, ob in ihre Lieferkette Konflikte oder Menschenrechtsverletzungen finanziert. Ca. vier Prozent von 330 analysierten Unternehmen, veröffentlichen darüber Informationen, sagt Power Shift.
    "Zur Zeit wird im europäischen Parlamentsausschuss für Wirtschaft der Entwurf diskutiert und wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres im EU Parlament abgestimmt."