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"Atomkraft ist jetzt keine Alternative"

Angesichts des Gas-Streits zwischen Russland und der Ukraine hat der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters, ein Umdenken in der Energiepolitik gefordert. Schon 2010 werde es einen Lieferengpass bei Gas geben. Atomkraft sei ebenfalls keine Alternative, da in 30 Jahren der Welturanvorrat auch zu Ende sei. "Wir müssen einfach die Energie effizienter nutzen", so Peters weiter.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Herr Peters, gab oder gibt es im Moment noch Auswirkungen, Lieferengpässe in Deutschland?

    Aribert Peters: Nein, das war ja nur ein kurzzeitiger Engpass, und Deutschland bekommt 30 Prozent seines Gases aus Russland, das heißt, wir haben noch andere Quellen, wir haben Speicher, die für 75 Tage die Gasversorgung selbst für den Fall sicherstellen, dass wir gar kein Gas mehr importieren können. Ein Fünftel des Gases wird ja auch in Deutschland selber gefördert. Also die zwei Tage haben uns hier in der Versorgung keinen Schaden angerichtet. Es war allerdings ein Denkanstoß, denke ich. Wir sollten es nützen, um darüber nachzudenken, dass Gas nicht gottgegeben und für alle Ewigkeit aus den Rohren und in der Menge kommt, in der wir es brauchen.

    Klein: Lassen Sie uns darauf gleich kommen. Ich möchte noch mal nachfragen, die Energieversorger haben gesagt, sie konnten die Engpässe problemlos überbrücken, indem mehr Gas aus Norwegen und den Niederlanden importiert wurde. Das heißt, auch für zukünftige Fälle, wenn der Streit sich noch ausdehnen sollte, ist der Verbraucher hierzulande gesichert, zumindest was die Menge angeht?

    Peters: Ich denke, wir haben einen europäischen Gasmarkt, und da ist natürlich nicht nur Deutschland jetzt Abnehmer von Russengas. Deutschland nimmt nur etwa ein Viertel des Gases ab, das Russland exportiert, also auch andere Länder sind auf das Russengas wirklich angewiesen, und das heißt, wenn es Lieferengpässe aus Russland gibt, dann sind wir nicht nur alleine dran, sondern dann sind auch die anderen Länder dran, und dann wird es eben auf dem ganzen Markt eng, und dann werden auch die anderen sich um die Ersatzquellen scharen, die dann vermehrt nachgefragt werden. Also so sicher ist es dann auch wieder nicht.

    Klein: Heute Abend will Gasprom die Versorgung wieder auf normales Niveau gebracht haben. Damit dürfte dann aus Verbrauchersicht in Europa wieder alles im Lot sein?

    Peters: Ich denke, schon. Letztlich haben die Ukrainer das Faustpfand in der Hand. Wenn sie den Hahn dicht machen, dann ist es ja sozusagen eine ganz harte Drohung, wo dann auch weder Westeuropa noch Russland sich dagegen wehren können. Deshalb ist natürlich die zweite Leitung auch schon eine zusätzliche Sicherheit. Wo es allerdings eben keine Sicherheit gibt, ist die Verfügbarkeit von Gas. Wir reden die ganze Zeit über Transport, aber das Thema Verfügbarkeit überhaupt von Gas sollte man darüber nicht vergessen. Zum Beispiel Großbritannien hat ja über Jahre sehr viel Gas gehabt aus der Nordsee. Großbritannien ist jetzt in den vergangenen zwei Jahren zum Nettoimporteur von Gas geworden, also ist auch darauf angewiesen, dass Gas geliefert wird nach Großbritannien.

    Klein: Lassen Sie uns über die Konsequenzen sprechen, die es nun aus Ihrer Sicht zu ziehen gilt. Wir haben inzwischen eine ernste Diskussion über die Abhängigkeit von russischem Erdgas. Worin besteht für Sie die Alternative dazu?

    Peters: Die Importabhängigkeit Deutschlands von Energieimporten betrifft ja nicht nur Gas, sondern auch Öl. Gut, wir haben jetzt eben nur 30 Prozent aus Russland, aber auch beim Öl gibt es die gleichen Abhängigkeiten. Wir müssen uns insgesamt Gedanken machen, wie unsere Energieversorgung gesichert ist, und 70 Prozent Importanteile, das ist einfach viel zu hoch, zumal wir eben auch ölmäßig von Russland abhängen.

    Klein: Welche Gedanken machen Sie sich?

    Peters: Wir kommen nicht umhin, von den fossilen Energien wegzukommen. Das sieht man schon aus der Überlegung, dass der Gasverbrauch in Europa drastisch ansteigt und die Gasverfügbarkeit auf der anderen Seite abnimmt. Das heißt, schon im Jahr 2010 und noch stärker im Jahr 2020 haben wir einen Lieferengpass, und der ist dann nicht mehr durch neue Leitungen zu beheben, weil einfach das Gas nicht mehr da ist, was wir eigentlich brauchen. Es wird also keinen Sinn machen, hier verstärkt auf Erdgas umzusteigen in der Energieversorgung, weil dieses Gas eben einfach schon in wenigen Jahren nicht mehr in der gewünschten Menge zur Verfügung steht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf erneuerbare Energien umzusteigen und die Energieeffizienz deutlich zu erhöhen.

    Klein: Erneuerbare Energien ist das eine. Auf der anderen Seite kommt jetzt gerade auch vom Bundeswirtschaftsminister Michael Glos der Vorstoß, das war vielleicht doch ein bisschen schnell mit dem Atomausstieg. Welche Chancen auf Erfolg geben Sie diesen Überlegungen?

    Peters: Die Atomkraft ist jetzt keine Alternative, denn aus Atomenergie kann man nur Strom herstellen, und Gas wird ja überwiegend zur Wärmeerzeugung eingesetzt, aber da kann Atomkraft keine Alternative sein, mal von den Umweltproblemen, von den finanziellen Problemen abgesehen, und letztlich ist ja auch Uran nicht ewig verfügbar. Etwa in 30 Jahren ist der Welturanvorrat eben auch am Ende. Das ist also sicher nicht die Alternative. Wir müssen einfach die Energie effizienter nutzen. Wir müssen in ganz anderen Dimensionen denken, was unsere Energieversorgung anbelangt, und das sollte wirklich ein willkommener Anstoß sein, um mal zu sagen, Leute, das Gas, das kommt nicht vom Himmel, sondern das müssen wir beziehen, und dieser Bezug, der ist nicht sicher. Das ist hier, denke ich, in den letzten Tagen deutlich geworden, und das sollte uns wirklich Anstoß auch zum Handeln geben, denn wenn das Gas tatsächlich in fünf oder in zehn Jahren nicht mehr in der Menge zur Verfügung steht, dann ist es zu spät, um ernsthaft umzusteuern. Wir müssen hier effizienter werden. Die Bundesregierung hat ja auch in dem Sinne schon gehandelt, zum Beispiel indem sie ein großes zur Gebäudesanierung auflegt, denn Gas wird ja auch eben im Gebäudebereich zur Beheizung eingesetzt. Was ich allerdings auch bei der Gelegenheit gelernt habe, was ich gar nicht wusste, ist, dass eben auch das meiste Gas in Deutschland von der Industrie gebraucht wird, also 80 Prozent des deutschen Gases werden gar nicht von Haushalten verbraucht, sondern von der Industrie.

    Klein: Auf der anderen Seite Deutschland, sagen Sie, sollte nicht darüber nachdenken, mehr auf Atomenergie zu setzen. Die Ukraine macht das, und die Ukraine ist ein Land, wo ziemlich unsichere Atomkraftwerke stehen. Das ist das Land oder damals die Sowjetrepublik gewesen, wo Tschernobyl passiert ist. Welche Konsequenzen gilt es daraus zu ziehen?

    Peters: Also das ist jetzt, denke ich, keine Diskussion, die weiterführt, denn nur 20 Prozent unseres Energieverbrauchs sind ja Strom, und der Rest ist einfach Wärmeenergie. Wir sollten aber auch noch mal über die Preise reden, denn es wird sehr viel geredet darüber, dass eben die Preise eventuell ansteigen könnte. Ich denke, das kann hier auch nicht das Thema sein. Die Gasimportpreise sind nämlich in der Vergangenheit sehr stark angestiegen schon, also auch Deutschland zahlt jetzt schon deutlich mehr, etwa das Doppelte wie vor fünf Jahren, für den Gasimport.

    Klein: Dankeschön für das Gespräch.