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Arnold hält Raketenschild für überflüssig

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sieht derzeit keinen Bedarf für den von den USA in Osteuropa geplanten Raketenschutzschild. Nordkorea und der Iran seien momentan nicht in der Lage, Europa und die USA mit Interkontinentalraketen zu gefährden, sagte der Bundestagsabgeordnete. Es wäre falsch, dieses Raketensystem nur deshalb in der NATO zu installieren, damit Amerika dies nicht in eigener Regie tut.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Am Telefon ist nun Rainer Arnold. Er gehört dem Bundestag an, ist SPD-Mitglied, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und auch Mitglied im außenpolitischen Ausschuss. Schönen guten Tag, Herr Arnold!

    Rainer Arnold: Schönen guten Tag!

    Durak: Der SPD-Vorsitzende sagt, keine neuen Raketen nach Europa. Der Generalsekretär Heil sagt, es gibt wichtigere Interessen als parteipolitische. Hat die SPD ein Thema zur Profilierung gefunden?

    Arnold: Nein, ich glaube nicht, dass das ein Profilierungsthema ist, sondern es ist ein Thema, das uns strategisch sehr intensiv beschäftigen muss. Wir wollen, dass Europa nicht mehr gespalten werden kann, sondern dass Europa mit einer Stimme sein ganzes ökonomisches, sein ganzes Ansehen in der Welt auch auf die Wagschale legen kann. Deshalb brauchen wir statt einseitiger Entscheidungen wirklich vertiefte Gespräche in der NATO, innerhalb der EU, aber selbstverständlich auch im NATO-Russland-Rat. Darum geht es im Augenblick. Irgendwann kommen wir allerdings, wenn man dies zu Ende denkt, an einen Punkt, wo wir dann die Antwort geben müssen, sehen wir das Risiko der Bedrohung so wie die Vereinigten Staaten oder kommen wir zu einer anderen Bewertung? Um diese Frage möchte ich mich auch nicht wegdrücken dann.

    Durak: Könnten Sie jetzt schon sagen, wie Sie zu dieser Frage stehen?

    Arnold: Ich denke, dass es richtig ist, was der Außenminister sagt: Es gibt im Augenblick keine aktuellen Fähigkeiten in Nordkorea und im Iran, mit weitreichenden interkontinentalen Raketen Europa und die USA zu gefährden. Zunächst mal muss sicherlich alles getan werden im Bereich der Nichtweitergabe von solchen Technologien, dass diese Länder erst gar nicht in die Situation kommen. Das ist das, was in den nächsten Jahren aktuell ansteht. Die zweite Frage, die dann allerdings zu klären ist: Fühlen wir uns bedroht, und ist es von der Priorisierung so ein hochrangiges Projekt, dass wir dies so weit nach oben setzen, und das Geld wird man immer nur einmal ausgeben können, und dafür bereit sind, andere Projekte dann auch weiter nach hinten zu nehmen? Da würde ich nach meinem heutigen Kenntnisstand sagen, nein, es hat nicht die herausragende Priorität in der Frage unserer Sicherheit, dass wir nicht in erster Linie durch interkontinentale Raketen, auch südliches Europa ist nicht in erster Linie bedroht durch Raketen aus dem Iran. Also ich wäre hier dann in der Sache sehr skeptisch. Eines wäre falsch: dieses Raketensystem nur deshalb in der NATO zu installieren, damit Amerika dies nicht alleine oder zusammen mit Partnern tut. Das wäre keine sicherheitspolitische Begründung, sondern wäre eigentlich eine Begründung eher in der Diplomatie. Dies wäre mir deutlich zu wenig. Es kann nur sicherheitspolitisch notwendig sein oder nicht am Ende.

    Durak: Dann gibt es doch eigentlich aus Ihrer Sicht, aus dem, was Sie jetzt gesagt haben, gar keine Begründung für dieses System?

    Arnold: Wir sehen im Augenblick in der Risikoanalyse nicht, dass wir im hohen Maß gefährdet sind und hier mit technologischen Vorrichtungen, die im Übrigen ja auch noch nicht einsatzfähig sind im Sinn von absoluter Verlässlichkeit, es gibt ja keinen absoluten Schutz, dass wir hier uns diesem Weg nähern, sehen wir im Augenblick nicht. Und ich habe auch den Eindruck, dass die Kollegen der Union dies, was die Gefährdungslage anbelangt, ähnlich analysieren.

    Durak: Und auch was die Verhandlungslage mit den Amerikanern betrifft?

    Arnold: Ja, sie wollen eher nicht, dass Europa hier wieder gespalten werden kann. Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn unser Ansatz stimmt, dass wir das am Ende nicht brauchen, dann müssen wir im Zweifelsfall auch akzeptieren, dass andere, die sagen, sie wollen das haben, ihre Entscheidungen treffen. Also ich würde dann, wenn die Vereinigten Staaten diesen Dialog fair und offen geführt haben, am Ende die Vereinigten Staaten auch nicht dafür kritisieren, dass sie dann selbst national aus ihrer Sicht andere Entscheidungen treffen. Dies gehört dann auch zur Fairness, dass wir dies akzeptieren am Ende.

    Durak: Das heißt, Sie wollen diskutieren, bis die Amerikaner dann sagen, es ist uns egal, was Europa dazu sagt, und stationiert?

    Arnold: Das sagen sie ja im Grunde genommen ein gutes Stück weit heute schon, weil es ihnen ja zu langsam ging, wie sich die NATO des Themas angenährt hat. Wir wollen vor allen Dingen solange diskutieren, bis überzogene Ängste der russischen Partner abgebaut sind. Dies halten wir wirklich für sehr, sehr wichtig, und dieser Mühe muss sich Amerika natürlich schon auch unterziehen. Das müssen wir verlangen.

    Durak: Wie wollen Sie denn Russland mit einbeziehen unter Umständen?

    Arnold: Also zunächst mal ist sicherlich noch mal ganz deutlich auf den Tisch zu legen, dass das von Amerika geplante System nicht so ohne Weiteres durch technologischen Umbau gegen Russland gerichtet werden kann. Das ist sicherlich nicht so geplant, aber die Russen werden fragen, kann man dies nicht auch ändern? Ich denke, es ist schon mal eine quantitative Frage, mit diesem relativ kleinen Schutzschild. Mit dieser relativ kleinen Zahl von Abfangraketen kann man nicht gegenüber dem russischen Arsenal ernsthaft Sicherheit schaffen. Aber man muss das mit den Russen, auch mit ihrer Geschichte und ihren Sensibilitäten sicherlich diskutieren. Und das Zweite wäre dann: Würde dann eine Bedrohungssituation insgesamt für Europa entstehen, gibt es natürlich in Europa keine geteilte Sicherheit. Dann hätte wir insgesamt ein Interesse daran, dass Russland mit einbezogen wird.

    Durak: Ein Wort noch zur SPD: Steht sie der Union eher zur Seite oder im Rücken, um sie vorwärts zu schubsen?

    Arnold: Wir stehen der CDU sehr zur Seite, wenn es darum geht, in den internationalen Gremien eine transparente Diskussion zu führen.

    Durak: Ist das eine Koalitionsspaltungsfrage?

    Arnold: Nein. Die Koalition wird nicht an so einer Frage letztendlich scheitern. Da sehe ich also überhaupt kein Risiko in dieser Frage.

    Durak: Ein Nein, das sich in Diskussionen verliert?

    Arnold: Nein, weil diese Machbarkeitsstudie der NATO natürlich mit ihren 10.000 Seiten viele weitere Fragen erst stellen wird, die am Ende dieser Legislaturperiode gar nicht allesamt zu beantworten sein werden. Also für die Koalition selbst sehe ich hier überhaupt kein Risiko.

    Durak: Weil die Probleme ja bis 2009 noch gar nicht sozusagen zu Ende entschieden werden müssen?

    Arnold: Weil sie nicht so aktuell sind, wie manche vermuten, und ich sagte es schon, weil wir am Ende im Zweifelsfall auch akzeptieren müssen, dass die Vereinigten Staaten ihre Entscheidungen treffen.

    Durak: Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war das. Er ist auch Mitglied des außenpolitischen Ausschusses. Danke für das Gespräch, Herr Arnold.

    Arnold: Schönen guten Tag noch, dank auch.