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ARD-Dopingredaktion
Spitzenathletin erhebt nach Hormon-OP schwere Vorwürfe

Annet Negesa aus Uganda gehörte einst zur Weltspitze der Leichtathletik. Bis sie wegen zu hoher Testosteronwerte gesperrt wurde. Um wieder starten zu können, ließ sich Negesa operieren. Unter den Folgen leidet sie bis heute und sie erhebt Vorwürfe gegen den leitenden Arzt des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.

Von Josef Opfermann | 27.09.2019
Annet Negesa bei einem Wettkampf im Jahr 2012 in Südafrika.
Annet Negesa bei einem Wettkampf im Jahr 2012 in Südafrika. (www.imago-images.de)
Annet Negesa fühlt sich allein gelassen. Sie ist wütend, ihre Karriere als Leichtathletin ist vorbei. Von der einst strahlenden 800-Meter-Läuferin ist heute nichts mehr zu sehen. Angefangen hatte alles kurz vor den Olympischen Spielen 2012 in London.
"Sie sagten, Tests hätten bei mir hohe Testosteronwerte gezeigt. Ich sagte: "Und was jetzt? Was soll ich jetzt tun?'"
Negesa ließ sich auf Rat der IAAF behandeln
Negesa wurde gesperrt. Hintergrund ist eine umstrittene Regel des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Wenn Mittelstreckenläuferinnen wie Negesa zu viel vom natürlichen Sexualhormon Testosteron produzieren, müssen sie den Wert senken, wenn sie weiterhin bei den Frauen antreten wollen. Das geht nur mit einer Hormonbehandlung oder einem medizinischen Eingriff. Negesa sagt, sie habe damals auf Sportfunktionäre gehört.
"Das Erste, was sie mir sagten, war: 'Du bekommst eine Behandlung.’ Und dann brachten sie mich nach Nizza."
Journalistin: "Wer waren die Ärzte, die Sie in Nizza getroffen haben?"
Negesa: "Der, an den ich mich erinnere, ist Doktor Bermon. Er war verantwortlich."
Dr. Stéphane Bermon, damals Mitglied der medizinischen Kommission des Leichtathletik-Weltverbandes. Heute leitender Arzt der IAAF. Negesa sagt heute auf die Frage, ob man ihr die Wahl gelassen habe, Hormonblocker zu nehmen oder einen Eingriff machen zu lassen:
Negesa wollte unbedingt in den Sport zurück
"Ich hatte das Gefühl, keine Option zu haben. Es gab nur eine Option: die Behandlung zu machen, die sie vorschlugen. Ich habe mir gedacht, wenn es eine Lösung gibt, wieder zurückzukommen in den Sport, dann soll es so sein."
Die Operation führten schließlich Ärzte in Ugandas Hauptstadt Kampala durch. Bei der OP seien in Absprache mit IAAF-Arzt Bermon die innenliegenden Hoden bei Negesa entfernt worden. Die können bei Frauen mit Geschlechtsvariationen vorkommen und sind für die erhöhte Testosteron-Produktion verantwortlich. Über den Eingriff sagt Negesa:
"Sie haben mir gesagt, es sei eine Art Injektion - und sie würden das Testosteron aus meinem Körper ziehen. Aber das ist nicht das, was sie gemacht haben. Als ich am Morgen aufwachte, hatte ich Schnitte. Am Bauch, da unten. Ich hatte Schnitte."
IAAF-Arzt Bermon reagiert nicht auf Anfragen
So hat Negesa es erlebt. Und sie sagt: IAAF Chefarzt Bermon sei für sie nach der Operation nie wieder erreichbar gewesen. Bermon reagierte auf ARD-Anfragen nicht. Das Krankenhaus in Uganda wich Fragen der ARD aus. Erklärte nur, Stéphane Bermon sei dort nicht bekannt. IAAF-Präsident Coe sagte im ARD-Interview, Operationen seien kein Bestandteil der Regelumsetzung des Verbandes:
"Nein, die einfache Regel beinhaltet nicht diese invasive Operation."
Human Rights Watch: Operationen sind Menschenrechtsverletzungen
Von Menschenrechtsorganisationen kommt derweil Kritik. Kyle Knight von "Human Rights Watch" sagt:
"Diese Operationen sind Menschenrechtsverletzungen. Es ist die Pflicht der IAAF, Normen vorzuschlagen, die keinen Schaden anrichten; der Verband hat hier auf ganzer Linie versagt und tut das noch immer."
Annet Negesa sagt, sie wollte nicht länger schweigen: "Weil ich weiß wie hart es ist, möchte ich nicht, dass andere Sportlerinnen das gleiche durchmachen müssen."