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Arno Orzessek
Der Gagaismus der Supermärkte

Deutsche Discounter liefern sich derzeit in ihren Werbeanzeigen einen Schlagabtausch. Ihre deutsch-englischen Slogans könnte man als Sprachpanscherei bezeichnen - oder als Feuerwerk der Kreativität, wie es Arno Orzessek in seiner Glosse tut.

Von Arno Orzessek | 24.07.2019
Diejenigen unter Ihnen, die Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Radio ablehnen, müssen jetzt tapfer sein. Es werden nämlich Aldi Namen fallen, die Normalerweise nicht fallen, weil das Schleichwerbungs-Verbot Real ist und Strafen von mehr als 'nem Penny drohen, was dann das Netto des Verursachers schmälert. Aber es ist doch so: Seit die Dadaisten das Deutsche mit Versen wie "gaga di bling blong gaga blung" aufgemischt haben, hat selten jemand lustigeren Sprachquatsch produziert als jüngst die hiesigen Discounter und Supermärkte, genauer: deren Werbeagenturen.
Wir hoffen jedenfalls, dass sich's für Lidl lohnt, in den sozialen Medien und per Zeitungsannonce das diffizile Recht auf vergleichende Werbung genutzt zu haben. Immerhin führte das zu Slogans wie "Teurer wäre Edekadent", "So günstig? Real ist das nicht!" und – liebe Duden-Redaktion! – "Ab zu Lidl. Der Rest ist irrewelant".
Einer fliegt aus der Chat-Gruppe
Auch Penny bekam's von Lidl besorgt: "So günstig. Da dreht sich der Penny zweimal um." Und konterte auf Facebook per Filmchen. Darin verabredet sich eine Messenger-Chat-Gruppe namens "Supermarkt Squad", also Supermarkt-Truppe, zum Grillen. Als Chat-Mitglied Lidl jedoch Slogans à la "Edekadent" raushaut, wird es von Penny, Aldi & Co. aus dem Chat geschmissen.
Und wie reagiert Lidl darauf im "real life"? Lädt das Filmchen souverän auf der eigenen Facebook-Seite hoch, postet: "Danke für die coole Reaktion. Das ist Social Media!" und setzt 'ne liebevolle Ghettofaust drunter. Edeka wiederum ließ seinen Allzweck-Joker, die vollbärtige Werbe-Ikone Friedrich Liechtenstein, in dekadenter Pose Kaffee von Edeka schlürfen und dabei Lidl laut loben. Bitte schön, das ist kein Werbekrieg, das ist schönster Werbefrieden.
Spaß an der Sprachpanscherei
Den ersten Preis für Kreativität verdienten sich indessen die Dichter und Denker, die für Netto dichten und denken. Lidl hatte gealbert: "Mehr Lidl vom Netto" - und Netto ließ sich die geniale Antwort etwas kosten. Man schaltete letzte Woche in der "Bild" eine ganzseitige Anzeige, in der die Sprache Johann Wolfgang Goethes und Mario Barths folgenden werbe-lyrischen Höhepunkt erreichte: "Du willst a Lidl bit more Auswahl? Dann geh doch zu Netto!"
Keine Frage, verehrter Verein Deutsche Sprache e. V. - für "a Lidl bit more Auswahl" könnten Sie Ihren freudlosen Negativ-Preis "Sprachpanscher des Jahres" vergeben, Lidl war ja schon letztes Jahr Kandidat bei Ihnen. Aber besser wäre, Sie sähen das Panschen der Buchstabensuppe doch mal a little bit positiver! "Panschen" ist ja etymologisch mit "plantschen" verwandt – und plantschen macht kindlichen Gemütern im Sommer einfach Spaß. Übrigens nicht erst in diesem Sommer.
Gerne mehr sprachlicher Unfug
"Hailights" mit raubfischhaftem h-a-i am Anfang kennt die Werbung für die trashige "Sharknado"-Saga schon lange. Auch ein alter Hut: Rasenmäher "Mäht in Germany". Der Liferservice Lieferando schrieb übers Foto eines Nudelgerichts: "Isch bin dir Farfalle". Und wer in Berlin am Alex Currywurst essen will, geht zu "Freddy MehrCurry".
Jedenfalls wäre es toll, wenn der fröhliche Unfug weiterginge. Einige gagaistische Schätzchen drängen sich ja geradezu auf: "Penn nie! Kauf bei Netto!" oder "Aldi anderen kannste vergessen" oder "Rewe: Un-Norma-l günstig" oder "Bei dürftigem Netto lieber zu Real" oder, oder, oder.
Aber hey! Sollten wir diese Slogans auf Plakaten sehen, wollen wir Kohle haben.