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Atomausstieg heißt nicht prima Klima

Der Atom-Ausstieg bedeutet zwangsläufig Brückenlösungen wie Kohle und Gas, die viel CO2 verursachen. Der Ausstoß hat zudem weltweit ein Rekordhoch erreicht: Viel zu tun also für die, die ab heute in Bonn den Klimagipfel in Südafrika im November vorbereiten.

Von Georg Ehring | 06.06.2011
    Deutschland ist schneller als Andere beim Atomausstieg - doch längst nicht allein: China und Japan überprüfen ihre Ausbaupläne, die Schweiz will langfristig aussteigen und andere Länder stellen die Kernenergie in Frage. Die Internationale Energie-Agentur rechnet nach der Katastrophe von Fukushima nur noch mit dem Bau von halb so vielen neuen Atomkraftwerken wie zuvor.
    Was viele Umweltschützer freut, könnte sich für den Klimaschutz zu einem weiteren Problem entwickeln: Wenn Atomreaktoren durch konventionelle Kraftwerke ersetzt werden, steigt der Ausstoß von Treibhausgasen. Eine zusätzliche Hypothek für die Unterhändler, die in dieser Woche in Bonn zu einer Klimakonferenz auf Beamtenebene zusammenkommen. Der Klimaschutz hat in den Monaten nach dem überraschend erfolgreichen Gipfel von Cancun nicht nur an öffentlicher Aufmerksamkeit verloren. Auch politisch gab es nur wenig Bewegung. Martin Kaiser von Greenpeace führt dies unter anderem auf die USA zurück:

    "Der Klimaprozess war blockiert in den letzten Monaten zum einen von einem Präsidenten Obama, der die Rolle rückwärts im Klimaschutz vollzieht mit der neuen Genehmigung von Ölfeldern in Alaska beispielsweise, aber eben auch von einem Deutschland, das mehr mit der innenpolitischen Debatte beschäftigt war als mit einem außenpolitischen Klimaschutz-Engagement."

    Verhärtet sind die Positionen nach wie vor unter anderem in der Auseinandersetzung um die Zukunft des Kyoto-Protokolls. Das erste weltweite Abkommen zum Klimaschutz läuft Ende nächsten Jahres aus, es verpflichtet zwar die meisten Industrieländer zur Reduktion ihrer Emissionen, nicht jedoch die Schwellenländer und die USA. Sie müssten bei einem Nachfolgeabkommen mit ins Boot - die rechtliche Form ist umstritten. Und die Höhe der Verpflichtungen ist nach wie vor völlig unzureichend, meint Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats:

    "Die Regierungen insgesamt müssen ihre Ambitionen im Umweltschutz erhöhen. Denn die Verpflichtungen, die in den Vereinbarungen von Cancun festgelegt worden sind, kommen nur auf 60 Prozent dessen, was notwendig wäre, um den Anstieg der globalen Temperatur auf höchstens zwei Grad zu begrenzen."
    Auch die Europäische Union wird nachbessern müssen. Sie hat eine Reduktion um 20 Prozent bis 2020 versprochen, doch dieses Ziel ist fast erreicht, resümiert Martin Kaiser von Greenpeace.

    "Europa hat sich vorgenommen, in den nächsten zehn Jahren nur drei Prozent die Emissionen zu vermindern, was für eine Region wie Europa nicht hinnehmbar ist, sondern da müssen deutlich ambitioniertere Ziele ran, das ist auch in der Diskussion."

    Eine Aufstockung des Ziels auf minus 30 Prozent ist seit Jahren umstritten - die EU macht dies nach wie vor von Zugeständnissen anderer Länder abhängig.
    In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Ausstoß von Treibhausgasen weltweit nach dem Einbruch in Folge der Finanzkrise steigt wie kaum jemals zuvor. Im Jahr 2010 wuchs der Ausstoß allein im Bereich der Energieerzeugung auf die Rekordhöhe von 30,6 Gigatonnen, fünf Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2008. Die Internationale-Energie-Agentur warnte, das in Cancun verabredete Ziel einer Erwärmung um höchstens zwei Grad sei immer schwerer zu erreichen. Wenn die Welt so weiter macht wie bisher, könne die Erderwärmung nicht mehr beherrschbare Dimensionen erreichen, fürchtet Peter Höppe, Klimaexperte bei der Münchener Rückversicherung.

    "Wenn wir ambitioniert die CO2-Emissionen senken in den nächsten Jahren, dann könnten wir noch global auf etwa zwei bis zweieinhalb Grad Erwärmung herauskommen. Wenn es so weitergeht wie bisher, dass von Jahr zu Jahr die Emissionen weiter ansteigen, dann können das auch bis zu sechs Grad Celsius werden."

    Klimakonferenz 2011 in Durban (englischsprachig)