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Artgerechte Tierhaltung über das Baurecht

Anders als Otto-Normalverbraucher dürfen Landwirte im Außenbereich von Dörfern oder Städten bauen. Ein Gesetzentwurf des Bundesbauministeriums will Kommunen und Anwohnern nun mehr Mitsprache einräumen. Beim Deutschen Bauernverband stößt dies auf wenig Gegenliebe.

Von Dieter Nürnberger | 31.01.2012
    Es geht ganz konkret um den Paragrafen 35 des Baugesetzbuches: Hier sind besondere Privilegien formuliert, die unter anderem Landwirten, Investitionsmöglichkeiten in Wirtschaftsgebäude, also auch Ställe im unbeplanten Außenbereich – wie es im Behördendeutsch heißt – erleichtern. Und da sich die schwarz-gelbe Koalition bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung auf eine Novelle verständigt hatte, lag nun ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesbauministerium vor.

    Dieser Entwurf einer Gesetzesnovelle wurde allerdings vom ebenfalls beteiligten Agrarministerium wieder kassiert. Doch genau an diesem gesetzlichen Hebel des Baurechts hatten Umweltschützer und Gegner der Massentierhaltung große Hoffnungen gesetzt. Denn der Entwurf des Bauministeriums hätte bedeutet, dass die Genehmigung von Massentierhaltung künftig schwieriger geworden wäre. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Hacker von der SPD, sitzt im zuständigen Ausschuss für Verkehr- Bau- und Stadtentwicklung. Er erklärt warum.

    "Dann würde im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht werden – beispielsweise anhand der Kriterien, Abluft, Gülle, Zahl der Tiere oder auch anderer Aspekte. Somit müsste eine Abwägung erfolgen. Fiele diese Abwägung negativ aus, dann könnt sich ein potenzieller Investor nicht mehr darauf berufen, dass seine Investitionsmaßnahme durch geltendes Recht – Paragraf 35 – Bauen im Außenbereich – privilegiert ist."

    Im Grunde, so der SPD-Abgeordnete, hätte der Entwurf für eine Gesetzesnovelle eine Vorzugsbehandlung der Investoren, das sogenannte Landwirtschaftsprivileg, erheblich eingeschränkt.

    Das Ganze wird übrigens schon seit Jahren diskutiert, und die Formulierungen des Paragrafen 35 waren auch schon in der Vergangenheit Anlass für juristischen Streit. Allerdings konnten Kommunen bislang nur in Einzelfällen Massentierhaltungen vor Ort damit oder dadurch verhindern.

    Einer Änderung des Baurechts steht beispielsweise der Deutschen Bauernverband entgegen. Zusätzliche Einschränkungen lehnt Präsident Gerd Sonnleitner ab. Er äußerte sich dazu bereits auf der am Sonntag zu Ende gegangenen Grünen Woche in Berlin.

    "Nicht akzeptabel ist für uns, dass das Baugesetzbuch mit der Ausnahmeregelung für Landwirte, die im Außenbereich investieren wollen, jetzt aufgeweicht werden soll. Hier scheint es ein Einlenken im Bauministerium zu geben. Die Position des SPD-Vorsitzenden kann ich dagegen überhaupt nicht akzeptieren: Er hat ja gesagt, dass Massentierhaltungen mit ihren Bauten weg müssen und auch nicht mehr genehmigt werden dürfen."

    Im Bundesagrarministerium verweist man auf weiteren Beratungsbedarf. Ilse Aigner, die zuständige Ministerien, will künftig generell auch eine tiergerechtere Landwirtschaft erreichen, dazu stellte sie auf erst kürzlich eine Charta für Landwirtschaft und Verbraucher vor. Allerdings will sie dies wohl nicht über Änderungen beim Baurecht erreichen.

    Das Thema bleibt auf jeden Fall auf der politischen Agenda, denn es gibt derzeit parallel zu dieser Auseinandersetzung, auch eine Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Auch hier soll es um eine Ergänzung im Baugesetzbuch gehen – damit Großmastanlagen künftig einfacher vor Ort in den Gemeinden verhindert werden können.