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AstraZeneca
Briten fürchten um Einfluss in der Pharmaforschung

Großbritannien sorgt sich um die Zukunft seiner Pharmaforschung, denn der US-Pharmariese Pfizer möchte das britische Unternehmen AstraZeneca übernehmen. Pfizer hat sein Angebot auf fast 100 Milliarden Euro erhöht. Kritiker fürchten, Großbritannien könne durch die Übernahme seine Führungsrolle verlieren.

Von Jochen Spengler |
    Das Firmenschild des Pharmaunternehmens AstraZeneca
    AstraZeneca könnte vom US-Konzern Pfizer übernommen werden (picture alliance / Drago Prvulovic)
    Es wäre die größte Firmenübernahme in der britischen Geschichte durch ein ausländisches Unternehmen. Am Ende entstünde der größte Pharma-Konzern der Welt. Noch aber zieren sich die Briten. Das 72-Milliarden Euro Angebot, das der US-Pharma-Riese Pfizer bereits im Januar abgegeben habe, sei, so teilte das AstraZeneca-Management in London mit, klar zu niedrig. Pfizer erklärte, man habe angeboten, die Aktie von AstraZeneca mit 46,61 Pfund zu bewerten, was einem Kursaufschlag von etwa 30 Prozent entsprach. Insgesamt wollte der US-Konzern in Aktien und in Bar 59 Milliarden Pfund auf den Tisch legen oder 100 Milliarden Dollar.
    "Die Aktionäre von AstraZeneca werden sich die Stellungnahme gut anschauen; sie ist fast wie ein Liebesbrief an die AstraZeneca Besitzer, der besagt: Ihr bekommt eine Menge mehr Geld, wenn wir die Partnerschaft schließen", kommentiert BBC-Wirtschaftsexperte Kamal Ahmed.
    Doch das AstraZeneca-Management zeigt den US-Interessenten heute wie offenbar schon im Januar die kalte Schulter. Ein Problem, so heißt es in London, sei der hohe Anteil von Pfizer-Aktien als "Währung" für die Zahlung des Kaufpreises. Stattdessen unterstreicht der britische Konzern, man glaube unverändert an eine erfolgreiche Zukunft als eigenständiges Unternehmen; obgleich der Gewinn im ersten Quartal dieses Jahres eingebrochen ist.
    Suche nach neuen Produkten
    Doch AstraZeneca besitzt eine ganze Reihe wertvoller Anti-Krebs-Präparate, die für die US-Amerikaner interessant sein dürften. Die suchen nach lukrativen Produkten, da demnächst der Patentschutz für das von ihnen entwickelte Potenzmittel Viagra endet.
    Pfizer beschäftigt weltweit rund 90.000 Angestellte, AstraZeneca 52.000 – davon 8.000 in Großbritannien. Käme es zu einer Übernahme, dürften infolge von Effizienz- und Synergieeffekten etliche dieser Arbeitsplätze wegfallen.
    Der britische Pharma-Konzern exportiert jährlich Arzneimittel im Wert von mehr als 8,5 Milliarden Euro, das entspricht fast 3 Prozent der britischen Exporte. Ob Großbritanniens Regierung eine Übernahme verhindern könnte, ist zweifelhaft. Sie hat sich noch nicht geäußert – anders als der Wirtschaftssprecher der Labour-Opposition Chuka Umuna:
    "Ich bin nicht gegen ausländische Übernahmen.Die Frage ist, ob die Übernahme gut ist für die britische Pharmaindustrie so wie es der Kauf von Jaguar Landrover durch die indische Tata-Gruppe gut war für die Autoindustrie. Ich sage dem Pfizer-Vorstand klar: Wir werden da sehr sorgfältig drauf schauen. AstraZeneca ist eins der Kronjuwelen in der britischen Wirtschaft. Und was wir wollen ist eine Verpflichtung zu langfristigem Investment in britische Arzneimittel."
    Bis Ende Mai haben die Amerikaner Zeit, ein förmliches, nachgebessertes Angebot vorzulegen. Die Aktien von AstraZeneca legten an der Londoner Börse deutlich zu.