Dienstag, 23. April 2024

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Asyldebatte
Högl: Seehofer muss Abschiebepraxis verbessern

Die SPD-Politikerin Eva Högl sagte im Dlf, sie sei verärgert über die Aussagen von CSU-Landesgruppenchef Dobrindt zur Abschiebepraxis. Die Asylpolitik liege im Bereich des Innenministeriums, das seit 13 Jahren von der Union geführt werde. "Wenn etwas nicht gut läuft, dann liegt da auch ein Stück der Verantwortung."

Eva Högl im Gespräch mit Sarah Zerback | 07.05.2018
    Eva Hoegl, SPD, kommt zu einer Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion 07.02.2018, Berlin.
    Eva Hoegl (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, in der Asyldebatte den Rechtsstaat nicht infrage zu stellen (imago stock&people / Inga Kjer)
    Sarah Zerback: Flüchtlinge, die Krawall machen bei der Abschiebung, und Polizisten, die in Kampfmontur klarmachen, wer im deutschen Rechtsstaat das letzte Wort hat. Guter Anlass, um wahlweise auf konsequentere Abschiebungen zu pochen, oder auf mehr Menschlichkeit im Umgang mit Asylbewerbern. Die Antwort des Bundesinnenministers darauf sind die Ankerzentren, die schon im Sommer in die Pilotphase gehen sollen. Das ist Teil des sogenannten Masterplans Migration, den Horst Seehofer vorgelegt hat. Doch wie die genau aussehen sollen, diese Ankerzentren, da gibt es noch viele Fragezeichen.
    Thema wird das auch sein auf der Zugspitze, wo sich die Fraktionsspitzen der Großen Koalition treffen, und für die SPD ist dort auch Eva Högl dabei, Vize-Fraktionschefin und Innenexperten der SPD, und sie ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Frau Högl!
    Eva Högl: Einen schönen guten Morgen, Frau Zerback.
    Zerback: Hat in der Asyldebatte eigentlich derjenige recht, der am lautesten ist?
    Högl: Nein, gerade nicht. Es geht in der Asyldebatte, aber grundsätzlich auch in der politischen Debatte um innere Sicherheit nicht nur darum, wer die markigsten Sprüche macht oder die schnellsten und markigsten Schlagzeilen produziert, sondern wir müssen wirklich sehr sorgfältig darüber nachdenken, was sind die richtigen Regelungen, was sind die guten Lösungen, und wir müssen konsequent das bestehende Recht anwenden. Deswegen bin ich auch sehr verärgert über diese Sprüche, die ich am Wochenende vernehmen musste.
    Zerback: Welcher hat Sie da am meisten geärgert?
    Högl: Die Abschiebeindustrie, denn es ist so, dass wir natürlich Menschen hier Schutz und Sicherheit geben. Und die Kehrseite einer weltoffenen Gesellschaft, einer aufnahmebereiten Gesellschaft, die Menschen Schutz und Sicherheit gibt, ist natürlich, dass wir Menschen auch konsequent zurückführen. Das ist völlig richtig, dass diejenigen, die hier keinen Anspruch auf Asyl haben oder überhaupt in unserem Land bleiben können, schnell zurückgeführt werden, und da müssen wir auch noch viel besser werden.
    Aber ich sage jetzt auch mal sehr deutlich: Das Bundesinnenministerium ist seit 13 Jahren in der Verantwortung von CDU und CSU, und wenn etwas nicht gut läuft, dann liegt da auch ein ganzes Stück der Verantwortung. Deswegen sollte Alexander Dobrindt vielleicht den Mund nicht so voll nehmen, denn jetzt ist Horst Seehofer in der Verantwortung.
    "Rechtsstaat nicht in Frage stellen"
    Zerback: Jetzt stören Sie sich an der Anti-Abschiebeindustrie besonders. Aber Alexander Dobrindt hat ja auch gesagt, dass es leichter ist, nach Deutschland reinzukommen als wieder raus. Ist das auch falsch?
    Högl: Das ist natürlich eine Frage, die wir schon die ganze Zeit sehr sorgfältig diskutieren: Wie sicher sind unsere Grenzen. Wir haben ja mittlerweile auch Binnengrenzkontrollen, um sicherzugehen, dass nur die Menschen, die tatsächlich hier Schutz und Sicherheit wollen und Asyl beantragen, reinkommen. Das ist eine Frage, die wir auch auf der europäischen Ebene intensiv diskutieren, wie sichern wir unsere Grenzen, die Außengrenzen der Europäischen Union, aber auch die Binnengrenzen, und da können wir sicherlich noch viel besser werden. Aber dass es so schwer ist, das Land wieder zu verlassen, das bestreite ich, denn was wir hier haben - und das ist ein hohes Gut -, ist ein Rechtsstaat, der ein Anliegen prüft, hat jemand Anspruch auf Asyl. Dann gibt es ein Verfahren und dann gibt es eine behördliche Entscheidung oder sogar eine gerichtliche Entscheidung. Das würde ich nicht in Frage stellen wollen.
    "Abschiebungen konsequent durchführen"
    Zerback: Was es aber auch immer wieder gibt – und das ist einfach Teil der Wahrheit -, dass sich Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, dagegen massiv wehren, wie wir das jetzt in Ellwangen gesehen haben, und dann Abschiebungen auch scheitern. Das funktioniert ja auch nicht richtig.
    Högl: Das ist auch richtig, dass da hart durchgegriffen wird. Wer abgeschoben werden muss, das muss auch konsequent durchgeführt werden. Das ist häufig großer Aufwand, da muss viel Bundespolizei begleiten. Deswegen fordern wir ja Horst Seehofer auch auf, mehr Ideen zu entwickeln, wie man in der Abschiebung noch besser werden kann. Zum Beispiel könnte der Bund die Verantwortung für die sogenannten Dublin-Fälle übernehmen, also diejenigen Personen, die über ein anderes EU-Land eingereist sind und hier gar kein Asylverfahren durchlaufen müssen. Oder Horst Seehofer müsste sich noch viel stärker engagieren bei der Frage, wie führen wir die Personen besser zurück, die Beschaffung von Ersatzpapieren, auch Anreize über Entwicklungshilfe, dass die Länder ihre Leute wieder zurücknehmen. Bei der ganzen Frage der Rückführung, sowohl freiwillige als auch unfreiwillige, können wir natürlich noch viel besser werden, und da ist die SPD ganz klar an der Seite derjenigen, die sagt, Rückführung gehört zu einem gut funktionierenden Asylsystem.
    Ankerzentren "Keine ideologische Debatte"
    Zerback: Eigentlich war die SPD aber auch mal ganz klar gegen Ankerzentren. Sie werden sich erinnern. Jetzt sind die im Koalitionsvertrag dann doch vereinbart worden. Wie schwer schlucken Sie denn noch an dieser Kröte?
    Högl: Zunächst einmal muss ich sagen, ich kenne noch gar kein Konzept. Denn bisher ist das ja nur eine Debatte über einen Begriff und wir wissen noch gar nicht so ganz genau, was dort passieren soll. Wenn die Ankerzentren dazu dienen, dass die Verfahren schneller durchgeführt werden, dass die betroffenen Personen eine unabhängige gute Beratung bekommen hinsichtlich ihres Asylverfahrens, wenn Jugendliche von Jugendämtern betreut werden, das alles begrüßen wir ganz ausdrücklich. Deswegen hat die SPD das mit der Union auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir warten jetzt ganz gespannt auf das Konzept von Horst Seehofer, der ja Piloten auch einrichten will in den nächsten Monaten, und werden die Debatte konstruktiv begleiten. Ich führe über die Ankerzentren keine ideologische Debatte, sondern schaue mir an, was wird besser im Asylverfahren, wenn wir solche Zentren haben. Aber nur, um die Zentren zu haben, um Menschen dort zu kasernieren, das wird die SPD sicherlich sehr kritisch begleiten beziehungsweise nicht mitmachen.
    Zerback: Sie sprechen von Kasernieren. Sind Sie gegen die Residenzpflicht, die angedacht ist?
    Högl: Die Residenzpflicht ist sicherlich richtig, denn wenn die Menschen ein Asylverfahren durchlaufen, dann ist es sinnvoll, wenn sie sich an einem Ort aufhalten oder in einem bestimmten Gebiet. Da habe ich überhaupt keine Vorbehalte und das hat die SPD auch immer so vertreten. Aber wir müssen natürlich darüber sprechen, dürfen die Menschen sich außerhalb des Zentrums auch aufhalten. Die Bundespolizei sagt zurecht, wir können nicht 1.000 oder 1.500 Menschen auf so einer Anlage festhalten, ohne dass sie nur minimale Bewegungsfreiheit haben. Da steckt der Teufel im Detail und das werden wir uns genau anschauen.
    "Im konstruktiven Dialog mit Horst Seehofer"
    Zerback: Direkt angesprochen wurde die SPD jetzt aber am Wochenende von der CDU-Generalsekretärin, von Annegret Kramp-Karrenbauer, die gesagt hat, Ihre Partei, die ist noch zu halbherzig dabei. Wortwörtlich hat sie die SPD-Führung aufgerufen, die Ankerzentren auch in SPD-geführten Bundesländern einzuführen und nicht nur in CDU-geführten unter anderem, wie es jetzt geplant ist. Stößt das bei Ihnen auf offene Ohren?
    Högl: Ja. Wir sind da in einem ganz konstruktiven Dialog mit Horst Seehofer und unseren Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU. Ich hatte mich gerade auch letzte Woche mit den SPD-Innensenatoren und Innenministern getroffen. Wenn es ein gutes Konzept gibt, wenn das Asylverfahren durch die Ankerzentren besser wird, dann ist die SPD dabei. Das ist überhaupt keine Frage. Möglicherweise wird sich auch ein SPD-Bundesland finden, das mitzumachen.
    Zerback: Was wollen Sie denn dafür tun? Entschuldigung, dass ich Sie da unterbreche, Frau Högl: Was wollen Sie denn dafür tun, damit das gelingt, damit das schneller und konfliktfrei abläuft und es nicht dazu führt, dass 1.000 bis 1.500 Menschen dort kaserniert sind, wie Sie sagen?
    Högl: Wir warten jetzt auf ein Konzept von Horst Seehofer. Er hat angekündigt, dass das schnell gehen soll, und sobald er ein Konzept entwickelt hat, auch einen Masterplan zur Verbesserung der Rückführung, werden wir uns darüber beugen und mit ihm in einem konstruktiven Dialog diskutieren, was wir da gemeinsam machen können.
    Zerback: Und wenn nicht? Lassen Sie das platzen?
    Högl: Nein! Das setzen wir um. Wir haben den Koalitionsvertrag. Wir haben die Ankerzentren dort vereinbart. Und jetzt geht es um das konkrete Konzept.
    Zerback: Jetzt hat die Union ja noch ein paar Ideen, um Abschiebungen zu erleichtern, zum Beispiel die Entwicklungshilfe daran zu knüpfen, ob Herkunftsländer bei der Rückführung kooperieren - so sagt es der Innenminister Herrmann -, oder auch gleich ganz streichen – so sagt es der CDU-Kollege Kretschmer. Gehen Sie da auch mit?
    Högl: Anreize zu schaffen, etwa über Entwicklungshilfe, dass die jeweiligen Länder, aus denen die Menschen zu uns gekommen sind, ihre Staatsangehörigen zurücknehmen, das halte ich für absolut sinnvoll. Da, denke ich, kann der Entwicklungshilfeminister Müller oder auch zusammen mit Horst Seehofer, die können Konzepte vorlegen. Das begrüßt die SPD. Auch die Bekämpfung von Fluchtursachen, wenn wir UNHCR und andere Hilfsorganisationen besser ausstatten. Auch eine bessere Klimapolitik, eine bessere Welternährungspolitik. Das sind alles Beiträge zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Das sind sinnvolle und gute Vorschläge, denen wir uns nicht verweigern.
    "Ein Einwanderungsgesetz schaffen"
    Zerback: Der Entwicklungsminister ist aber dagegen, und zwar auch schon seit Sigmar Gabriel diesen Vorschlag vor zwei Jahren ungefähr gemacht hat. Nur wenn Entwicklungshilfe gestrichen wird, dann heißt das doch wohl nicht, dass weniger Flüchtlinge kommen, sondern mehr, Frau Högl.
    Högl: Nein. Ich bin auch nicht dafür, Entwicklungshilfe zu streichen, sondern Anreize zu geben, die Länder darin zu unterstützen, ihre Situation vor Ort zu verbessern, Demokratie zu stabilisieren, Rechtsstaat einzuführen und die gesamten Rahmenbedingungen für die Menschen zu verbessern. Das ist ein sinnvolles Vorhaben. Da sollten wir auch international gut zusammenarbeiten. Vor allen Dingen haben wir auch ja in der Koalition noch etwas auf der Agenda, was ich auch kurz erwähnen möchte, nämlich ein Einwanderungsgesetz zu schaffen, denn viele Menschen stecken ja auch im Asylrecht und sind da völlig falsch, sondern könnten hier vielleicht auch sinnvoll auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.