Freitag, 29. März 2024

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Arsenrisiko in Pakistan
Die unsichtbare Gefahr im Trinkwasser

Giftiges Arsen im Trinkwasser bedroht mehr als 50 Millionen Menschen in Pakistan, haben Schweizer Forscher herausgefunden. "Unsere Studie zeigt, dass es großflächige Probleme speziell im Indus-Tal gibt", warnt Michael Berg vom Wasserforschungsinstitut Eawag im Dlf. Bewässerung könnte das Problem noch verschärfen.

Michael Berg im Gespräch mit Arndt Reuning | 24.08.2017
    Eine pakistanische Frau füllt Gefäße mit Trinkwasser an einem Brunnen.
    Eine pakistanische Frau füllt Gefäße mit Trinkwasser an einem Brunnen. (AFP/Arif Ali)
    Arndt Reuning: Arsen - das ist ein Gift, das vor allem in altmodischen Krimis vorkommt, könnte man denken. Tatsache ist aber: Arsenverbindungen bedrohen die Gesundheit vieler Menschen auf allen fünf Kontinenten. Denn arsenhaltige Mineralien schlummern ganz natürlicherweise in den Sedimenten des Erdbodens und können durch Verwitterung in das Grundwasser gelangen. Rund 150 Millionen Menschen weltweit sind von Grundwasser abhängig, das zu viel Arsen enthält, schätzt die WHO. Wie stark einzelne Regionen betroffen sind, ist aber oft gar nicht bekannt. Im Fachmagazin "Science Advances" präsentieren nun Forscher erstmals eine umfassende Karte, die das Arsenrisiko in Pakistan abbildet. Mit einem der Autoren habe ich vor der Sendung telefoniert, mit Dr. Michael Berg vom schweizerischen Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf. Ich wollte von ihm wissen, wie stark das Grundwasser in Pakistan mit Arsen aus der Natur kontaminiert ist.
    Michael Berg: Unsere Studie zeigt, dass es doch ziemlich großflächige Probleme gibt, speziell im Indus-Tal. In den ganzen Ebenen kann man eigentlich aus unseren Untersuchungen sehen, dass da ein erhöhtes Risiko besteht, dass eben das Grundwasser mit Arsen kontaminiert ist.
    Reuning: Deutlich höher, als man bisher dachte?
    Berg: Nicht höher, aber größere Gebiete betroffen. Bislang gab es doch einige, vielleicht ein gutes Dutzend Studien, die in den letzten vielleicht zwölf Jahren erhoben wurden. Die haben sich aber zumeist auf sehr lokale Gebiete fokussiert, vielleicht zwei, drei Dörfer. Und so ist das ganze Ausmaß eigentlich gar nicht bekannt gewesen. Wir haben nun das ganze Land eigentlich abgedeckt und eine Studie gemacht, um über das ganze Gebiet, nicht nur im Indus-Tal, auch alle anderen Gebiete in Pakistan, um da abzuschätzen, ob ein Risiko besteht oder nicht.
    Karte gibt Wahrscheinlichkeit an
    Reuning: Also Sie haben jetzt so eine Art Landkarte erstellt, auf der sich dieses Arsen-Risiko für ganz Pakistan ablesen lässt?
    Berg: Das ist richtig.
    Reuning: Wie kann diese Karte dabei helfen, die Situation vor Ort zu verbessern?
    Berg: Die Karte ist natürlich nur ein Indikator. Das ist eine modellierte Karte, die wurde aufgrund von dem ganzen wissenschaftlichen Hintergrund statistisch modelliert. Die gibt jetzt nur eine Wahrscheinlichkeit wieder, ob ein Potenzial besteht oder nicht. Und das wiederum ist natürlich ein wichtiges Werkzeug für die Behörden oder für verschiedene Organisationen, die im Wassersektor tätig sind, um zu sagen, okay, da sollten wir zuerst einmal aufpassen, und bevor wir einen Brunnen bauen, sollten wir genau schauen, ob das Wasser dann nun wirklich kontaminiert ist oder nicht.
    Arsen global gleichmäßig verteilt
    Reuning: Müssten denn die Brunnen, die bereits existieren, nicht auch alle einzeln untersucht werden? Ich könnte mir vorstellen, dass das Risiko sehr inhomogen verteilt ist.
    Berg: In diesem Indus-Tal zeigen unsere Untersuchungen, dass eigentlich die Wahrscheinlichkeit zwischen 70 und 80 Prozent liegt, dass ein Brunnen kontaminiert ist. Natürlich ist es sehr gut, wenn die Regierung ein Programm macht, um jeden Brunnen quasi auf Wasserqualität zu untersuchen, aber es dauert doch relativ lange. Ich würde sagen, viel wichtiger wäre, dann eben doch sich zu entscheiden, das Wasser auch richtig aufzubereiten, also dass man da Strategien entwickelt, um das Wasser vielleicht zu reinigen oder alternative Wasserquellen zu erschließen.
    Reuning: Lässt solch eine Karte, wie Sie sie nun erstellt haben, denn auch Rückschlüsse darauf zu, wo besonders viel Arsenverbindungen, arsenhaltige Mineralien im Boden lagern?
    Berg: Nein, das auf jeden Fall nicht. Das Arsen ist eigentlich doch global sehr gleichmäßig verteilt, einigermaßen. Es sind aber die chemischen Bedingungen, die unter Umständen eben dazu führen, dass dieses Arsen aus den Mineralien und aus den Sedimenten herausgelöst wird.
    Landwirtschaft als Problemträger vermutet
    Reuning: Welche chemischen Bedingungen sind das in Pakistan?
    Berg: Der Oberboden in dem spezifischen Fall hier ist ein bisschen alkalisch, und die Felder werden dann ja alle bewässert, und dieses Bewässerungswasser versickert dann durch diesen Oberboden, kann Arsen unter diesen alkalischen Bedingungen freisetzen und dann eben mit ins Grundwasser transportieren.
    Reuning: Heißt das dann auch im Umkehrschluss, dass die Landwirtschaft zu dem Problem mit beiträgt?
    Berg: Das ist eine Vermutung, die wir einfach mal in den Raum stellen, dass man das genauer untersuchen muss, ob das wirklich eine Rolle spielt. Wir sind zu diesem Schluss gekommen aufgrund unserer statistischen Auswertung. Da sieht man einfach, dass ein starker Zusammenhang besteht zwischen den Gebieten, die bewässert sind, und eben auch den erhöhten Boden-PH und die Arsen-Konzentration. Das ist eigentlich sehr wichtig, dass man das jetzt abklärt, ob dieser Zusammenhang wirklich besteht. Und wenn dann die Landwirtschaft einen zusätzlichen Einfluss auf diese erhöhten Arsen-Konzentrationen in den Grundwässern hat, müsste man sich überlegen, was da zu tun wäre.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.