Durak: "Ostdeutschland stehe wirtschaftlich und sozial auf der Kippe. Der Osten erscheine angesichts des erfolgreichen Westens als abgehängt und auf Dauer zweitrangig gestellt." Das Zitat ist alt. Wolfgang Thierse war es. Ein Jahr ist es her, fast auf den Tag genau, und dieses Wort wurde heftig kritisiert. Ist es nun heute veraltet? Das Wirtschaftswachstum zwischen Ost und West geht weiter auseinander. Die Arbeitslosigkeit ist im Osten etwa doppelt so hoch, manchmal sogar mehr. Ist also der Osten nicht längst auf der abschüssigen Bahn? Die Bundesregierung sieht das anders. Sie sieht Anzeichen für einen Aufschwung, festgehalten in ihrem gestern vorgestellten Jahresbericht 2001 zum Stand der Deutschen Einheit. Schönfärberei, kritisiert die Opposition. Wir fragen einen, der zur Zeit wohl am meisten damit zu kämpfen hat, so kurz vor den eigenen Landtagswahlen, mitsamt den nicht eben rosigen Arbeitslosenzahlen in seinem Bundesland von gut 19 Prozent, den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner. Herr Höppner, Schönfärberei oder Wahrheit?
Höppner: Das ist keine Schönfärberei. Richtig ist aber, dass in wirtschaftlich schwierigen Situationen natürlich die schwächsten Teile - und wir sind immer noch der schwächere Teil - besonders hart betroffen sind, und das spüren wir jetzt. Insofern müssen wir auch große Anstrengungen unternehmen, um aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Aber wie gesagt, es geht insgesamt deutlich voran, und das sieht man vor allen Dingen, wenn man sich die Zahlen im Einzelnen anguckt. Wir haben eine ziemlich zusammenbrechende Bauwirtschaft, aber das sind Kapazitäten, die wahrscheinlich halbiert werden müssen. Darunter wachsen sehr interessante Pflanzen, auch im innovativen Bereich. Darunter erkennt man dann auch, dass es neue Ansiedlungen gibt, dass große Unternehmen kommen - BMW ist ein Beispiel -. Ich bin also nicht so pessimistisch, obwohl man ganz deutlich Probleme benennen muss, an denen wir noch eine ganze Weile zu arbeiten haben.
Durak: Kommen wir zu den Problemen und zu ihrem Bundesland, Sachsen-Anhalt. Was hindert Sachsen-Anhalt daran, an die Spitze vorzudringen, oder wenigstens aus dem Arbeitslosentief herauszukommen?
Höppner: Wir sind ja an einigen Stellen an der Spitze, z.B. was Investitionen anbetrifft. Auslandsinvestitionen sind sogar hervorragend. Wir sind an der Spitze, was das Wachstum der Produktivität anbetrifft. Und wir sind übrigens auch an der Spitze oder überdurchschnittlich, was das Wachstum an Einkommen anbetrifft. Aber es ist in der Tat so, wir hatten die größten Kombinate, wir haben seit 1994 die höchsten Arbeitslosenzahlen. Mit hoch produktiven Anlagen schafft man zwar zukunftssichere Arbeitsplätze, aber ebenso wenig, dass wir in Sachen Arbeitslosigkeit die höchsten Zahlen haben. Das ist bedauerlich, und es wird noch eine Weile dauern, ehe wir da grundsätzlich auf das Niveau vom Westen Deutschlands kommen.
Durak: Was ist so unattraktiv an Ihrem Bundesland, dass Sie eine Abwanderungsquote haben, die wohl unter den anderen Bundesländern ihresgleichen sucht?
Höppner: Ich kann mir nicht erklären, dass es eine Frage von Attraktivität ist, sondern es ist schlicht und ergreifend die Frage der Beweglichkeit der Leute, die natürlich dort hinziehen, wo Arbeitsplätze sind. Wenn wir die höchste Arbeitslosigkeit haben, dann ist auch verständlich, dass wir besonders viele Leute haben, die sich außerhalb des Landes Arbeit suchen. Das hat mit der Attraktivität des Landes nichts zu tun. Da sind wir in vieler Hinsicht sogar sehr attraktiv, z.B. haben wir mit Abstand das beste Kindergartengesetz in Deutschland. Hier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie kaum an einer anderen Stelle gegeben. Im Westen wird über Ganztagsschulen geredet, wir haben sie jetzt gerade im Grundschulbereich flächendeckend eingeführt. Das sind schon sehr attraktive Angebote. Es ändert nichts daran, dass die Leute Arbeit brauchen, und gerade viele Junge Leute sagen, ich suche mir die Arbeit zunächst - ich hoffe, sie kommen wieder - in einem anderen Bundesland.
Durak: Weshalb sollten die jungen Leute nach Sachsen-Anhalt wiederkommen, wenn es immer noch keine Arbeit gibt?
Höppner: Weil ganz klar erkennbar ist, dass auf dem Fundament, das wir bisher aufgebaut haben, diese attraktiven Arbeitsplätze entstehen. Wir haben eben nicht nur viele Ansiedlungen, sondern auch eine ganze Menge an Innovationen im Lande, wo wirklich Modernes entsteht. Außerdem ist es so, dass wir in wenigen Jahren die geburtenschwachen Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt bekommen, und dort wird sich dann herausstellen, dass wir junge Leute brauchen, und viele, die heimatverbunden sind, werden dann sehen, wir finden wieder in der Heimat eine Arbeit, und sie werden zurückkommen.
Durak: Viele Einwohner in Sachsen-Anhalt glauben Ihnen offenbar nicht, denn da scheint noch jemand anders auf der Kippe zu stehen, nämlich die SPD in Ihrem Land. Sie werden derzeit auf 25 Prozent geschätzt. Minus 11 Prozent, wie wollen Sie das auffangen?
Höppner: Ich glaube, das ist eine Momentaufnahme. Da werden wir kämpfen, wir sind stärker, und es ist einfach so, wir haben - da bin ich nach wie vor überzeugt - auch die besseren Personen und die besseren Konzepte. Ich sehe nicht, dass Leute, die 1993, 1994 abgewählt worden sind, jetzt plötzlich wieder Verantwortung übernehmen können, und andere Personen sehe ich auch nicht. Also ich bin da schon optimistisch. Wir werden kämpfen, und wir haben wirklich ordentliche Arbeit geleistet, und auf der wollen wir aufbauen, auch in den nächsten Jahren.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Höppner: Das ist keine Schönfärberei. Richtig ist aber, dass in wirtschaftlich schwierigen Situationen natürlich die schwächsten Teile - und wir sind immer noch der schwächere Teil - besonders hart betroffen sind, und das spüren wir jetzt. Insofern müssen wir auch große Anstrengungen unternehmen, um aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Aber wie gesagt, es geht insgesamt deutlich voran, und das sieht man vor allen Dingen, wenn man sich die Zahlen im Einzelnen anguckt. Wir haben eine ziemlich zusammenbrechende Bauwirtschaft, aber das sind Kapazitäten, die wahrscheinlich halbiert werden müssen. Darunter wachsen sehr interessante Pflanzen, auch im innovativen Bereich. Darunter erkennt man dann auch, dass es neue Ansiedlungen gibt, dass große Unternehmen kommen - BMW ist ein Beispiel -. Ich bin also nicht so pessimistisch, obwohl man ganz deutlich Probleme benennen muss, an denen wir noch eine ganze Weile zu arbeiten haben.
Durak: Kommen wir zu den Problemen und zu ihrem Bundesland, Sachsen-Anhalt. Was hindert Sachsen-Anhalt daran, an die Spitze vorzudringen, oder wenigstens aus dem Arbeitslosentief herauszukommen?
Höppner: Wir sind ja an einigen Stellen an der Spitze, z.B. was Investitionen anbetrifft. Auslandsinvestitionen sind sogar hervorragend. Wir sind an der Spitze, was das Wachstum der Produktivität anbetrifft. Und wir sind übrigens auch an der Spitze oder überdurchschnittlich, was das Wachstum an Einkommen anbetrifft. Aber es ist in der Tat so, wir hatten die größten Kombinate, wir haben seit 1994 die höchsten Arbeitslosenzahlen. Mit hoch produktiven Anlagen schafft man zwar zukunftssichere Arbeitsplätze, aber ebenso wenig, dass wir in Sachen Arbeitslosigkeit die höchsten Zahlen haben. Das ist bedauerlich, und es wird noch eine Weile dauern, ehe wir da grundsätzlich auf das Niveau vom Westen Deutschlands kommen.
Durak: Was ist so unattraktiv an Ihrem Bundesland, dass Sie eine Abwanderungsquote haben, die wohl unter den anderen Bundesländern ihresgleichen sucht?
Höppner: Ich kann mir nicht erklären, dass es eine Frage von Attraktivität ist, sondern es ist schlicht und ergreifend die Frage der Beweglichkeit der Leute, die natürlich dort hinziehen, wo Arbeitsplätze sind. Wenn wir die höchste Arbeitslosigkeit haben, dann ist auch verständlich, dass wir besonders viele Leute haben, die sich außerhalb des Landes Arbeit suchen. Das hat mit der Attraktivität des Landes nichts zu tun. Da sind wir in vieler Hinsicht sogar sehr attraktiv, z.B. haben wir mit Abstand das beste Kindergartengesetz in Deutschland. Hier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie kaum an einer anderen Stelle gegeben. Im Westen wird über Ganztagsschulen geredet, wir haben sie jetzt gerade im Grundschulbereich flächendeckend eingeführt. Das sind schon sehr attraktive Angebote. Es ändert nichts daran, dass die Leute Arbeit brauchen, und gerade viele Junge Leute sagen, ich suche mir die Arbeit zunächst - ich hoffe, sie kommen wieder - in einem anderen Bundesland.
Durak: Weshalb sollten die jungen Leute nach Sachsen-Anhalt wiederkommen, wenn es immer noch keine Arbeit gibt?
Höppner: Weil ganz klar erkennbar ist, dass auf dem Fundament, das wir bisher aufgebaut haben, diese attraktiven Arbeitsplätze entstehen. Wir haben eben nicht nur viele Ansiedlungen, sondern auch eine ganze Menge an Innovationen im Lande, wo wirklich Modernes entsteht. Außerdem ist es so, dass wir in wenigen Jahren die geburtenschwachen Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt bekommen, und dort wird sich dann herausstellen, dass wir junge Leute brauchen, und viele, die heimatverbunden sind, werden dann sehen, wir finden wieder in der Heimat eine Arbeit, und sie werden zurückkommen.
Durak: Viele Einwohner in Sachsen-Anhalt glauben Ihnen offenbar nicht, denn da scheint noch jemand anders auf der Kippe zu stehen, nämlich die SPD in Ihrem Land. Sie werden derzeit auf 25 Prozent geschätzt. Minus 11 Prozent, wie wollen Sie das auffangen?
Höppner: Ich glaube, das ist eine Momentaufnahme. Da werden wir kämpfen, wir sind stärker, und es ist einfach so, wir haben - da bin ich nach wie vor überzeugt - auch die besseren Personen und die besseren Konzepte. Ich sehe nicht, dass Leute, die 1993, 1994 abgewählt worden sind, jetzt plötzlich wieder Verantwortung übernehmen können, und andere Personen sehe ich auch nicht. Also ich bin da schon optimistisch. Wir werden kämpfen, und wir haben wirklich ordentliche Arbeit geleistet, und auf der wollen wir aufbauen, auch in den nächsten Jahren.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio