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Asylkompromiss der Union
Österreichs Regierung erwartet rasche Klärung

Das von der Union ausgehandelte verschärfte Grenzregime ließe sich nicht ohne Österreich realisieren. Aus Wien kommen skeptische Signale. Die dortige Regierung bereitet nach eigenen Angaben bereit den "Schutz unserer Südgrenzen" vor.

Von Clemens Verenkotte | 03.07.2018
    Sebastian Kurz beim EU-Gipfel am 29. Juni. vor Fahnen der EU
    Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die mitregierende FPÖ verfolgen die deutsche Debatte um ein schärferes Grenzregime mit Skepsis (Picture Alliance / BELGA / Thierry Roge)
    Die Einigung von CDU und CSU deutet nach Worten des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz darauf hin, dass Deutschland bei der "Bekämpfung der Migrationsströme" auf nationale Maßnahmen setze. Sofern dies die Position der deutschen Bundesregierung werden würde, werde Österreich vor allem an der Südgrenze Schutzmaßnahmen ergreifen.
    Österreich erwarte daher von der Bundesregierung in Berlin "rasche Klärung" der Position, wie es in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung von Bundeskanzler Kurz, Vize-Kanzler Strache und Innenminister Kickl heisst. Die deutschen Überlegungen bewiesen einmal mehr, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Schutz der Außengrenzen sei. Es bewahrheite sich die österreichische Position, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen nur mit funktionierenden Außengrenzen möglich sei.
    Neues Abkommen mit Deutschland wenig wahrscheinlich
    Von "Schutzmaßnahmen" an der österreichischen Südgrenze wären unter anderem der Brenner-Pass, die Hauptverkehrsader zwischen Italien und Österreich betroffen. Auch die Grenze zu Ungarn wäre davon betroffen. Erst vor einer Woche hatten am österreichischen Grenzort Spielfeld rund 600 Polizisten und 200 Soldaten eine Grenzschutzübung durchgeführt, die von der Opposition im Land als überflüssig bezeichnet worden war. Am Vormittag erklärte der Fraktionschef der FPÖ Walter Rosenkranz in Wien:
    "Was hat es bis vor wenigen Tagen noch geheißen, da hat man gesagt, diese Grenzschutzübung, die unser Verteidigungsminister Kunazek, aber vor allem unser Innenminister Herbert Kickl gemacht hat, das ist alles ja nicht notwendig, da gibt es überhaupt keine Probleme, die Grenzen zu schützen. Momentan, aufgrund der aktuellen Situation mit unseren Nachbarstaaten sehen wir, dass das aktueller ist denn je. Das ist halt vorausschauende, seriöse Politik, das solche Dinge wie 2015 eben nicht mehr passieren werden."
    Zwischen Österreich und Deutschland gibt es seit 1998 ein Abkommen über die Rücknahme von Migranten und anderen Personen. In Wiener Regierungskreisen gilt es allerdings als wenig wahrscheinlich, dass man ein neues Abkommen mit Deutschland abschließen werde. Sebastian Kurz hatten in den vergangenen Tagen die geltende Rechtslage betont. FPÖ-Innenminister Kickl erklärte im vergangenen Monat: Wenn Deutschland glaube, dass man entgegen internationalem Recht dann einfach Personen nach Österreich zurückbringen könne, dann "werden wir den Deutschen erklären, dass wir ihnen diese Personen nicht abnehmen".
    Domino-Effekt von Österreich bis Balkan denkbar
    Wenn Deutschland nationale Maßnahmen an den Grenzen einsetzen würde, würde Österreich selbst Kontrollen an den Südgrenzen des Landes durchführen und Migranten verstärkt zurückweisen. Dies werde dann zu einem "Dominoeffekt" in Richtung Italien und Balkan, hin zu den südlichen Außengrenzen der EU führen, wie es hieß.
    Der ehemalige österreichische Verteidigungsminister Doskozil von den Sozialdemokraten rief Kanzler Kurz darauf auf, gegen das geplante deutsche Vorgehen mit Asyl-Transitzentren an der Grenze zu Österreich vorzugehen. Für ihn stelle der innerparteiliche Kompromiss der Union "eine einseitige Belastung für Österreich" dar.