Archiv


Armutsbekämpfung statt Profit

Nach Einschätzung der Organisation WEED sollten die internationalen Handelsbeziehungen nach dem Scheitern der Welthandelsgespräche grundlegend zu Gunsten der Entwicklungsländer neu geordnet werden. Die Gespräche seien eine Mogelpackung gewesen, kritisierte WEED-Vorstandsmitglied Peter Wahl. Insofern sei kein Ergebnis besser als ein schlechtes. WEED wurde 1990 in Deutschland gegründet, um Bewusstsein für die Ursachen der weltweiten Armuts- und Umweltprobleme zu wecken.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Wer trägt Schuld am vorläufigen Scheitern der WTO-Verhandlungsrunde? Diese Frage beantwortet jeder der Großen in diesem Pokerspiel anders und eigentlich muss man sich fragen: Wollen sich die wichtigsten Handelsmächte überhaupt einigen?

    Ein schwerer Rückschlag auch für die Entwicklungsländer. Wenn ich die Presseinformationen der Nichtregierungsorganisation WEED richtig interpretiere, sieht diese Organisation das ganz anders. Peter Wahl ist Vorstandsmitglied von WEED. Diese Organisation, Ihre sagt, dieses Scheitern ist zu begrüßen. Wieso?

    Peter Wahl: Ja. Die ganze Entwicklungsrunde ist in Wirklichkeit eine Mogelpackung gewesen. Das was in Doha beschlossen worden ist, nämlich den Handel einzusetzen, um Armut zu bekämpfen, ist in den realen Verhandlungen nicht realisiert worden, und es gibt eine ganze Menge von Studien, von der Weltbank über die UNCTAD, über die Welthungerorganisation und andere, die festgestellt haben, dass die Gewinne aus einer Liberalisierung in dieser Runde extrem ungleich verteilt sind und einige Länder insbesondere im subsaharischen Afrika sogar regelrecht verlieren würden. Aus diesem Grunde ist es in der jetzigen Situation besser zu sagen, kein Ergebnis ist besser als ein solches schlechtes.

    Durak: Es bleibt aber dabei, dass die angesprochenen Länder, die Entwicklungsländer, auch speziell die von Ihnen angesprochenen, weiter keinen freien Zugang zu den Märkten haben?

    Wahl: Es bleibt dabei, wenn die bisher getroffenen Vereinbarungen sozusagen in dem Gesamtpaket jetzt auch nicht erfüllt werden. Es hat ja bis zum Sonntagabend oder Montagfrüh, dem Scheitern, eine ganze Reihe von Vereinbarungen gegeben, und es wird sich jetzt zeigen, ob man diese Vereinbarungen nicht doch noch in Kraft setzen kann, auch wenn es an dem anderen Punkt nicht zu einer Einigung gekommen ist.

    Durak: Also Vereinbarungen unterhalb der großen WTO-Ebene. Welche wären das? Ein Beispiel vielleicht.

    Wahl: Es gab Zollsenkungen im Agrarbereich. Es gab von der EU eine Senkung der Landwirtschaftssubventionen, zwar viel zu gering, aber doch immerhin hat sich da etwas bewegt. Ich finde, diese Dinge könnten durchaus in Kraft gesetzt werden, und da könnte auch die EU beweisen, statt das Spiel mit dem Schwarzen Peter hin- und herzuspielen, zu sagen, wir erklären jetzt unilateral, weil wir den Entwicklungsgedanken ernst nehmen, dass diese Erleichterungen für die Entwicklungsländer in Kraft treten, auch wenn die Runde gescheitert ist.

    Durak: Also braucht man doch diese großen Runden gar nicht mehr?

    Wahl: Wenn die großen Blöcke, vor allem die EU, Japan und USA, wollten, könnten sie auch unilateral eine ganze Menge von Dingen tun, wenn es ihnen mit der Rede von der Entwicklung wirklich ernst wäre.

    Durak: Was wäre dort konkret zu tun aus Ihrer Sicht?

    Wahl: Zum Beispiel wären die gesamten Agrarsubventionen drastisch zu reduzieren, und es wäre umgekehrt den Entwicklungsländern ein Marktzugang für ihre Agrarprodukte zu gewähren, der ihnen tatsächlich ermöglicht, Geld zu verdienen und nicht abhängig zu sein von Hilfe.

    Durak: Haben Sie irgendwelche Hoffnung, dass die EU oder einzelne Länder, um nicht zu sagen vielleicht sogar Frankreich, in dieser Richtung sich entscheiden könnten? Ich glaube eher nicht, oder?

    Wahl: Ich glaube, dass wir jetzt in eine Situation hinein kommen, wo doch ein Nachdenken einsetzt. Man muss das Ganze ja mal auch im Rückblick von Seattle aus sehen, 1999 das erste große Scheitern, Cancun, das zweite große Scheitern und jetzt wieder. Da denke ich, wird man jetzt nicht business as usual machen können. Und ich hoffe, dass es ein Umdenken gibt und man sich grundsätzlich überlegt, ob dieses System, wie es bisher läuft, so weiterlaufen kann.

    Durak: Das heißt, Sie träumen, sage ich mal, von einer Neuordnung des Welthandels?

    Wahl: Wir fordern eine Neuordnung des Welthandels, die sich ausrichtet an Kriterien wie Armutsbekämpfung, wie Umweltschutz und Ähnliches und sich nicht einfach nur, wie das bisher der Fall ist, nach den größtmöglichen Profiten für die großen transnationalen Unternehmen aus den Industrieländern richtet.

    Durak: Ein Wort zur Erklärung noch einmal. Welchen Nutzen - ein ganz konkretes Beispiel, wenn Sie eines hätten - ziehen die Entwicklungsländer aus den Vereinbarungen, die sie jetzt schließen können unterhalb der WTO-Ebene?

    Wahl: Wenn zum Beispiel ein Agrarprodukt - nehmen wir Hühnerfleisch - hierzulande subventioniert wird, dann kann das verkauft werden zu einem günstigeren Preis, als wirklich die Entstehungskosten sind, auch in einem Entwicklungsland. Das konkurriert dann dort die einheimischen Produzenten nieder. Wenn jetzt diese Subventionen reduziert werden, steigen zwangsläufig die Preise für dieses Hühnerfleisch, und damit werden die Produzenten in einem Entwicklungsland wieder wettbewerbsfähig und können nicht niederkonkurriert werden.

    Durak: Peter Wahl, Vorstandsmitglied von WEED, einer Nichtregierungsorganisation, auch hier in Deutschland. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Wahl.

    Wahl: Bitteschön.