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Argentinien
Der Papst macht einen Bogen um sein Heimatland

Seit 2013 ist Jorge Maria Bergoglio Papst und damit der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri. Seitdem ist Franziskus jedoch nicht mehr in seine Heimat Argentinien gereist - nach Chile, Brasilien, Ecuador, Bolivien hingegen schon. Landsleute vermuten hinter dahinter vor allem politische Gründe.

Von Ivo Marusczyk | 05.09.2017
    Foto von Papst Franziskus
    Viele Argentinier sind enttäuscht von Papst Franziskus (AFP / JUAN MABROMATA)
    - "Wir sehnen seinen Besuch herbei - am liebsten gleich morgen."
    - "Ja, das ist schon etwas enttäuschend."
    - "Wir sind enttäuscht, denn er reist so viel und wird weiter viel reisen. Hier hat er seine Familie und sehr viele Freunde - wir warten schon sehr darauf, dass er als Papst herkommt."
    Enttäuschte und wütende Argentinier
    Aber vorerst bleibt den Gläubigen in der Gemeinde Immaculada Concepcion in Buenos Aires nur ein großes Plakat, auf dem der Papst vom Kirchengebäude herunter grüßt. Seit 2013 ist Jorge Maria Bergoglio Papst, der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri. Aber seit er zum Konklave abgeflogen ist, ist er nie mehr in sein Heimatland Argentinien zurückgekehrt. Und allmählich nehmen seine Landsleute ihm das übel. Sie sind ziemlich enttäuscht, sagen sie.
    "Wir sind eigentlich sogar ein bisschen sauer - irgendwann muss er doch mal kommen." Zumal Franziskus inzwischen viele Länder Südamerikas besucht hat - nur nicht Argentinien. In dieser Woche unternimmt er seine 20. Auslandsreise nach Kolumbien. Zuvor war er schon in Brasilien, Ecuador, Bolivien, selbst im kleinen Paraguay. Und im Januar will er Peru und Chile besuchen. Inzwischen fällt schon auf, dass er um Argentinien einen großen Bogen macht - und die Gläubigen glauben auch, zu wissen, warum.
    "Wir Argentinier glauben, dahinter steckt ein politisches Problem."
    Ein Papst zwischen allen Stühlen
    Das ist eine politische Sache - und damit dürften die Menschen richtig liegen. Die linkspopulistischen Kirchner-Regierungen, die zwölf Jahre regierten, haben tiefe Spuren hinterlassen in der Wirtschaft aber auch in der politischen Stimmung im Land. Argentinien ist tief gespalten - und der Papst sitzt zwischen allen Stühlen. Den Konservativen war Bergoglio wegen seines Einsatzes für die Armen immer verdächtig, sie nennen ihn einen verkappten Peronisten. Den Kirchner-Anhängern war Erzbischof Bergoglio gesellschaftspolitisch zu konservativ. Etwa mit seinem Kampf gegen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Und: Argentinien steckt im Wahlkampf, im Oktober wird der Kongress neu bestimmt.
    "Im Moment kann das Land ihn nicht empfangen. Die Regierung will, dass er sie unterstützt und die Opposition will ihn als Gegner der Regierung darstellen. Solange das so ist, kommt er nicht. Die alte Regierung wollte ihn vereinnahmen, und die jetzige Regierung mag er nicht."
    In dieser Situation macht der Papst lieber einen Bogen um das Land, sagt auch der Neffe des Papstes. José Luis Narvaja ist ebenfalls Jesuit und lehrt als Professor an der Katholischen Universität del Salvador in der Nähe von Buenos Aires. Eine Reise nach Argentinien, bei der eine Seite ihn als einen Anhänger oder Unterstützer vereinnahmt, das interessiert den Papst nicht.
    Vielleicht kommt er ja im nächsten Jahr, trösten sich die Gläubigen in Buenos Aires, also wenn die Wahl vorbei ist. Aber da sind sie nicht ganz sicher.
    "Er war ja lang genug in Argentinien, jetzt soll er erst mal andere Orte besuchen. Ach, uns kennt er doch schon."