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Asylbewerber
Die Zeit des Nichtstuns nutzen

Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, werden per Gesetz neun Monate lang zum Nichtstun gezwungen, weil sie zunächst nicht arbeiten dürfen. In einem Modellprojekt bereitet Angela Touré von der Arbeitsagentur in Bremen Asylbewerber auf den schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt nach Ablauf dieser Zeit vor.

Von Franziska Rattei |
    "Hallo, Herr Fakie bitte." – "Ja, hallo, hallo Frau Touré." – "Kommen Sie rein, setzen Sie sich, wie geht's Ihnen?" – "Gut, wie geht's Ihnen?" ...
    Ein kleines Büro in der Agentur für Arbeit in Bremen. Vor dem Schreibtisch von Angela Touré steht ein Besprechungstisch. Seit März sitzt Youssef Fakie regelmäßig hier - bei der Arbeitsvermittlerin. Von ihm und rund 30 anderen Klienten weiß sie, wie es sich anfühlt, als Asylbewerber nicht arbeiten zu dürfen.
    "Sie wollten eigentlich nicht vom Staat hier leben, sie sind nicht hier her gekommen, um die Hand aufzuhalten, sondern alle wollten arbeiten und haben die Chance kaum bekommen."
    Alle wollen arbeiten
    So geht es auch Youssef Fakie. Der 34-Jährige ist aus dem syrischen Aleppo geflohen. Seit Januar lebt er in einem Flüchtlingsheim in Bremen. Als er von dem Modellprojekt für Asylbewerber hörte, war er sofort interessiert. Schnell wieder arbeiten - das ist sein Ziel.
    "Arbeit ist meine Identität. Und ich denke, wenn ich zu schnell in Arbeit zu kommen, kann ich zu schnell auch integrieren. Ich habe immer gearbeitet, und jetzt arbeite ich nicht. Ich weiß nicht... Ich denke, dass jetzt ein Teil von mir ist nicht da. Und jetzt - weiß ich nicht, was ich mache. - Nichts."
    "Nichts" ist untertrieben. Fakie ist Gaststudent an der Universität Bremen. Er möchte gut vorbereitet sein, falls er sein BWL-Studium in Deutschland beenden kann. Außerdem verbringt der junge Mann viel Zeit in der Bibliothek und liest, um sein Deutsch zu verbessern. Aber wie echte Arbeit fühlt sich das nicht an für ihn. Hier liegt der Widerspruch, sagt Angela Touré. Den Firmen fehlen Fachkräfte, ihre arbeitswilligen Klienten aber werden per Gesetz neun Monate lang zum Nichtstun gezwungen.
    "Auf der anderen Seite nutzen wir jetzt diese Zeit, wo sie noch nicht arbeiten können, natürlich, um sie jetzt in Deutschkurse zu orientieren. Wir haben ja jetzt vom Bundesministerium noch Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, die Deutschkurse sind in Planung. Die werden auch in Kürze starten, einige. Und dann eben auch die in die Anerkennungsberatung zu schicken. Das heißt, die Zeugnisse zu sichten, gucken: Sind Zeugnisse vorhanden, müssen die noch übersetzt werden. - dass das alles möglichst schon geklärt ist, wenn dann der Arbeitsmarktzugang möglich ist."
    Ortswechsel auf die andere Weserseite. Tim Kaemena arbeitet bei einem international agierenden Logistik-Unternehmen. Von seinem Büro aus sieht er drei riesige Betonklötze; Hochregallager, in denen mehrere hunderttausend Warenpaletten liegen. Täglich werden hier bis zu 70.000 Pakete mit Kaffee, Kleidung, Spielwaren und so weiter gepackt. Regelmäßig fehlen Mitarbeiter, klagt der Personalleiter für einen der drei Geschäftsbereiche des Unternehmens.
    "Das Thema demografische Entwicklung ist ja in vielen Mündern, in anderen Branchen ist er sicher schon viel stärker spürbar als heute bei uns, aber wir kommen immer mehr dahin, dass wir auch merken, dass wir zu wenig Leute haben, die das, was wir erwarten und verlangen, auch können. Insofern sind wir seit längerer Zeit dabei, uns Gedanken zu machen, wie können wir weitere Mitarbeiter, uns Gedanken zu machen, wie können wir weitere Bewerber ansprechen, um einfach den Kreis der potenziellen Kandidaten oder Mitarbeiter einfach größer zu fassen."
    Keine Berührungsänste in Bezug auf Migranten
    Schon jetzt sind Menschen aus rund 70 Nationen für das Unternehmen im Einsatz. Es gibt keine Berührungsängste in Bezug auf Migranten, sagt Kaemena.
    "Nein, überhaupt nicht. Wichtig ist, dass es deutsche Sprachkenntnisse gibt, damit wir uns auch verständigen können, damit die Arbeitsanweisungen und die Verständigung mit den Kollegen ordentlich geschehen kann. Ansonsten zählt für uns Flexibilität, Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft. Wenn das Engagement und die Einsatzbereitschaft vorhanden ist, freuen wir uns über jeden, den wir einsetzen können."
    Seiner Meinung nach ist es höchste Zeit, dass die Politik sich nach Jahrzehnten bewegt und Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Der Personaler verfolgt das Modellprojekt der Arbeitsagentur interessiert. Schließlich könnte sich unter den Teilnehmern einer befinden, der für die Logistik-Branche die nötigen Voraussetzungen mitbringt. Youssef Fakie zum Beispiel. Bei seinem Beratungsgespräch in der Agentur für Arbeit spricht Angela Touré über genau diese Branche mit ihm.
    ... Fakie: "und bis jetzt denke ich, in Logistik bin ich im richtigen Bereich."
    Touré: "Sie hatten ja auch gesagt, dass Sie mit Kunden in den USA gearbeitet haben..."
    Arbeitsplatz in Deutschland Zukunftsmusik
    Noch ist ein Arbeitsplatz in Deutschland Zukunftsmusik für Youssef Fakie. Seine neun Monate Arbeitsverbot enden erst im Herbst. Aber er ist froh, dass er in Bremen lebt und so an dem Modellprojekt teilnehmen kann. Hier und in Hamburg geht es besser voran als in Augsburg, Dresden, Freiburg oder Köln, weiß die Arbeitsvermittlerin. In den Stadtstaaten sind die Ansprechpartner alle nah beieinander, aber sie betont: Es handelt sich um ein Pilotprojekt.
    "Wir haben es jetzt nur an sechs Standorten eingeführt, um das zu erproben, bis Jahresende. Und der Hintergrund ist eben auch, dass wir im Rahmen dieses Pilotproprojektes diese ganzen Hürden und Stellen ermitteln sollen, Barrieren, wo es irgendwie nicht weitergeht."
    Die Politik braucht noch viele Hinweise, wo Gesetze geändert werden müssen, sagt Touré. Beispielsweise versteht sie nicht, warum Fachkräfte aus Drittstaaten Visa bekommen, um hier zu arbeiten, Menschen wie Youssef Fakie aber vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Dass die Große Koalition vereinbart hat, das Arbeitsverbot auf drei Monate zu verkürzen, freut den Syrer. Aber das kann höchstens der Anfang sein, meint er.
    "Es gibt zu viele qualifizierte Leute. Die dürfen nicht arbeiten, trotzdem sie möchten zu arbeiten. Dann ja, glaube ich, wir müssen die Regeln ändern."