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Argentinien
Gewinner und Verlierer der Agrarpolitik

Knapp ein Jahr ist der argentinische Präsident Mauricio Macri im Amt. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Steuererleichterungen für die Agrarwirtschaft. Doch während Getreide- und Sojaproduzenten zu den großen Gewinnern der neuen Agrarpolitik gehören, führen Obst-, Gemüse- oder Milchbauern einen harten Überlebenskampf.

Von Victoria Eglau | 15.11.2016
    Gensojapflanzen
    Von der Agrarreform in Argentinien profitieren vor allem die Gensoja-Produzenten. (picture alliance / EPA / Weimer Carvalho)
    Vor wenigen Tagen: Bauern und Landarbeiter protestieren im Zentrum von Buenos Aires. Unter den Demonstranten ist auch Agraringenieur Carlos Retamoza, der kleine Baumwoll-, Fleisch- und Milchproduzenten in der Provinz Entre Ríos berät.
    "Wir sind hier, weil es so nicht weitergeht. Täglich machen Landwirtschaftsbetriebe dicht. Ein Beispiel: der Baumwollanbau. Der starke Anstieg des Benzinpreises hat zu so hohen Transportkosten geführt, dass viele die Produktion eingestellt haben."
    Schwierige Produktionsbedingungen
    Die bäuerliche Landwirtschaft, die Gemüse, Obst oder Mate-Kraut für den heimischen Konsum anbaut, produziert in Argentinien seit Langem unter schwierigen Bedingungen – vor allem wegen der weiten und teuren Wege zum Verbraucher. Die anhaltend hohe Inflation – rund vierzig Prozent in diesem Jahr – und die Konsumflaute haben die Krise verschärft. Nicht zuletzt, weil die Regierung massiv die Energieverbrauchspreise angehoben hat.
    "Die Inflation hat auch dazu geführt, dass Arbeitskräfte viel teurer geworden sind. Obst- und Gemüsebauern haben Probleme, genug Personal einzustellen. Hinzu kommt, dass viele Landwirte nach Jahren der Krise ohne Kapital dastehen. Sie schaffen es nicht, ihre Betriebe technisch zu modernisieren, um produktiver zu werden",
    erklärt der Ökonom David Miazzo von der unabhängigen Agrar-Stiftung FADA. Mehrfach verschenkten Produzenten in diesem Jahr Äpfel oder Salatköpfe an Stadtbewohner, um auf ihre Misere aufmerksam zu machen. Andere ließen das Obst an den Bäumen – die Ernte lohnte sich nicht.
    Die Krise der sogenannten regionalen Landwirtschaften steht im krassen Gegensatz zum Boom des agroindustriellen Sektors, der Getreide und Soja produziert und sechzig Prozent der argentinischen Exporte stellt. Experte David Miazzo:
    "Dieser Sektor hat von der Peso-Abwertung sowie der Aufhebung von Exportbeschränkungen und Ausfuhrsteuern unter der neuen Regierung profitiert. Die Soja- und Getreideproduzenten haben ihre Einnahmen im Vergleich zum letzten Jahr quasi verdoppelt."
    Gravierende Folgen für die Verlierer
    So gibt es denn Gewinner und Verlierer in Argentiniens Landwirtschaft. Auf der Verlierer-Seite sind die Folgen gravierend: weniger Arbeitsplätze, mehr Armut, mehr Landflucht. Der demonstrierende Agraringenieur Carlos Retamoza klagt über den alles beherrschenden Gensoja-Anbau:
    "Er vertreibt die kleinen Landwirte. Weil sich der Anbau von Zitrusfrüchten oder die Schafzucht immer weniger lohnt, vermieten viele ihr Land an Soja-Produzenten, die Kapital und Maschinen haben. Nach einigen Jahren verkaufen sie dann das Land und ziehen in die Stadt. "
    Eine Tendenz, die schwer aufzuhalten scheint. Stützpreise und preiswerte Kredite fordern die Demonstranten unter anderem, damit sie auf dem Land vielleicht doch noch eine Zukunft haben.