Klaus Remme: In Simbabwe spitzt sich die Lage weiter zu. Das Regime von Präsident Robert Mugabe verstärkt den Druck auf die Opposition. Auslöser der jüngsten Spannungen war das Niederknüppeln von Protesten am Sonntag vor einer Woche. Oppositionsführer Tsvangirai wurde dabei verletzt. Gestern kam es erneut zu Zwischenfällen. Oppositionsabgeordnete wurden an der Ausreise gehindert, ein weiterer Regierungsgegner misshandelt.
Oskar Wermter lebt seit Jahrzehnten in Simbabwe, war bis 2001 für die Medienarbeit der Katholischen Bischofskonferenz dort verantwortlich und arbeitet jetzt als Jesuitenpater in der Hauptstadt Harare. Ich habe ihn vor der Sendung telefonisch erreicht und ihn zunächst gefragt, wie man in diesem Land mit der weltweit höchsten Inflation, gepaart mit Massenarbeitslosigkeit, überleben kann.
Oskar Wermter: Ja, das ist eine große Frage, das wundert mich auch. Ich tue Gemeindearbeit in Bade, das ist ein Arbeiterviertel, sozial sehr heruntergekommen Und wir haben eine immense Arbeitslosigkeit, sehr, sehr viele junge Leute, die nie in den Arbeitsprozess überhaupt hineinkommen und dadurch also völlig deprimiert sind. Das ist eine ganz, ganz schlimme Sache, vor allem weil auch diejenigen, die sich eben im formellen Bereich durch Straßenhandel und durch kleine Handwerksbetriebe am Leben zu erhalten versuchten, die sind vor zwei Jahren, 2005, gewaltsam davon abgehalten worden. Der gesamte kleine Straßenhandel wurde absichtlich zerschlagen, genauso wie damals dann auch die nicht legal gebauten Häuser alle zerstört wurden. Das hat natürlich das soziale Elend noch vergrößert. Es gibt zwar immer noch illegalen Handel, Straßenhandel, es gibt immer noch Leute, die irgendwie auf irgendeine Weise sich durch Handel am Leben zu halten versuchen. Viele gehen nach Botswana oder nach Südafrika, kaufen dort Dinge ein, die es hier nicht so gut gibt, bringen sie her. Und auf diese Art Weise versuchen sie sich den Lebensunterhalt zu verdienen.
Remme: Machen denn die Massen ihren Präsidenten Robert Mugabe für das Elend verantwortlich?
Wermter: Mehr und mehr machen die Leute den dafür verantwortlich, aber man wagt sich nicht, das öffentlich zu sagen. Es sind Leute verhaftet worden, die im Bus auf der Fahrt zur Arbeit irgendwelche Bemerkungen über Mugabe gemacht haben und sind dann gleich an der nächsten Station verhaftet worden, weil Agenten der Regierung im Bus waren. Es ist also eine Atmosphäre der Furcht im Lande. Davon ist aber jetzt einiges herausgekommen, herausexplodiert am letzten Sonntag.
Remme: Wie sehen Sie diese Frage der Verantwortung?
Wermter: Ja, das ist gar keine Frage, dass diese Regierung abgewirtschaftet hat in jeder Beziehung, sich aber gewaltsam an der Macht zu halten versucht. Das heißt, alles wird danach beurteilt, ob es der Regierung erlaubt, weiterhin an der Macht zu bleiben oder nicht. Und dem Machtprinzip wird jede wirtschaftliche Vernunft geopfert. Und deswegen geht es wirtschaftlich immer weiter hinab, und es ist an eine wirtschaftliche Erholung unter diesem Regime mit dieser Politik schlechterdings nicht zu denken.
Remme: Pater Wermter, auf welche Unterstützung kann Mugabe denn noch zählen?
Wermter: Ja, die Afrikanische Union ist immer noch zwiespältig, und es gibt immer noch afrikanische Staatsmänner, die als Kollegen meinen, mit afrikanischer Solidarität Mugabe stützen zu müssen oder jedenfalls hier nicht offen angreifen wie etwa Südafrika, die sicher nicht über ihn glücklich sind, es aber vermeiden, ihn öffentlich fallen zu lassen. Und das ist natürlich eine ganz kritische Sache. Für die von uns, die schon viele Jahre hier sind, erinnert die Situation an die Situation von 1979, als Ian Smith gezwungen wurde von den Südafrikanern an den Verhandlungstisch zu gehen. Wenn Südafrika wirklich seine Macht gebrauchen würde, könnten sie vermutlich Mugabe, der charaktermäßig unnachgiebig ist, kompromisslos und immer auf Gewalt rekurriert, wenn es ihm schlecht geht, nichtsdestotrotz, er würde auf reinen massiven Druck reagieren müssen so wie sein Vorgänger, der ihm sehr ähnlich war, der auch so stur war, Ian Smith, so wie der auch gezwungen wurde von Südafrika damals sich an den Verhandlungstisch zu setzen.
Aber dazu ist Südafrika leider noch nicht bereit, die Afrikanische Union auch noch nicht, obwohl es Anzeichen gibt, dass sie allmählich die Geduld verlieren und sich doch schon immerhin öffentlich ausgesprochen haben, dass Mugabe die Menschenrechte respektieren sollte. Das ist immerhin schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Wermter: Wenn wir auf die andere Seite des Konflikts schauen, wir reden oft in den Nachrichten oder den Meldung von "der" Opposition. Wie geschlossen sind die Mugabe-Gegner?
Wermter: Die sind leider gar nicht geschlossen, denn die Hauptoppositionspartei hat sich gespalten. Dazu gibt es noch verschiedene sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft, die auch sich politisch betätigen, vor allem die Bewegung für eine neue Verfassung, die NCA, National Constitutional Assembly, die sind stark, und dann gibt es eine sehr starke Frauengruppe, WOSA, Women of Simbabwe Arise, die haben eine Politik der Gewaltlosigkeit und sind bereit, sich verhaften zu lassen und sich von der Polizei verhauen zu lassen, ohne selber zurückzuschlagen, und die sind sehr effektiv geworden. Deren Führerin hat gerade einen Preis in Washington überreicht bekommen.
Remme: Wird die Kirche vor Ort, Pater Wermter, als Teil der Opposition wahrgenommen?
Wermter: Teile der Kirche. Die Kirchen sind leider auch nicht ganz geschlossen und geeinigt. Es gibt eine Allianz von Kirchen, der Katholischen Bischofskonferenz, dem Kirchenrat und den evangelikalen Kirchen zusammen. Die setzen aber immer noch auf Dialog, auf Appelle, haben immer noch die Hoffnung, dass sie Mugabe umstimmen können. Ich persönlich bin von der historischen Erfahrung her mit dem Präsidenten sehr skeptisch, dass man damit irgendetwas erreichen kann. Es ist allerdings in vieler Hinsicht typisch für unseren afrikanischen Stil. Man glaubt weitgehend, dass man durch Dialog, durch Reden, durch Palaver die Dinge irgendwie lösen kann. Und das ist ja zunächst einmal auch sehr gut. Es ist auch sehr gut, wenn man miteinander redet und nicht aufeinander einschlägt. Andererseits, wenn man den Charakter des Staatspräsidenten in Rechnung stellt, ist hier das Setzen auf Dialog in dieser besonderen Situation leider vermutlich nicht Erfolg versprechend.
Remme: Sie haben eingangs im Gespräch von den Repressalien erzählt, denen die Kritiker ausgesetzt werden. Warum können Sie so frei reden?
Wermter: Ich bin nicht mehr so im Scheinwerferlicht. Ich bin eine relativ kleine Stimme. Die Medien sind ja weitgehend stillgelegt. Es ist sehr schwierig, wirklich in den Medien, in den Massenmedien, sagen wir mal, eine Stimme noch zu erhalten und sich noch äußern zu können. Es ist auch das Folgende zu bedenken: Mugabe möchte nicht es auf eine Konfrontation ankommen lassen. Er versucht immer, die Kirchen auf seine Seite rüberzuziehen, und er greift die Kirche nicht massiv an, verbal schon, aber nicht physisch und nicht durch Zwangsmaßnahmen. Das ergibt also einen ganz kleinen Freiraum, natürlich nicht genügend, aber immerhin einen gewissen Schutzraum gibt es dadurch schon, obwohl sich das jeden Tag ändern kann. Und die Gesetze sind so, dass, wenn sie einem wirklich ans Leder wollen, dann können sie das tun.
Remme: Aus Harare war das der Jesuitenpater Oskar Wermter.
Oskar Wermter lebt seit Jahrzehnten in Simbabwe, war bis 2001 für die Medienarbeit der Katholischen Bischofskonferenz dort verantwortlich und arbeitet jetzt als Jesuitenpater in der Hauptstadt Harare. Ich habe ihn vor der Sendung telefonisch erreicht und ihn zunächst gefragt, wie man in diesem Land mit der weltweit höchsten Inflation, gepaart mit Massenarbeitslosigkeit, überleben kann.
Oskar Wermter: Ja, das ist eine große Frage, das wundert mich auch. Ich tue Gemeindearbeit in Bade, das ist ein Arbeiterviertel, sozial sehr heruntergekommen Und wir haben eine immense Arbeitslosigkeit, sehr, sehr viele junge Leute, die nie in den Arbeitsprozess überhaupt hineinkommen und dadurch also völlig deprimiert sind. Das ist eine ganz, ganz schlimme Sache, vor allem weil auch diejenigen, die sich eben im formellen Bereich durch Straßenhandel und durch kleine Handwerksbetriebe am Leben zu erhalten versuchten, die sind vor zwei Jahren, 2005, gewaltsam davon abgehalten worden. Der gesamte kleine Straßenhandel wurde absichtlich zerschlagen, genauso wie damals dann auch die nicht legal gebauten Häuser alle zerstört wurden. Das hat natürlich das soziale Elend noch vergrößert. Es gibt zwar immer noch illegalen Handel, Straßenhandel, es gibt immer noch Leute, die irgendwie auf irgendeine Weise sich durch Handel am Leben zu halten versuchen. Viele gehen nach Botswana oder nach Südafrika, kaufen dort Dinge ein, die es hier nicht so gut gibt, bringen sie her. Und auf diese Art Weise versuchen sie sich den Lebensunterhalt zu verdienen.
Remme: Machen denn die Massen ihren Präsidenten Robert Mugabe für das Elend verantwortlich?
Wermter: Mehr und mehr machen die Leute den dafür verantwortlich, aber man wagt sich nicht, das öffentlich zu sagen. Es sind Leute verhaftet worden, die im Bus auf der Fahrt zur Arbeit irgendwelche Bemerkungen über Mugabe gemacht haben und sind dann gleich an der nächsten Station verhaftet worden, weil Agenten der Regierung im Bus waren. Es ist also eine Atmosphäre der Furcht im Lande. Davon ist aber jetzt einiges herausgekommen, herausexplodiert am letzten Sonntag.
Remme: Wie sehen Sie diese Frage der Verantwortung?
Wermter: Ja, das ist gar keine Frage, dass diese Regierung abgewirtschaftet hat in jeder Beziehung, sich aber gewaltsam an der Macht zu halten versucht. Das heißt, alles wird danach beurteilt, ob es der Regierung erlaubt, weiterhin an der Macht zu bleiben oder nicht. Und dem Machtprinzip wird jede wirtschaftliche Vernunft geopfert. Und deswegen geht es wirtschaftlich immer weiter hinab, und es ist an eine wirtschaftliche Erholung unter diesem Regime mit dieser Politik schlechterdings nicht zu denken.
Remme: Pater Wermter, auf welche Unterstützung kann Mugabe denn noch zählen?
Wermter: Ja, die Afrikanische Union ist immer noch zwiespältig, und es gibt immer noch afrikanische Staatsmänner, die als Kollegen meinen, mit afrikanischer Solidarität Mugabe stützen zu müssen oder jedenfalls hier nicht offen angreifen wie etwa Südafrika, die sicher nicht über ihn glücklich sind, es aber vermeiden, ihn öffentlich fallen zu lassen. Und das ist natürlich eine ganz kritische Sache. Für die von uns, die schon viele Jahre hier sind, erinnert die Situation an die Situation von 1979, als Ian Smith gezwungen wurde von den Südafrikanern an den Verhandlungstisch zu gehen. Wenn Südafrika wirklich seine Macht gebrauchen würde, könnten sie vermutlich Mugabe, der charaktermäßig unnachgiebig ist, kompromisslos und immer auf Gewalt rekurriert, wenn es ihm schlecht geht, nichtsdestotrotz, er würde auf reinen massiven Druck reagieren müssen so wie sein Vorgänger, der ihm sehr ähnlich war, der auch so stur war, Ian Smith, so wie der auch gezwungen wurde von Südafrika damals sich an den Verhandlungstisch zu setzen.
Aber dazu ist Südafrika leider noch nicht bereit, die Afrikanische Union auch noch nicht, obwohl es Anzeichen gibt, dass sie allmählich die Geduld verlieren und sich doch schon immerhin öffentlich ausgesprochen haben, dass Mugabe die Menschenrechte respektieren sollte. Das ist immerhin schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Wermter: Wenn wir auf die andere Seite des Konflikts schauen, wir reden oft in den Nachrichten oder den Meldung von "der" Opposition. Wie geschlossen sind die Mugabe-Gegner?
Wermter: Die sind leider gar nicht geschlossen, denn die Hauptoppositionspartei hat sich gespalten. Dazu gibt es noch verschiedene sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft, die auch sich politisch betätigen, vor allem die Bewegung für eine neue Verfassung, die NCA, National Constitutional Assembly, die sind stark, und dann gibt es eine sehr starke Frauengruppe, WOSA, Women of Simbabwe Arise, die haben eine Politik der Gewaltlosigkeit und sind bereit, sich verhaften zu lassen und sich von der Polizei verhauen zu lassen, ohne selber zurückzuschlagen, und die sind sehr effektiv geworden. Deren Führerin hat gerade einen Preis in Washington überreicht bekommen.
Remme: Wird die Kirche vor Ort, Pater Wermter, als Teil der Opposition wahrgenommen?
Wermter: Teile der Kirche. Die Kirchen sind leider auch nicht ganz geschlossen und geeinigt. Es gibt eine Allianz von Kirchen, der Katholischen Bischofskonferenz, dem Kirchenrat und den evangelikalen Kirchen zusammen. Die setzen aber immer noch auf Dialog, auf Appelle, haben immer noch die Hoffnung, dass sie Mugabe umstimmen können. Ich persönlich bin von der historischen Erfahrung her mit dem Präsidenten sehr skeptisch, dass man damit irgendetwas erreichen kann. Es ist allerdings in vieler Hinsicht typisch für unseren afrikanischen Stil. Man glaubt weitgehend, dass man durch Dialog, durch Reden, durch Palaver die Dinge irgendwie lösen kann. Und das ist ja zunächst einmal auch sehr gut. Es ist auch sehr gut, wenn man miteinander redet und nicht aufeinander einschlägt. Andererseits, wenn man den Charakter des Staatspräsidenten in Rechnung stellt, ist hier das Setzen auf Dialog in dieser besonderen Situation leider vermutlich nicht Erfolg versprechend.
Remme: Sie haben eingangs im Gespräch von den Repressalien erzählt, denen die Kritiker ausgesetzt werden. Warum können Sie so frei reden?
Wermter: Ich bin nicht mehr so im Scheinwerferlicht. Ich bin eine relativ kleine Stimme. Die Medien sind ja weitgehend stillgelegt. Es ist sehr schwierig, wirklich in den Medien, in den Massenmedien, sagen wir mal, eine Stimme noch zu erhalten und sich noch äußern zu können. Es ist auch das Folgende zu bedenken: Mugabe möchte nicht es auf eine Konfrontation ankommen lassen. Er versucht immer, die Kirchen auf seine Seite rüberzuziehen, und er greift die Kirche nicht massiv an, verbal schon, aber nicht physisch und nicht durch Zwangsmaßnahmen. Das ergibt also einen ganz kleinen Freiraum, natürlich nicht genügend, aber immerhin einen gewissen Schutzraum gibt es dadurch schon, obwohl sich das jeden Tag ändern kann. Und die Gesetze sind so, dass, wenn sie einem wirklich ans Leder wollen, dann können sie das tun.
Remme: Aus Harare war das der Jesuitenpater Oskar Wermter.