Die Große Koalition gibt sich zufrieden mit der Einigung beim Asylpaket II. Für die Grünen sind die gestern im Kanzleramt getroffenen Beschlüsse dagegen ein weiterer Schritt zu einer verschärften Flüchtlingspolitik. "Da werden die Daumenschrauben in der Asylpolitik weiter angezogen, vor allem bei der Einschränkung des Familiennachzugs zeigt sich, dass der Großen Koalition eigentlich nichts mehr heilig ist. Wer den Familiennachzug einschränkt und das bestätigen alle, die in der Integrationspolitik tätig sind, der beschädigt den wichtigen Schritt zur Integration, dass man sich in der Familie beheimatet fühlt, dass man hier auch ankommt", sagte die Grünen-Parteivorsitzende Simone Peter im Fernsehsender n-tv. Wegen der Menschenrechtslage vor Ort sei auch die geplante Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsländer nicht zielführend. Von einem "Drama" spricht Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Ein beschränkter Familiennachzug werde zu Verunsicherung führen und zu noch höheren Flüchtlingszahlen, sagte Göring-Eckardt auf NDR Info.
SPD, CDU und CSU hatten am Donnerstagabend beschlossen, den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Diese Regelung soll für alle Flüchtlinge gelten, die nur einen subsidiären, das heißt, einfachen Schutz genießen. Die Beschränkung beim Familiennachzug gilt auch für Flüchtlinge aus Syrien. "Wir haben jetzt gestern ein sehr schönes Ergebnis erzielt, wir sind uns einig", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. "Und das tragen wir jetzt auch gemeinsam durch Bundestag und Bundesrat. Und es zeigt auch, auch wenn es jetzt ein bisschen länger gedauert hat, dass wir in der Koalition handlungsfähig sind."
Zeigt die Bundesregierung mit der nun getroffenen Regelung den Flüchtlingen ein kaltes Herz? Nein, sagt Kauders Parteikollege Bundesinnenminister Thomas De Maizière im ARD-Fernsehen: "Das ganze Flüchtlingsthema besteht ja aus drei Elementen: Reduzierung der Flüchtlingszahlen und in Deutschland Unterscheidung zwischen denen, die integriert werden sollen und denen, die keinen Schutz verdienen. Und alle diese drei Elemente sind vorangekommen, an denen arbeiten wir. Das Asylpaket II hat jetzt endlich das Thema Familiennachzug geklärt. Diese Betroffenen bekommen ja auch nur einen Schutz auf Zeit. Und da ist es schon vertretbar, dass man ihnen sagt, eure Familien können jetzt nicht kommen. Übrigens machen das fast alle europäischen Länder so. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Donnerstagabend zufrieden gezeigt mit dem Ergebnis: "Ich finde, dass wir sehr viel auf den Weg bringen. Und ich fühle mich durch den heutigen Tag noch mal bestärkt darin."
Weitere SPD-Forderung kassiert?
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte nach der Einigung beteuert: "Ich glaube, dass es keiner glaubt, aber die Stimmung ist gut." Dabei musste die SPD mit der zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs und der Einbeziehung von auch syrischen Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz gleich zwei Kernforderungen der CSU schlucken. Dass sich damit vor allem der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer durchsetzen konnte, wies die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zurück. Die SPD-Politikerin sagte im ARD-Fernsehen: "Das Wesen eines Kompromisses besteht darin, dass man sich verständigt. Und natürlich gibt es auch Dinge auf der anderen seite, die ich sehr, sehr wichtig finde, beispielsweise dass junge Leute, die hier eine Ausbildung machen, auch zwei Jahre danach ein gesichertes Bleiberecht haben werden. Das war ein sehr wichtiger Punkt für uns er ist immer gescheitert in der Vergangenheit, vor allem an Bayern. Insofern ist das ein Geben und ein Nehmen, auch dass über die zukünftigen Kontingente auch die Familien eben Vorrang haben werden."
Derweil berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass noch eine weitere SPD-Forderung kassiert wurde, auf die sich Familienministerin Manuela Schwesig schon mit Bundesinnenminister de Maizière geeinigt hatte. Demnach sei der zunächst geplante bessere Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften bei den Verhandlungen zum Asylpaket II wieder gestrichen worden. Im Asylpaket II nicht enthalten ist das geplante Vorhaben, auch Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Für ein solches Gesetz muss der Bundesrat zustimmen.