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Asylpolitik
"CSU versteht es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen"

Mit ihren Vorschlägen in der Asylpolitik spreche die CSU ein Thema an, das geeignet sei, um Emotionen zu wecken, sagte der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter im DLF. Die CSU wolle außerdem Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Übersichtlichere und kürzere Verfahren seien aber grundsätzlich wünschenswert.

Heinrich Oberreuter im Gespräch mit Silvia Engels |
    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter.
    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Ob die Asylverfahren künftig, wie von der CSU gefordert, höchstens sechs Wochen dauern werden, sei fraglich, so Oberreuter. Grundsätzlich müsse der Staat ein Interesse daran haben, die Verfahren zu beschleunigen - auch im Interesse der betroffenen Flüchtlinge.
    Dazu benötige es aber mehr Personal und eine "größere mentale Bereitschaft", sich bei den vorhandenen Überlastungen des Justizapparates auch um dieses Problem zu kümmern. Auch bei der Forderung nach schnelleren Abschiebungen von Flüchtlingen könne es nicht rücksichtslos zugehen.
    Dass die Vorschläge der CSU die Pegida-Demonstrationen beruhigen könnten, glaubt Oberreuter eher nicht. Es sei ein sehr emotionales Thema in Deutschland, das in der Bevölkerung weiter verbreitet sei als in den politischen und publizistischen Eliten. Für Parteien sei es schwer, sich in diesem Umfeld zu positionieren.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Silvia Engels: Stephan Detjen berichtete, und mitgehört hat der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und langjähriger Kenner der CSU. Guten Tag, Herr Oberreuter!
    Heinrich Oberreuter: Ja, guten Tag!
    Engels: Der CSU schwebt also ein Verfahren vor, wir haben es gerade noch mal gehört, möglicherweise das Schweizer Modell, das sieht ja vor, dass Antragsstellung und Verfahrensdurchführung bei Asylbewerbern nur noch sieben Tage dauern soll und möglicherweise dann auch Widersprüche dagegen nach wenigen Wochen entschieden sein könnten. Ist so etwas auf Deutschland übertragbar?
    Oberreuter: Ja, offensichtlich besteht die Meinung, dass das übertragbar sein könnte, wobei natürlich die Summen, die Mengen an Asylsuchenden und Flüchtligen, die in die Schweiz strömen und die nach Deutschland strömen, mit Sicherheit nicht vergleichbar sind. Aber die Tatsache, dass man das Verfahren beschleunigen kann und muss und dass es aber vor allen Dingen seine rechtsstaatlichen Qualitäten behalten muss und nicht verlieren darf, das scheint ja auch nach diesem Vorschlag unstrittig zu sein.
    Engels: Sie haben es angedeutet: Das sind ja Prüfungen von Asylanträgen, die müssen auch ganz klar Rechtsnormen auch vor Gericht standhalten, die kann man möglicherweise nicht unendlich verkürzen. Ist die Methode dagegen, mehr Personal – wie es sich ja ankündigt – bereitzustellen, ausreichend, um Fristen zu verkürzen?
    Oberreuter: Erstens wird man mehr Personal brauchen. Und zweitens braucht man vielleicht auch mehr mentale Bereitschaft, sich bei den sowieso vorhandenen Überlastungen des Justizapparates auch um dieses Problem ernsthaft zu kümmern. Das vielleicht unter justiziellen Gesichtspunkten nicht so viel Priorität beansprucht wie unter dem Gesichtspunkt der Emotionen, die es in der Bevölkerung freisetzt. Aber auch, wenn diese Emotionen eine gewisse ausschlaggebende Rolle haben sollten in diesem ganzen Vorschlag, muss man ja doch akzeptieren, dass ein übersichtliches und die Kriterien, die anzulegen sind, berücksichtigendes Verfahren der Sache dient, auch den Emotionen in der Bevölkerung. Denn wir haben es zu tun mit Leuten, die wirklich in Not sind, wir haben es zweitens zu tun mit Leuten, die aus Gegenden kommen, die eigentlich eine Flucht nicht rechtfertigen, wir haben es drittens zu tun mit Leuten, die in anderen europäischen Unionsstaaten schon eigentlich registriert sind – und dem gilt es, Rechnung zu tragen.
    Engels: Nun kündigt der bayrische Innenminister Joachim Herrmann zudem an, auch abgelehnte Asylbewerber konsequenter abschieben zu wollen – auch das keine neue Forderung. Ist das denn realistisch? Denn da stehen ja oftmals auch Gründe genereller Art, was die Heimatländer angeht, dem oftmals entgegen.
    Oberreuter: Da wird man fein unterscheiden müssen. Und da sind die Bayern ja seit ewigen Zeiten geübt in dieser Praxis zwischen starken Worten und einer durchaus einfühlsamen Handhabung dieser Abschiebungsmöglichkeiten. Ich glaube nicht, dass man bei allen Intentionen zur Beschleunigung letztendlich es rücksichtslos durchziehen wird, ganz egal, wie die Verhältnisse dann in den Wiederaufnahmeländern sein werden. Aber dass man ein rechtsstaatlich durchgeführtes Verfahren mit einem ordentlichen Gerichtsentscheid auch durchziehen muss, das scheint mir auch unproblematisch zu sein, so sehr man Humanitätsgesichtspunkte auf diesem Problemfeld beachten muss.
    Engels: Starke Worte der CSU einerseits und einfühlsame Handhabung im Einzelfall andererseits: Heißt das, dass letztendlich diese Forderungen oder dieses Papier nur der übliche Reflex der CSU zu Jahresbeginn ist, um zumindest die starken Worte mal wieder hervorzuheben?
    Oberreuter: Nun ja, wenn man berücksichtigt, was ja auch im Beitrag vorher alles dargeboten worden ist, dass in diesem Papier, das rechtzeitig zur Klausur in Wildbad Kreuth vorgelegt wird, eigentlich im Kern nichts steht, was nicht ohnehin Konsens zumindest im Koalitionsvertrag auch ist. Dann wird man schon wieder auch zugeben müssen, dass die CSU es versteht, im Vorfeld ihrer Klausurtagungen, die ja immer den Beginn des politischen Jahres signalisieren, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Diesmal mit einem Thema – aber das war letztes Jahr eigentlich schon ähnlich mit dem starken Spruch "Wer betrügt, der fliegt" –, mit einem Thema, das also durchaus dazu geeignet ist, ich wiederhole, Emotionen zu wecken.
    Engels: Emotionen wecken, Aufmerksamkeit wecken, das mag sein, aber reicht es auch dazu, die erstarkte Pegida-Bewegung abzuschwächen?
    Oberreuter: Also zumindest ist es ein Beitrag dazu, eine Stimme zu führen für Meinungen, Positionen und Gefühle, die bei der normalen Bevölkerung sehr viel weiter verbreitet sind als bei den politischen und publizistischen Eliten in diesem Lande, die sich ja sehr viel zugutetun, an der Spitze der Modernität und gesellschaftspolitischer Fortschrittlichkeit zu marschieren. Aber in der Demokratie kommt es natürlich auch immer darauf an, das Volk mitzunehmen. Und es gibt kein Volk auf dieser Welt, das nicht auch einen gewissen Anspruch hat auf Identität und auf Patriotismus. Und da ist die CSU eigentlich unter den politischen Parteien seit ewigen Zeiten diejenige, die diese wertkonservativen Positionen am entscheidendsten vertritt und damit auch in gewisser Weise eine Arbeitsteilung mit der CDU in Gang setzt. Denn viele Wähler der CDU im Norden wählen die Partei, weil es im Süden die konservativere CSU gibt und umgekehrt, in Bayern wählen manche die CSU, weil es im Norden die liberalere CDU gibt. Also in diesem Kontext Wertkonservative, Nationalkonservative zu beachten, ihnen eine Stimme zu geben, das ist dann sicher auch ein Beitrag zu dieser aktuellen Pegida-Diskussion. Ob das ein entschiedener, entscheidender und beruhigender ist, das wird die Zukunft erweisen. Ich glaube es eher nicht.
    Engels: Sie hören ja hinein in die CSU: Ist dort die Sorge groß, dass Pegida stärker werden können? Und Sie scheinen ja auch Zweifel zu haben, dass mit solch starken Worten etwas wie die Pegida-Bewegung von der CSU noch abzumildern, abzufischen ist sozusagen.
    Oberreuter: Ja, noch weniger ist es abzumildern mit einer undifferenzierten Schelte und mit dem Versuch, all diejenigen, die sich da engagieren oder die mitlaufen, in eine dumpfe, rechtsextreme Ecke zu schieben. Ich glaube, dass wir durchaus insofern eine, wie soll ich mal sagen, also differenzierte, wenn nicht gespaltene Gesellschaft haben, eine, die sehr supranational, europäisch orientiert ist. Und eine, die durchaus an die eigene Geschichte, die eigene Identität in ihren positiven Seiten denkt und die man natürlich immer wieder auf die Tatsache aufmerksam machen muss, dass Patriotismus dem Gedanken der Freiheit und der Humanität und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet bleibt – sonst ist er keiner. In diesem schwierigen Umfeld müssen sich die Parteien insgesamt bewähren und müssen diese Diskussion führen. Sie müssen alle ernst nehmen, die sich politisch artikulieren oder die politisch auch nur fühlen und gelegentlich, weil ihnen das Artikulieren vielleicht intellektuell schwerfällt, ja, mehr emotional auf die Straße gehen.
    Engels: Das Positionspapier der CSU zur Asyl- und Flüchtlingspolitik vor Wildbad Kreuth ordneten wir ein mit Heinrich Oberreuter, dem Politikwissenschaftler. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit heute Mittag!
    Oberreuter: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.