Reinhard Göhner: Das war überfällig. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war ebenso notwendig wie die Verkürzung des Bezugszeitraumes beim Arbeitslosengeld bei gleichzeitigem Auf- und Ausbau besserer Fördermöglichkeiten für diejenigen, die Arbeit suchen. Das bleibt richtig, und die jetzige Aufregung um das Arbeitslosengeld II ist vielleicht ein bisschen die Folge, dass man einen Etikettenschwindel versucht hat. Arbeitslosengeld II klingt, als ob es eine Versicherungsleistung sei für vorherige Arbeit. Tatsächlich ist es eine steuerfinanzierte Fürsorgeleistung. Tatsächlich handelt es sich um eine schrittweise Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und eine Überführung auf Sozialhilfeniveau. Genau das bleibt aber notwendig und richtig.
Breker: Um Ihren Kollegen Volker Kauder zu zitieren: Man hätte sich vieles anders vorstellen können, aber die Richtung bei Hartz, die ist richtig, die stimmt?
Göhner: Ja, absolut. Das, was anders hätte erfolgen müssen - und ich fürchte, da werden wir noch viel mit zu tun haben - ist die grundsätzliche Trägerschaft dieser steuerfinanzierten Fürsorgeleistung bei der Bundesagentur für Arbeit. Das ist die vollkommen falsche Ebene. Das hätte wie die bisherige Sozialhilfe auf der kommunalen Ebene organisiert werden müssen. Dort wäre es dezentral, näher an der Praxis und auch im Hinblick auf die Fördermöglichkeiten besser organisiert gewesen. Aber diese Grundsatzentscheidung ist jetzt anders gelaufen. Jetzt muss umgesetzt werden und ich denke, da wird man nach ein, zwei Jahren noch einmal überprüfen, ob diese Trägerschaft bei der Bundesagentur für Arbeit auf Dauer richtig ist. Ich bezweifle es.
Breker: Wenn Sie sagen, das muss jetzt umgesetzt werden, dann meinen Sie auch jetzt, eine Verschiebung wäre schädlich?
Göhner: Das allein kann die Bundesregierung entscheiden, denn das ist allein davon abhängig, ob die Bundesagentur für Arbeit in der Lage ist, das administrativ umzusetzen. Das kann und will ich nicht beurteilen. Es ist ein sehr enger Zeitplan. Für die Bundesagentur für Arbeit ist das eine vollkommen falsche Entscheidung, das dieser Behörde aufzudrücken. Das bedeutet mindestens 20.000 zusätzliche Beschäftigte im Bereich der Bundesagentur für Arbeit, eine große organisatorische Kraftanstrengung. Die eigentliche Reform der Arbeitslosenversicherung wird nach hinten geschoben. Das ist alles sehr misslich. Ob das nun aber ein Monat früher oder später käme, ist doch gar nicht die entscheidende Frage. Diskutiert wird jetzt völlig zu Unrecht über Leistungshöhe, über Bezugszeiträume, über Anrechung von Vermögen, und das alles wird diskutiert aus der Unkenntnis, dass es sich hier eben um eine steuerfinanzierte Bedürftigkeitsleistung handelt und nicht um eine beitragsfinanzierte Versicherungsleistung. Ich glaube, das ist das große Missverständnis, was es in der Öffentlichkeit gibt.
Breker: Sie sprechen von Missverständnis, von Unkenntnis, von Angst bei den Menschen, die sicherlich vorhanden ist. Wer hat denn da Aufklärungspflicht? Ist das einzig und allein Sache der Bundesregierung, oder muss nicht auch zum Beispiel die CDU dazu beitragen, dass man von der Sache mehr weiß?
Göhner: Absolut. Ich glaube, das entscheidende Missverständnis, was jetzt zu diesem Problem führt, ist zwar schon im Hartz-Konzept angelegt gewesen, nämlich Arbeitslosengeld II, das klingt ja so, als ob es da einen Anspruch für frühere Arbeit aus der Arbeitslosenversicherung gäbe, als ob es nach dem Arbeitslosengeld I ein zweites System gäbe. Tatsächlich ist das bei Lichte gesehen nicht viel anderes als Sozialhilfe für diejenigen, die aus dem Arbeitslosengeld herauskommen. Ich finde schon, dass wir alle verpflichtet sind, hier zu informieren. Das, was da zur Zeit wie Kraut und Rüben durcheinander geht, erfordert wirklich eine Aufklärung durch alle, wobei ich ein bisschen verwundert darüber bin, dass dann gleich, statt Information zu geben, unterschiedliche Vorschläge serviert werden für Änderungen. Ich nehme mal die Frage des Auszahlungszeitpunktes. Also ob ich nun am 30. Januar oder am 1. Februar auszahle, das ist ein Unterschied von zwei oder drei Tagen. Das mag für die Betroffenen erheblich sein, aber es ist doch keine Grundsatzfrage von Gerechtigkeit, und ich wundere mich darüber, dass solche praktische Fragen plötzlich in einer Weise aufgehängt werden, die für mich schwer nachvollziehbar ist.
Breker: Wobei da natürlich auch Teile Ihrer Partei beteiligt sind.
Göhner: Ja, das sehe ich mit Verwunderung. All diese Bereiche wie Auszahlungszeitpunkt sind schließlich nie streitig gewesen. Streitig war die Trägerschaft, ob das in Nürnberg bei der Bundesagentur für Arbeit richtig ist. Da waren wir immer anderer Meinung. Da ist jetzt ein Kompromiss mit einer, wie ich finde, verunglückten Optionsregelung getroffen worden, aber im Prinzip ist es jetzt Nürnberg. Jetzt muss man halt versuchen, mit dieser Fehlentscheidung fertig zu werden.
Breker: Sie würden also auch Ihren wahlkämpfenden Kollegen in dieser Situation sagen, die Union hat diese Reform mitgetragen, und nun gegen sie zu argumentieren, wäre scheinheilig?
Göhner: Völlig richtig. Das heißt nicht, dass man nicht über Verbesserungs- und Abänderungsvorschlägen nachdenken soll. Ich will einen Bereich nennen: Natürlich ist für diejenigen, die jetzt diese steuerfinanzierte Bedürftigkeitsleistung Arbeitslosengeld II, sprich bei Lichte gesehen, Sozialhilfe bekommen, die Frage, welche Chancen auf einen Job haben wir? Förderung von Niedriglohnbereich ist ein Thema. Da hat zum Beispiel die CDU ein sehr beachtenswertes Papier unter dem Vorsitz von Franz-Josef Jung vorgelegt mit Vorschlägen, wie man das machen kann. Das halte ich für notwendig und richtig. Oder Frau Düppert von den Grünen hat gestern vorgeschlagen, man solle unten einen größeren Freibetrag für den Zuverdienst ermöglichen. Das hat die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände stets vorgeschlagen. Ich halte das für richtig, einen Anreiz zu geben für Empfänger von Arbeitslosengeld II auch zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen. Das geht aber nur, wenn man unten ein Stück Freibetrag oder jedenfalls eine großzügigere Möglichkeit bei der Anrechnung auf das Arbeitslosengeld schaffen würde. Diese Fragen müssen weiter diskutiert werden im Bereich des Förderns, bis die Bundesregierung das notwendige Konzept umsetzt. Ich höre Ankündigungen, aber nicht mehr. Deshalb finde ich die Debatte über diesen Teil richtig und notwendig.
Breker: Um Ihren Kollegen Volker Kauder zu zitieren: Man hätte sich vieles anders vorstellen können, aber die Richtung bei Hartz, die ist richtig, die stimmt?
Göhner: Ja, absolut. Das, was anders hätte erfolgen müssen - und ich fürchte, da werden wir noch viel mit zu tun haben - ist die grundsätzliche Trägerschaft dieser steuerfinanzierten Fürsorgeleistung bei der Bundesagentur für Arbeit. Das ist die vollkommen falsche Ebene. Das hätte wie die bisherige Sozialhilfe auf der kommunalen Ebene organisiert werden müssen. Dort wäre es dezentral, näher an der Praxis und auch im Hinblick auf die Fördermöglichkeiten besser organisiert gewesen. Aber diese Grundsatzentscheidung ist jetzt anders gelaufen. Jetzt muss umgesetzt werden und ich denke, da wird man nach ein, zwei Jahren noch einmal überprüfen, ob diese Trägerschaft bei der Bundesagentur für Arbeit auf Dauer richtig ist. Ich bezweifle es.
Breker: Wenn Sie sagen, das muss jetzt umgesetzt werden, dann meinen Sie auch jetzt, eine Verschiebung wäre schädlich?
Göhner: Das allein kann die Bundesregierung entscheiden, denn das ist allein davon abhängig, ob die Bundesagentur für Arbeit in der Lage ist, das administrativ umzusetzen. Das kann und will ich nicht beurteilen. Es ist ein sehr enger Zeitplan. Für die Bundesagentur für Arbeit ist das eine vollkommen falsche Entscheidung, das dieser Behörde aufzudrücken. Das bedeutet mindestens 20.000 zusätzliche Beschäftigte im Bereich der Bundesagentur für Arbeit, eine große organisatorische Kraftanstrengung. Die eigentliche Reform der Arbeitslosenversicherung wird nach hinten geschoben. Das ist alles sehr misslich. Ob das nun aber ein Monat früher oder später käme, ist doch gar nicht die entscheidende Frage. Diskutiert wird jetzt völlig zu Unrecht über Leistungshöhe, über Bezugszeiträume, über Anrechung von Vermögen, und das alles wird diskutiert aus der Unkenntnis, dass es sich hier eben um eine steuerfinanzierte Bedürftigkeitsleistung handelt und nicht um eine beitragsfinanzierte Versicherungsleistung. Ich glaube, das ist das große Missverständnis, was es in der Öffentlichkeit gibt.
Breker: Sie sprechen von Missverständnis, von Unkenntnis, von Angst bei den Menschen, die sicherlich vorhanden ist. Wer hat denn da Aufklärungspflicht? Ist das einzig und allein Sache der Bundesregierung, oder muss nicht auch zum Beispiel die CDU dazu beitragen, dass man von der Sache mehr weiß?
Göhner: Absolut. Ich glaube, das entscheidende Missverständnis, was jetzt zu diesem Problem führt, ist zwar schon im Hartz-Konzept angelegt gewesen, nämlich Arbeitslosengeld II, das klingt ja so, als ob es da einen Anspruch für frühere Arbeit aus der Arbeitslosenversicherung gäbe, als ob es nach dem Arbeitslosengeld I ein zweites System gäbe. Tatsächlich ist das bei Lichte gesehen nicht viel anderes als Sozialhilfe für diejenigen, die aus dem Arbeitslosengeld herauskommen. Ich finde schon, dass wir alle verpflichtet sind, hier zu informieren. Das, was da zur Zeit wie Kraut und Rüben durcheinander geht, erfordert wirklich eine Aufklärung durch alle, wobei ich ein bisschen verwundert darüber bin, dass dann gleich, statt Information zu geben, unterschiedliche Vorschläge serviert werden für Änderungen. Ich nehme mal die Frage des Auszahlungszeitpunktes. Also ob ich nun am 30. Januar oder am 1. Februar auszahle, das ist ein Unterschied von zwei oder drei Tagen. Das mag für die Betroffenen erheblich sein, aber es ist doch keine Grundsatzfrage von Gerechtigkeit, und ich wundere mich darüber, dass solche praktische Fragen plötzlich in einer Weise aufgehängt werden, die für mich schwer nachvollziehbar ist.
Breker: Wobei da natürlich auch Teile Ihrer Partei beteiligt sind.
Göhner: Ja, das sehe ich mit Verwunderung. All diese Bereiche wie Auszahlungszeitpunkt sind schließlich nie streitig gewesen. Streitig war die Trägerschaft, ob das in Nürnberg bei der Bundesagentur für Arbeit richtig ist. Da waren wir immer anderer Meinung. Da ist jetzt ein Kompromiss mit einer, wie ich finde, verunglückten Optionsregelung getroffen worden, aber im Prinzip ist es jetzt Nürnberg. Jetzt muss man halt versuchen, mit dieser Fehlentscheidung fertig zu werden.
Breker: Sie würden also auch Ihren wahlkämpfenden Kollegen in dieser Situation sagen, die Union hat diese Reform mitgetragen, und nun gegen sie zu argumentieren, wäre scheinheilig?
Göhner: Völlig richtig. Das heißt nicht, dass man nicht über Verbesserungs- und Abänderungsvorschlägen nachdenken soll. Ich will einen Bereich nennen: Natürlich ist für diejenigen, die jetzt diese steuerfinanzierte Bedürftigkeitsleistung Arbeitslosengeld II, sprich bei Lichte gesehen, Sozialhilfe bekommen, die Frage, welche Chancen auf einen Job haben wir? Förderung von Niedriglohnbereich ist ein Thema. Da hat zum Beispiel die CDU ein sehr beachtenswertes Papier unter dem Vorsitz von Franz-Josef Jung vorgelegt mit Vorschlägen, wie man das machen kann. Das halte ich für notwendig und richtig. Oder Frau Düppert von den Grünen hat gestern vorgeschlagen, man solle unten einen größeren Freibetrag für den Zuverdienst ermöglichen. Das hat die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände stets vorgeschlagen. Ich halte das für richtig, einen Anreiz zu geben für Empfänger von Arbeitslosengeld II auch zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen. Das geht aber nur, wenn man unten ein Stück Freibetrag oder jedenfalls eine großzügigere Möglichkeit bei der Anrechnung auf das Arbeitslosengeld schaffen würde. Diese Fragen müssen weiter diskutiert werden im Bereich des Förderns, bis die Bundesregierung das notwendige Konzept umsetzt. Ich höre Ankündigungen, aber nicht mehr. Deshalb finde ich die Debatte über diesen Teil richtig und notwendig.