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Asylpolitik
Nach Afghanistan abschieben oder nicht?

Noch immer gibt es zwischen Bund und Ländern Uneinigkeit über den Umgang mit Asylbewerbern, etwa beim Thema Abschiebung nach Afghanistan. So will die CDU sehr wohl nach Afghanistan abschieben - zumindest Männer, sagte Holger Stahlknecht, Innenminister von Sachsen-Anhalt, im DLF. Serpil Midyatli (SPD) verteidigte die Entscheidung Schleswig-Holsteins, nicht mehr dorthin abzuschieben.

Von Eva-Maria Götz und Michael Roehl | 19.04.2017
    Bei der dritten bundesweiten Sammelabschiebung sind 18 abgelehnte afghanische Asylbewerber mit dem Flugzeug ausgeflogen worden. Sie wurden mit einer Maschine der Fluglinie Meridiana nach Kabul geflogen.
    Bei der dritten bundesweiten Sammelabschiebung wurden 18 abgelehnte Asylbewerber nach Kabul geflogen. (imago / epd-bild /Lukas Barth)
    Mehr als 26.000 Asylsuchende wurden nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr in ihre Heimatländer abgeschoben, 55.000 reisten freiwillig aus. Doch das ist nur ein kleiner Teil der rund 213.000 Ausreisepflichtigen, die zurzeit in der Bundesrepublik leben.
    Bund und Länder haben im Februar Regelungen zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht beschlossen, im März wurde in Berlin ein "Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr" eingerichtet, außerdem wurden Gesetzesvorhaben beispielsweise über die Regelung der Abschiebehaft auf den Weg gebracht. Auch mit einigen Herkunftsländern laufen Verhandlungen über die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern.
    Doch noch immer gibt es in bestimmten Fragen einen Dissens zwischen Bund und einigen Ländern, so zum Beispiel was Abschiebungen nach Afghanistan angeht. Das gilt vielen nicht als sicheres Herkunftsland. Was kann, was muss noch getan werden, um Abschiebungen einerseits für alle Beteiligten zu erleichtern, andererseits die Flüchtenden so zu schützen, wie es das Grundrecht vorsieht? Und welche Chancen bietet ein verstärktes Bemühen um freiwillige Rückkehr?
    "Die allermeisten Menschen haben schon alles ausgeschöpft, was möglich ist", sagt etwa Serpil Midyatli, Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion in schleswig-holsteinischen Landtag und integrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion: In solchen Fällen sei eine geregelte Rückkehr vor allem für Familien mit kleinen Kindern ein dankbarer Weg.
    Stahlknecht: Männer können nach Afghanistan abgeschoben werden
    Holger Stahlknecht (CDU), Minister für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt, betont die Bedeutung von Anreizsystemen für eine freiwillige Rückkehr, warnt aber zugleich davor, neue Anreize für eine Flucht nach Deutschland zu schaffen.
    "Wir schieben keine Familien nach Afghanistan ab, aber junge Männer sehr wohl", erläutert Stahlknecht notwendige Abwägungen. Schließlich seien auch deutsche Bundeswehrsoldaten vor Ort, da sei es schwer zu vermitteln, warum afghanische Männer in Deutschland bleiben dürfen.
    Anders sieht das Midyatli: "Wir haben entschieden, dass wir derzeit nicht nach Afghanistan abschieben." In Schleswig-Holstein wurden deshalb zuletzt Abschiebungen nach Afghanistan für drei Monate ausgesetzt.
    Andrea Lindholz, CSU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Innenausschusse, kritisiert, dass Pauschalisierungen nicht weiterhelfen. So gebe es auch in Afghanistan sichere Orte: Jeder Fall müsse individuell betrachtet werden. Der Alleingang Schleswig-Holsteins sei deshalb "rechtlich nicht vertretbar".
    Bettina Scharrelmann, Leiterin des Migrationsamtes in Bremen, kritisiert, dass Rückkehrprogramme nur an bestimmten Orten funktionieren. "Wir bekommen das Feedback: Niemand geht freiwillig." Viele Menschen seien nur aus Rücksicht auf die Familie gegangen: "Sie sind alle in großer Angst und Sorge gegangen", sagt Scharrelmann.
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