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Astronomie im berühmten Abendlied
Matthias Claudius und der halbe Vollmond

Gegen 22 Uhr lässt sich heute zurecht das Abendlied von Matthias Claudius anstimmen: "Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar." Denn heute und in den kommenden Nächten zieht der nur halb zu sehende Vollmond tief über den Südhimmel.

Von Dirk Lorenzen | 07.07.2017
    Der Schatten der Erde verdeckt einen Teil des Vollmonds.
    Der Schatten der Erde verdeckt einen Teil des Vollmonds. (AFP / Walter Dhladhla)
    Matthias Claudius war weniger Dichter als vielmehr Journalist und Redakteur. In den 1770er Jahren schrieb er für den "Wandsbecker Bothen". Wandsbek war damals noch ein Vorort von Hamburg.
    Matthias Claudius war bei der Zeitung für die "Gelehrten Sachen" zuständig. Dort schrieb der überzeugte Anhänger der Aufklärung über Literatur und Kunst, aber auch über Medizin, Technik und Wissenschaft. Auch sein Abendlied lässt gute Kenntnisse des Himmels erahnen. Zunächst geht es um Wald, Wiesen und Nebelschwaden in der Dämmerung.
    In der dritten Strophe wird es dann astronomisch: "Seht Ihr den Mond dort steh'n? Er ist nur halb zu seh'n, Und ist doch rund und schön." Dies mag zunächst als sachlicher Fehler erscheinen. Denn ein Halbmond geht nicht in der Dämmerung auf - er steht bei Sonnenuntergang schon am Himmel.
    Illustration "Der volle Mond ist aufgegangen" von Ludwig Richter.
    Der volle Mond ist aufgegangen, illustriert von Ludwig Richter. (Richter)
    Doch der Dichter meint hier womöglich etwas anderes: Vom Mond ist immer nur dieselbe Hälfte zu sehen - die Rückseite bleibt beim Blick von der Erde verborgen. Aber auch Matthias Claudius war klar, dass der Mond eine komplette schöne Kugel ist. Interessanterweise hat auch Ludwig Richter in seiner berühmten Illustration dieses Liedes einen vollen und keinen halben Mond dargestellt.