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Arbeitsmarktexpertin empfiehlt Beschäftigung Älterer

Die Arbeitsmarktexpertin Christiane Schönefeld fordert ein Umdenken in den Unternehmen zugunsten der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. "Wir haben eine unternehmerische Praxis, die von Entlassungen Älterer immer noch geprägt ist", sagte die Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit in der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen. Schönefeld erwartet wegen fehlenden Nachwuchses für einige Branchen in der Zukunft einen Fachkräftemangel.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: In Deutschland gibt es etwa 1,3 Millionen offiziell registrierte Arbeitslose, die älter als 50 Jahre sind. Die Zahl soll kleiner werden. Es gibt also einen Vorschlag des Bundesarbeits- und Sozialministers: Lohnkostenzuschüsse für Firmen, die solche Arbeitnehmer einstellen, und die Hälfte der Differenz zum früheren Lohn soll ausgeglichen werden, wenn eben diese Leute eine schlechter bezahlte Tätigkeit annehmen. Die Frage ist, was neu ist an diesem Vorschlag. Und, im Vergleich zur bisherigen Praxis der Lohnkostenzuschüsse, lohnt sich das alles überhaupt? Christiane Schönefeld dürfte sich angesprochen fühlen. Sie ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit in der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen. Frau Schönefeld, was halten Sie von dem Müntefering-Vorschlag?

    Christiane Schönefeld: Also ich glaube, es ist richtig, dass man diese Instrumente wieder stärker in das Blickfeld rückt. Es sind im Wesentlichen ja keine neuen Instrumente, wir haben sie ja bisher. Sie werden nur viel zu wenig in Anspruch genommen, angesichts der Tatsache, dass wir demografisch bedingt bald einen Mangel an Arbeitskräften haben werden in manchen Bereichen.

    Durak: Das heißt, das, was der Minister jetzt vorschlägt, ist wirklich nichts Neues? Er wiederholt nur, was es schon gibt?

    Schönefeld: Also es gibt bisher den Zuschuss zum Lohn, wenn man eine schlechter bezahlte Tätigkeit annimmt. Es gibt auch bisher den Eingliederungszuschuss, wenn ein älterer Arbeitnehmer eingestellt wird, der auch wesentlich länger ist, als bei einem anderen Arbeitnehmer. Wir haben aber zum jetzigen Zeitpunkt eben ganz wenige Betriebe, die davon Gebrauch machen.

    Durak: Wie sieht es denn in Nordrhein-Westfalen konkret aus, wie viele Arbeitslose über 50 haben Sie in Nordrhein-Westfalen?

    Schönefeld: Wir haben in Nordrhein-Westfalen rund 250.000 Arbeitslose über 50. Und davon sind bereits 150.000 Langzeitarbeitslose, das heißt länger als ein Jahr ohne Arbeit.

    Durak: Was macht es so schwierig, für diese Menschen Arbeit zu finden?

    Schönefeld: Die Unternehmen sind in der Regel immer noch darauf ausgerichtet, ältere Arbeitskräfte zu entlassen im Zuge des Personalabbaus. Wenn man das auf der einen Seite macht, ist die Bereitschaft sehr gering, auch Ältere einzustellen.

    Durak: Sie sind in Kontakt mit Firmen, mit Unternehmen und wissen also, dass mehr Geld, also mehr Zuschüsse, wirklich nicht helfen?

    Schönefeld: Ich würde mich ja freuen, wenn es anders wäre. Aber wenn ich mir die Zahl angucke. Wir haben im letzten Jahr rund 1000 Förderfälle gehabt, wo wir über einen Eingliederungszuschuss einen älteren Arbeitnehmer untergebracht haben. Das angesichts der Gesamtzahl der Arbeitslosen ist recht gering, der Zuschuss zum Lohn bei schlechter bezahlter Tätigkeit rund 800 Fälle. Also daran sieht man, dass wir zwar darüber reden, dass es richtig wäre, Ältere einzustellen. Darin sind wir uns in der Regel auch immer alle einig. Aber wenn es um das konkrete Tun geht, dann nimmt man doch eher noch den jüngeren.

    Durak: Was erklären Ihnen denn die Unternehmervertreter, weshalb sie keine älteren Arbeitnehmer einstellen?

    Schönefeld: Die Erklärung gibt es aber eigentlich in der Regel nicht. Sondern es gibt die Erklärung, dass man selbstverständlich auch Ältere einstellen würde, nur praktisch stellt man den Jüngeren ein, weil man die Auswahl hat. So ist im Moment die Arbeitsmarktlage.

    Durak: Wo sind denn für Nordrhein-Westfalen, Frau Schönefeld, sagen wir einmal die Jobs der Zukunft für die über 50-Jährigen? Sehen Sie da überhaupt irgendwelche?

    Schönefeld: Also ich glaube, wir werden insgesamt, wenn wir überhaupt unseren Fachkräftebedarf uns auf die nächsten Jahre hin angucken - vielleicht nicht die unmittelbar folgenden Jahre aber doch etwas längerfristig betrachten - dann müssen wir zwingend jetzt schon vorbereiten. Insofern ist auch der Vorstoß richtig oder das nochmalige Ansprechen richtig, dass Ältere länger im Betrieb bleiben. Wir werden sonst einen Arbeitskräftemangel haben. Weil eben die Schülerzahlen zurückgehen, werden wir weniger junge Leute haben.

    Durak: Kann es sein, dass die Unternehmen diese Entwicklung einfach verschlafen? Weil wenn, müsste man sich ja jetzt kümmern.

    Schönefeld: Das ist ganz richtig. Es wäre ganz dringend, sich jetzt um dieses Thema zu kümmern. Aber am anderen Ende auf dem Ausbildungsstellenmarkt stellen wir das im Moment auch nicht fest. Unternehmen kalkulieren doch immer noch relativ kurzfristig.

    Durak: Könnte man den Unternehmen andere Anreize bieten, dass sie umdenken?

    Schönefeld: Es ist schwer. Also insofern habe ich ja auch Verständnis dafür, in Zeiten, wo ich Personalabbau betreibe und mich dann nur dafür entscheiden kann, entlasse ich einen Älteren, der besser abgesichert ist schon, oder einen Jüngeren, dass ich mich dann für den Älteren entscheide. Wir brauchen nur zumindest schon einmal, dass betriebliche Sich-Darauf-Einstellen, also sprich Qualifizierung nicht mit 40 enden zu lassen. Dass dann der 50-Jährige nicht mehr mithalten kann, ist glaube ich selbstverständlich.

    Durak: Können Sie sich erklären, weshalb deutsche Unternehmen so sehr anders denken, als andere Industriestaaten, in denen die Erfahrung älterer Arbeitnehmer sehr wohl gebraucht wird und auch gefördert wird, dass diese Menschen arbeiten können?

    Schönefeld: Also wir sind natürlich noch immer sehr geprägt von Personalabbau. Und wir haben über Jahre Instrumente für richtig befunden, die darauf abzielten, zu Lasten der Sozialversicherungssysteme ältere Arbeitnehmer zu entlassen. Dieser Umdenkungsprozess geht nicht von heute auf morgen. Aber es ist jetzt so eigentlich fünf vor zwölf und man muss unbedingt damit beginnen.

    Durak: Frau Schönefeld, ich komme noch einmal auf den Gedanken zurück, das lässt mich irgendwie nicht los, dass Sie sagen, die Unternehmen erklären nichts. Ich denke aber, dass Sie, die Bundesagentur für Arbeit, doch eigentlich in die Unternehmen gehen muss, um sozusagen Arbeitsplätze zu requirieren, mögliche Arbeitsplätze. Man muss doch miteinander sprechen. Passiert das nicht?

    Schönefeld: Ja natürlich passiert das. Aber das Unternehmen sagt mir nicht, warum ich, wenn ich zwei Kandidaten zur Auswahl habe, ich eher den jüngeren nehme als den älteren. Also es gibt zwei Welten. Es gibt einmal die offizielle Welt, wo jeder sagt, es wäre richtig, Ältere zu beschäftigen. Es wäre richtig. Aber das konkrete Tun fehlt im Moment. Und wir haben eine unternehmerische Praxis, die von Entlassungen Älterer immer noch geprägt ist. Und da haben wir diesen Umdenkungsprozess in der Realität noch nicht wirklich verinnerlicht.

    Durak: Dankeschön, Frau Schönefeld für das Gespräch. Christiane Schönefeld war das, Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit in der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen. Schönen Dank.