Elke Durak: Auch mit dem folgenden Interview bleiben wir beim Thema Nahost und wie ist ein Frieden dort zu erreichen. Sie haben es in den Nachrichten gewiss gehört: US-Präsident Barack Obama hat auch seine Nahost-Politik, seine künftige, skizziert. Er plane aktive und aggressive Schritte, so wird er zitiert, für einen Frieden im Nahen Osten. Die USA stünden dabei hinter den Sicherheitsbedürfnissen Israels. Zugleich sei aber eine Zukunft ohne Hoffnung für die Palästinenser inakzeptabel. Ziel sei eine Zwei-Staaten-Lösung. Das ist das Fernziel. Nahziel ist dies: Obama hat Israel zur Öffnung der Grenzübergänge zum Gazastreifen aufgefordert. Internationale Hilfe müsste ermöglicht werden, Hilfsmaßnahmen müssten Unschuldige erreichen können und auch Handel müsse wieder möglich sein. Das sagte der US-Präsident gestern Abend unserer Zeit. In dieser Woche hatten ja die EU-Außenminister in Brüssel ihre israelische Amtskollegin Tzipi Livni empfangen und mit ihr gesprochen. Luxemburgs Außenminister und Vizepremier Jean Asselborn war dabei. Ich habe mit ihm gestern im Laufe des Tages, also vor den Erklärungen Obamas, gesprochen und ich habe ihn zunächst gefragt, worin denn eigentlich der Fortschritt des Treffens mit der israelischen Außenministerin in Brüssel liegt.
Jean Asselborn: Wir haben Tzipi Livni gesehen, wir werden am Sonntag die Araber und die Palästinenser sehen, wir werden am Montag ein Außenministertreffen haben, wo wir Entschlüsse fassen. Bei Tzipi Livni will ich sagen, mit dem Positiven anfangen, für humanitäre, sagen wir die Hilfe für Lebensmittel, für medizinische Hilfe, für Gas, für Strom, für Wasser und so weiter hat Livni gesagt, dass die israelische Regierung hundertprozentig kooperieren will, die Türen groß öffnen will von Gaza. Das ist wenigstens der politische Wille bekundet, das zu tun. Ob das in der Praxis so ist, haben aber einige Länder, die vor Ort sind, angezweifelt, aber immerhin war hier der politische Wille hundertprozentig. Wo es klemmt und was für uns - und da sage ich, dass wir alle in der Europäischen Union an einem Strang gezogen haben - wichtig ist: Gaza, diese Bombe, wenn ich das mal so sagen darf, wo Menschen auf engstem Raum, 1,4 Millionen unter Perspektiven leben müssen, die keine Perspektiven sind, die demotiviert sind, die unter schwierigsten Konditionen fast wie in einem Gefängnis zu leben haben, hier ist zurzeit nicht zu sehen, dass Israel bereit ist, eine Öffnung zu tun.
Durak: Sie haben betont "mit einer Stimme". Das gibt mir die Gelegenheit nachzufragen. Man hatte ja den Eindruck in den vergangenen Wochen, vielleicht auch Monaten, dass Europa sehr, sehr viele Stimmen hat, sehr, sehr viele potente Politiker, die sich in Nahost engagiert haben. Zurück bleibt aber eher ein Bild der Vielstimmigkeit. Von Kakophonie war auch die Rede. Wenn es denn jetzt bei Ihrem Treffen ein geschlossenes Auftreten gab, wie kann man diese Geschlossenheit bewahren? Gibt es da Vorstellungen?
Asselborn: In der Substanz glaube ich, dass wir seit dem 30. Dezember immer geschlossen waren, und wir waren gestern geschlossen in der Substanz. Das ist das wichtigste. In der Form haben Sie komplett Recht. Man hat den Eindruck, wenn ein großes Land die Präsidentschaft zu garantieren hat, dann ist einer, der spricht. Wenn es ein kleineres Land ist, wie jetzt die Tschechische Republik, dann sieht man, dass noch andere Menschen, die politische Verantwortung in Europa haben, sich darum scharen, und wir müssen aufpassen - wir sind ja zwar in Luxemburg ein Großherzogtum, trotzdem ein kleineres Land in der Europäischen Union -, dass sich nicht das Direktoriumsgehabe durchsetzt, dass Europa nur noch repräsentiert wird von den Großen. Das wäre sehr, sehr schlimm. Und in der Form sage ich Ihnen das auch: Ich hoffe, dass die Troika - das heißt, das ist die Präsidentschaft und die zukünftige Präsidentschaft, Schweden, es ist Solana und es ist die Kommission, Benita Ferrero-Waldner zurzeit -, dass die die Entscheidungen treffen. In Europa gibt es eine Regel: Entweder es ist die Troika, oder es sind die 27 zusammen. Das ist vielleicht wichtig, aber unwichtig in der Substanz. Darum: Gestern haben wir wirklich gezeigt, dass wir den Israelis eine ganz klare Message gegeben haben, einen ganz klaren Auftrag gegeben haben und gesagt haben, politisch ist dieser Konflikt nicht lösbar, auch mit dem besten Willen der Europäer, wenn ihr nicht Gaza öffnet.
Durak: Welche Veranlassung hätte denn Israel, den Europäern zu folgen? Bisher ist Israel eher den Amerikanern gefolgt. Um es anders zu formulieren: Welchen Einfluss hat Europa, hat die EU wirklich im Nahost-Konflikt?
Asselborn: Man muss ja auch manchmal Klartext reden. Für mich spielt Amerika selbstverständlich die wichtigste Rolle. Amerika spielt in der Bundesliga und wir Europäer spielen in der zweiten Liga. Das stimmt so. Der Einfluss der Amerikaner auf Israel ist ungleich größer als der Einfluss der Europäer auf Israel. Ich bin überzeugt, dass Obama auch sehr schnell das sehen wird und auch Hillary Clinton und dass wir hier auch sagen wir mal in dem Wesentlichen vorankommen. Wir müssen den Israelis vielleicht ein wenig jetzt Zeit geben. Die haben Wahlen am 10. Februar. Aber allzu viel Zeit haben wir nicht, dass hier das kapitale, das, was wirklich die Substanz noch einmal angeht, dass die Menschen nicht unter diesen Bedingungen leben können, zur Sprache kommt. Wenn Israel den Moderaten helfen will, sowohl auf arabischer Seite wie auf palästinensischer Seite, dann muss das Leben der Menschen in Gaza wie in der Westbank sich ändern, verbessern. Und wenn die eingesperrt bleiben und wenn immer nur gesagt wird, Hamas, Hamas, Hamas darf nicht legitimiert werden, Hamas ist eine terroristische Organisation, das wissen wir alle. Aber Hamas wird wirklich der Sieger werden, wenn Gaza zu bleibt, und Hamas wird die Menschen in Gaza als Geiseln behalten. Das müssen wir evitieren und das zweite, was dabei ist, das müssen wir verhindern. Das zweite, was dabei ist, ist wirklich: Wenn Gaza in dieser Form bleibt, wird Israel nie Sicherheit bekommen.
Durak: Ist die Lösung, was Gaza betrifft, nur über die Hamas möglich? Darf die EU sich jeglichem Kontakt verweigern?
Asselborn: Die EU muss jetzt alles tun, damit Präsident Abu-Masen eine Regierung des Konsenses fertig bringen kann, das heißt die Rekonziliation, die Konsensfähigkeit, das wieder Zusammenwachsen des palästinensischen Volkes, dass das zu Stande kommen kann. Das geht aber auch nur mit Hilfe von Israel, dass Anzeichen gesetzt werden, dass es sich lohnt, wieder eine palästinensische Regierung zu haben, die nicht nur in der Westbank vertreten ist, sondern auch in Gaza und das ganze palästinensische Volk vertreten kann.
Durak: Herr Asselborn, viele Jahre lang hat die EU Gelder in die palästinensischen Gebiete gegeben, immer und immer wieder, und immer und immer wieder sind Gebäude, Infrastruktur, ist alles mögliche zerstört worden in den kriegerischen Auseinandersetzungen. Wie lange noch können die europäischen Staaten ihren Steuerzahlern das vermitteln?
Asselborn: Ganz klar! Wenn wir nicht helfen als Europäische Union, werden andere helfen. Ich will nicht, dass der Iran wieder Gaza aufbaut, denn sonst ist Gaza definitiv verloren. Wir müssen uns also einbringen als Europäische Union und zeigen, dass das, was wir aufgebaut haben, dass wir auch fähig sind, diese Geste zu tun. Allerdings muss man ganz klar sehen: Hier muss Israel auch Verantwortung übernehmen. Gestern hat Außenminister Steinmeier mir gesagt, auch im deutschen Parlament werden diese Fragen gestellt. In Schweden werden sie gestellt, in Luxemburg werden sie gestellt, überall. Wenn Geld vom Steuerzahler wieder investiert wird - und wir müssen investieren, eben wegen der Menschen in Gaza -, kann ich mir nicht vorstellen, dass dann aber auch nicht Verantwortung übernommen wird auch von israelischer Seite und dass man das nicht nur dann der anderen Seite überlassen kann.
Durak: Ich danke Ihnen, Herr Asselborn, für das Gespräch.
Jean Asselborn: Wir haben Tzipi Livni gesehen, wir werden am Sonntag die Araber und die Palästinenser sehen, wir werden am Montag ein Außenministertreffen haben, wo wir Entschlüsse fassen. Bei Tzipi Livni will ich sagen, mit dem Positiven anfangen, für humanitäre, sagen wir die Hilfe für Lebensmittel, für medizinische Hilfe, für Gas, für Strom, für Wasser und so weiter hat Livni gesagt, dass die israelische Regierung hundertprozentig kooperieren will, die Türen groß öffnen will von Gaza. Das ist wenigstens der politische Wille bekundet, das zu tun. Ob das in der Praxis so ist, haben aber einige Länder, die vor Ort sind, angezweifelt, aber immerhin war hier der politische Wille hundertprozentig. Wo es klemmt und was für uns - und da sage ich, dass wir alle in der Europäischen Union an einem Strang gezogen haben - wichtig ist: Gaza, diese Bombe, wenn ich das mal so sagen darf, wo Menschen auf engstem Raum, 1,4 Millionen unter Perspektiven leben müssen, die keine Perspektiven sind, die demotiviert sind, die unter schwierigsten Konditionen fast wie in einem Gefängnis zu leben haben, hier ist zurzeit nicht zu sehen, dass Israel bereit ist, eine Öffnung zu tun.
Durak: Sie haben betont "mit einer Stimme". Das gibt mir die Gelegenheit nachzufragen. Man hatte ja den Eindruck in den vergangenen Wochen, vielleicht auch Monaten, dass Europa sehr, sehr viele Stimmen hat, sehr, sehr viele potente Politiker, die sich in Nahost engagiert haben. Zurück bleibt aber eher ein Bild der Vielstimmigkeit. Von Kakophonie war auch die Rede. Wenn es denn jetzt bei Ihrem Treffen ein geschlossenes Auftreten gab, wie kann man diese Geschlossenheit bewahren? Gibt es da Vorstellungen?
Asselborn: In der Substanz glaube ich, dass wir seit dem 30. Dezember immer geschlossen waren, und wir waren gestern geschlossen in der Substanz. Das ist das wichtigste. In der Form haben Sie komplett Recht. Man hat den Eindruck, wenn ein großes Land die Präsidentschaft zu garantieren hat, dann ist einer, der spricht. Wenn es ein kleineres Land ist, wie jetzt die Tschechische Republik, dann sieht man, dass noch andere Menschen, die politische Verantwortung in Europa haben, sich darum scharen, und wir müssen aufpassen - wir sind ja zwar in Luxemburg ein Großherzogtum, trotzdem ein kleineres Land in der Europäischen Union -, dass sich nicht das Direktoriumsgehabe durchsetzt, dass Europa nur noch repräsentiert wird von den Großen. Das wäre sehr, sehr schlimm. Und in der Form sage ich Ihnen das auch: Ich hoffe, dass die Troika - das heißt, das ist die Präsidentschaft und die zukünftige Präsidentschaft, Schweden, es ist Solana und es ist die Kommission, Benita Ferrero-Waldner zurzeit -, dass die die Entscheidungen treffen. In Europa gibt es eine Regel: Entweder es ist die Troika, oder es sind die 27 zusammen. Das ist vielleicht wichtig, aber unwichtig in der Substanz. Darum: Gestern haben wir wirklich gezeigt, dass wir den Israelis eine ganz klare Message gegeben haben, einen ganz klaren Auftrag gegeben haben und gesagt haben, politisch ist dieser Konflikt nicht lösbar, auch mit dem besten Willen der Europäer, wenn ihr nicht Gaza öffnet.
Durak: Welche Veranlassung hätte denn Israel, den Europäern zu folgen? Bisher ist Israel eher den Amerikanern gefolgt. Um es anders zu formulieren: Welchen Einfluss hat Europa, hat die EU wirklich im Nahost-Konflikt?
Asselborn: Man muss ja auch manchmal Klartext reden. Für mich spielt Amerika selbstverständlich die wichtigste Rolle. Amerika spielt in der Bundesliga und wir Europäer spielen in der zweiten Liga. Das stimmt so. Der Einfluss der Amerikaner auf Israel ist ungleich größer als der Einfluss der Europäer auf Israel. Ich bin überzeugt, dass Obama auch sehr schnell das sehen wird und auch Hillary Clinton und dass wir hier auch sagen wir mal in dem Wesentlichen vorankommen. Wir müssen den Israelis vielleicht ein wenig jetzt Zeit geben. Die haben Wahlen am 10. Februar. Aber allzu viel Zeit haben wir nicht, dass hier das kapitale, das, was wirklich die Substanz noch einmal angeht, dass die Menschen nicht unter diesen Bedingungen leben können, zur Sprache kommt. Wenn Israel den Moderaten helfen will, sowohl auf arabischer Seite wie auf palästinensischer Seite, dann muss das Leben der Menschen in Gaza wie in der Westbank sich ändern, verbessern. Und wenn die eingesperrt bleiben und wenn immer nur gesagt wird, Hamas, Hamas, Hamas darf nicht legitimiert werden, Hamas ist eine terroristische Organisation, das wissen wir alle. Aber Hamas wird wirklich der Sieger werden, wenn Gaza zu bleibt, und Hamas wird die Menschen in Gaza als Geiseln behalten. Das müssen wir evitieren und das zweite, was dabei ist, das müssen wir verhindern. Das zweite, was dabei ist, ist wirklich: Wenn Gaza in dieser Form bleibt, wird Israel nie Sicherheit bekommen.
Durak: Ist die Lösung, was Gaza betrifft, nur über die Hamas möglich? Darf die EU sich jeglichem Kontakt verweigern?
Asselborn: Die EU muss jetzt alles tun, damit Präsident Abu-Masen eine Regierung des Konsenses fertig bringen kann, das heißt die Rekonziliation, die Konsensfähigkeit, das wieder Zusammenwachsen des palästinensischen Volkes, dass das zu Stande kommen kann. Das geht aber auch nur mit Hilfe von Israel, dass Anzeichen gesetzt werden, dass es sich lohnt, wieder eine palästinensische Regierung zu haben, die nicht nur in der Westbank vertreten ist, sondern auch in Gaza und das ganze palästinensische Volk vertreten kann.
Durak: Herr Asselborn, viele Jahre lang hat die EU Gelder in die palästinensischen Gebiete gegeben, immer und immer wieder, und immer und immer wieder sind Gebäude, Infrastruktur, ist alles mögliche zerstört worden in den kriegerischen Auseinandersetzungen. Wie lange noch können die europäischen Staaten ihren Steuerzahlern das vermitteln?
Asselborn: Ganz klar! Wenn wir nicht helfen als Europäische Union, werden andere helfen. Ich will nicht, dass der Iran wieder Gaza aufbaut, denn sonst ist Gaza definitiv verloren. Wir müssen uns also einbringen als Europäische Union und zeigen, dass das, was wir aufgebaut haben, dass wir auch fähig sind, diese Geste zu tun. Allerdings muss man ganz klar sehen: Hier muss Israel auch Verantwortung übernehmen. Gestern hat Außenminister Steinmeier mir gesagt, auch im deutschen Parlament werden diese Fragen gestellt. In Schweden werden sie gestellt, in Luxemburg werden sie gestellt, überall. Wenn Geld vom Steuerzahler wieder investiert wird - und wir müssen investieren, eben wegen der Menschen in Gaza -, kann ich mir nicht vorstellen, dass dann aber auch nicht Verantwortung übernommen wird auch von israelischer Seite und dass man das nicht nur dann der anderen Seite überlassen kann.
Durak: Ich danke Ihnen, Herr Asselborn, für das Gespräch.