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Astronomie
Trügerische Signale vom Urknall

Am 10. März wurde Wissenschaftsgeschichte geschrieben. So dachten es wohl manche Kosmologen, des damals wurde über ein Echo des Urknalls berichtet. Astronomen der Harvard-Universität wollten es in Daten der kosmischen Hintergrundstrahlung entdeckt haben. Jetzt erschien der dazugehörige Fachartikel - und der ist wesentlich zurückhaltender. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen berichtet.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Lennart Pyritz | 27.06.2014
    Ein Diagramm zeigt Wirbel in der Hintergrundstrahlung.
    Die Wirbel in der Hintergrundstrahlung könnten auf die Inflationsphase nach dem Urknall zurückgehen (BICEP2-Team)
    Pyritz: Herr Lorenzen, was ist von der kosmologischen Sensationsmeldung übrig geblieben?
    Lorenzen: Ja, Herr Pyritz, das Team um John Kovac formuliert das alles auf einmal doch viel vorsichtiger. Die Forscher zeigen in diesem Fachartikel ihre Daten. Sie meinen auch weiterhin, sie hätten diese Wirbel in der kosmischen Hintergrund Strahlung..., die Spur in ihren Daten sei tatsächlich ein Hinweis auf die ersten Momente des Urknalls, auf dieses Echo des Urknalls. Allerdings räumen sie jetzt auch ein, dieses Signal könnte von anderen Effekten im Kosmos einfach nur vorgetäuscht sein.
    Pyritz: welche alternative Erklärung geben die Forscher an in ihrer Publikation?
    Lorenzen: Kurioserweise könnte ausgerechnet ganz banaler Staub in unserer Milchstraße genau so ein Wirbelsignal verursachen, wie es dieses Echo des Urteils täte, und das ist ja fast schon absurd. Da meinen dann manche Forscher, sie hätten jetzt den Anfang des Weltalls beobachtet, aber vielleicht hat Ihnen tatsächlich einfach nur winziger Staub zwischen den Sterne unserer Milchstraße einen Streich gespielt.
    Pyritz: Lässt sich so ein mögliches Störsignal durch kosmischen Staub denn nicht einfach heraus rechnen?
    Untersuchungen am beobachtbaren Rand des Universums
    Lorenzen: Das ist nicht einfach. Die Kosmologen haben hier ja das Problem, dass sie praktisch die allerletzte Kulisse weltweit untersuchen. Also, die Strahlung, die sie analysiert haben, das ist wirklich der beobachtbare Rand des Universums. Diese Strahlung musste buchstäblich durch den gesamten Kosmos hindurch und unterliegt dabei natürlich vielen Störeffekten. Die sauber zu trennen, das ist in der Tat wirklich eine Herkules Aufgabe. Dieses Team jetzt, das damals diese Sensation heischende Entdeckung verkündet hat, das hatte aber gar keine eigenen guten Staubmessungen, mit denen man diese eigenen Daten hätte abgleichen können. Und da hat man dann wirklich einen, ja doch, sehr unüblichen Weg gewählt: Man ist auf eine Tagung gegangen, da hat ein... das konkurrierende Team des Planck-Satelliten, hat dort eine Staubkarte gezeigt, die hat man einfach fotografiert und dann die Daten ausgewertet, ohne wirklich zu wissen, was genau die Planck-Daten zeigen. Das klingt ein bisschen wie Slapstick, aber das ist tatsächlich so passiert.
    Pyritz: Wie ist denn jetzt der Stand? Gibt es tatsächlich die Echos des Urknalls oder gibt es sie nicht?
    Lorenzen: Das ist jetzt wieder vollkommen offen. Klar ist: Diese im März präsentierten Messungen lassen sich allein durch Staub erklären, sie sind kein klarer Nachweis dieses Echos des Urknalls.
    Pyritz: Wie ist es denn insgesamt zu bewerten, dass die Forscher gleich an die Öffentlichkeit gegangen sind, ohne ihre Arbeit vorher von einer Fachzeitschrift oder Fachkollegen begutachten zu lassen?
    Unseriöses Verhalten
    Lorenzen: Dieses Verhalten ist dann doch recht unseriös. Sie haben zwar damals dann sofort alle Daten offen gelegt, es haben sich alle drauf gestürzt und es genau angeguckt, aber natürlich wäre es besser gewesen, es vorher begutachten zu lassen. Aber natürlich wird ihnen bewusst gewesen sein: Jeder Gutachter hätte ihn natürlich die Arbeit um die Ohren gehauen, wenn er gesehen hätte, wie sie zum Beispiel an diese Staubdaten heran kommen sind. Offensichtlich stand man unter diesem Druck, unbedingt die ersten sein zu wollen, die diese Daten veröffentlichen. Wenn sie denn gestimmt hätten und wirklich ein klarer Nachweis dieses Echos des Urknalls gewesen wären, dann wäre da vermutlich auch einmal der Nobelpreis drin gewesen. Doch nun heißt es für die Gruppe erst einmal Staub statt Stockholm.
    Pyritz: Das Aufsehen im März war über Wochen enorm. Die Kosmologen haben es weltweit in die Massenmedien geschafft. Waren wir Journalisten nicht kritisch genug?
    Lorenzen: Es waren jedenfalls sicherlich nicht alle kritisch genug. Es hält sich ja so ein bisschen hartnäckig diese falsche Einschätzung, Wissenschaftler seien immer streng objektiv, immer sachlich nüchtern. Aber das sind Menschen wie wir auch. Sie haben Stärken, sie haben Schwächen. Und bei manchen tollen Entdeckungen gucken dann sowohl Wissenschaftler als auch Journalisten vielleicht nicht mehr ganz so genau hin. Selbst Fachzeitschriften sprachen im März ja vom Beweis für die Theorie der kosmischen Inflation. Dabei sollten alle wissen: Beweise gibt es in der Naturwissenschaft gar nicht.
    Pyritz: Sie haben vorhin den Esa-Satelliten Planck angesprochen. Werden dessen Daten schließlich für Klarheit sorgen können?
    Lorenzen: Da hofft man drauf, aber man hört jetzt auch schon, das gehe wirklich nur dann, wenn diese Planck-Daten wirklich sehr gut ausfallen, dass man dann wirklich den Staub von diesem Urknallecho, so es denn existiert, klar trennen kann. Es kursieren auch schon seit Wochen irgendwie Gerüchte, die Veröffentlichung der Planck-Daten stünde unmittelbar vor. Ursprünglich hieß es mal, die seien im Oktober so weit. Klar ist, das Planck-Team lässt sich die Zeit, die es für die Analyse brauchen. Und wie wir alle wissen, jetzt neuerdings, ist es auch gut so. Schnellschüsse gehen in der Wissenschaft oft nach hinten los.