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Artensterben
Studie dokumentiert massiven Insektenschwund

Als „niederschmetternd“ bezeichnet Forscher Wulf Gatter das Ergebnis seiner in den 70er-Jahren begonnenen Langzeitstudie auf der schwäbischen Alb zum Insektenbestand. Im Vergleich zu damals seien heute teilweise nur noch drei Prozent bestimmter Insektenarten vorhanden.

Von Katharina Thoms | 29.10.2020
Narzissen-Schwebfliege sammelt Pollen auf einer Margerite
Schwebfliegen, wie diese Narzissen-Schwebfliege, spielen unter anderem eine wichtige Rolle beim Bestäuben von Pflanzen (imago/blickwinkel/W. Willner)
Um welche Insektenarten geht es?
Die Studie beschäftigt sich vor allem mit verschiedene Arten von Schwebfliegen. Diese werden seit den 1970er-Jahre an der Forschungsstation Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb gezählt, wenn sie im Spätsommer/Herbst Richtung Süden wandern. Beide dabei angewandten Methoden haben einen massiven Rückgang der Schwebfliegen-Populationen festgestellt, um 97 beziehungsweise 90 Prozent. Auch bei der Zählung anderer Insekten, etwa Waffenfliegen oder Schlupfwespen, stellte man einen fast ähnlich starken Schwund fest.
Wie wurde die Insekten erfasst und von wem?
Hauptinitiator der Studie ist der studierter Förster Wulf Gatter, der die Forschungsstation Randecker Maar ehrenamtlich und spendenbasiert errichtet hat. Dort, in einem ehemaligen Vulkankegel, beobachtete und dokumentierte Gatter von Anfang der 1970-Jahre bis in die 80er hinein die Wanderungsbewegung von Insekten und Schwebfliegen. Nach einer längeren Pause begann er vor sieben Jahren wieder mit der Zählung und kam dann beim Vergleich mit den alten Daten zu erschreckenden Ergebnissen.
Das Randecker Maar eignet sich aufgrund seiner Lage und Ausrichtung sehr gut für die Beobachtung der nach Süden wandernden Insekten. Gezählt wurde mit bloßem Auge und mit Fangnetzen.
Wie aussagekräftig ist das Ergebnis der Studie?
Für die Forscher ist die Studie sehr aussagekräftig, da die Beobachtungen über einen sehr langen Zeitraum erfolgten. Tatsächlich gab es bislang keine ähnliche Studie, die einen so großen Zeitraum mit einer konstanten Methode erfasst hat. Gerade aufgrund des langen Zeitraums, in dem sich jahresabhängige Schwankungen nivellieren und aufgrund der Deutlichkeit der Ergebnisse, folgern die Forscher, dass es insgesamt ein Problem gibt. Dafür spricht auch, dass die Schwebfliegen wandernde Insekten sind und der Rückgang damit kein lokales Phänomen ist.
Die Dimension des Rückgangs wird anhand er konkreten Zahlen deutlich: Im August 1972 wurden 10.000 Schwebfliegen pro Stunde am Randecker Maar gezählt, im Jahr 2017 waren es nur noch 290.
Wie ist das Fazit der Forscher?
Als "niederschmetternd" bezeichnet der Forscher Wulf Gatter das Ergebnis der Studie. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Markus Rösler, selbst früher bei den Zählungen dabei, spricht von einer Katastrophe. Insekten wie die Schwebfliegen verschwinden, weil ihr Lebensraum verschwindet und damit die Nahrung, die sie benötigen, bestimmte Pflanzen und Blumen oder Blattläuse. Als Konsequenz fordert Grünen-Politiker Rösler mehr Monitoring und stärkeres politisches Handeln, um die Lebensräume der Insekten zu erhalten.