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Atommüll in Frankreich
Endlager-Gegner hoffen auf Bundesregierung

In Frankreich scheint die Entscheidung für ein Atommüll-Endlager gefallen zu sein. Es soll wohl in Bure in Lothringen, unweit der deutschen Grenze entstehen. Dort regt sich schon Widerstand. Die Hoffnungen der Gegner ruhen vor allem auf der deutschen Regierung.

Von Tonia Koch | 16.07.2015
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    Irgendwo muss der radioaktive Müll gelagert werden. (Sebastian Kahnert/dpa)
    Bure werde schon bald traurige Berühmtheit erlangen, vermutet Denis Baupin, Vertreter der französischen Grünen und Vizepräsident der Nationalversammlung. "Bure in der Champagne wird zum nuklearen Mülleimer Frankreichs."
    In der Tat hat die französische Regierung Ende der vergangenen Woche die Weichen dafür gestellt, im kleinen Örtchen Bure in Lothringen ein Endlager für radioaktive Abfälle zu errichten. Die zuständige französische Behörde, Andra, hat den Auftrag erhalten, spätestens 2017 ein Genehmigungsverfahren einzuleiten, um in die industrielle Pilotphase einzusteigen. Auch wenn die französischen Grünen damit hadern, dass die Entscheidung für den Standort Bure in einem Gesetzestext versteckt und daher nicht mit der nötigen Transparenz getroffen wurde, muss auch Baupin feststellen: "Die atomaren Abfälle sind da, seit 40 Jahren produzieren wir sie, seit 40 Jahren sagen wir, wir finden dafür eine Lösung und seit 40 Jahren haben wir nicht einmal den Ansatz einer Lösung gefunden."
    Die Region, das ist nicht nur Frankreich
    Die französische Lösung soll also Bure heißen. Ein kleines Dorf im französischen Niemandsland. Irgendwo zwischen Straßburg, Nancy und der Champagne. 120 Kilometer Luftlinie von Saarbrücken, der deutschen Grenze entfernt. Bure, das sind offiziell 90 Einwohner, so sie noch dort wohnen. Den atomaren Endlager-Plänen haben sie wenig entgegenzusetzen. Bure ist übrig geblieben, nachdem an den anderen möglichen Standorten die Proteste der Anwohner, der Bauern und Winzer die Pläne schon früh im Keim erstickten. In Lothringen hingegen sind Arbeitsplätze rar, die Menschen bescheiden, das weiß auch die Atombehörde. Marc-Antoine Martin Sprecher der Andra: "Es gibt einige Stimmen, na ja, die sind dagegen, aber mehrheitlich ist die Region der Auffassung, dass es von Vorteil ist, die radioaktiven Abfälle hier zu deponieren.“
    Die Region aber ist nicht alleine Frankreich. Die Region schließt auch die Anrainer im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Luxemburg mit ein. Da sind sich sämtliche politischen Vertreter gleich welcher Couleur einig. Jo Leinen ist sozialdemokratischer Abgeordneter im Europäischen Parlament. "Dieser Standort in Lothringen ist nicht allein eine französische Angelegenheit. Es darf nicht nach dem Motto gehandelt werden, meinen Müll, den versteckte ich an der Grenze zu meinen Nachbarn möglichst weit von meiner Hauptstadt weg. Also man braucht plausible Antworten auf den ganzen Prozess wie ein Standort gewählt wird, wie er wissenschaftlich untersucht wird und da dürfen nicht nur die eigenen Bevölkerungsteile, sondern die Nachbarn müssen da einbezogen werden."
    Die en passant in einem Gesetz über Wirtschaftswachstum verabschiedeten französischen Pläne, die Pilotphase zur Lagerung von Atommüll nun einzuleiten, haben bei den Anrainern für erhebliches Kopfzerbrechen gesorgt, in der Sache aber setzten sie weiter auf ein geordnetes Verfahren. So auch Reinhold Jost, der saarländische Umweltminister. "Ein Gesetz kann kein Genehmigungsverfahren ersetzen und wir wollen und wir werden uns im Genehmigungsverfahren einbringen, gemeinsam mit den Kollegen aus Luxemburg und Rheinland-Pfalz."
    Studie: Gesundheitliche Risiken gering
    Die saarländischen Grünen hingegen sind hinsichtlich etwaiger Mitspracherechte überaus skeptisch. Schließlich lehre die Erfahrung etwas ganz anders. Die beiden Atommeiler, Fessenheim am Rhein und Cattenom an der Mosel, liegen jeweils nur einen Steinwurf von der Grenze entfernt. Die teils massiven Proteste dagegen seien stets wirkungslos verpufft. Die Bundesregierung sei gefragt, sagt der Landeschef der Saar-Grünen Hubert Ulrich. "Die einzige reale Möglichkeit, die die Landesregierung hat, ist die deutsche Bundesregierung. Es kann nur auf der nationalstaatlichen Ebene gelingen, in bilateralen Gesprächen mit der französischen Staatsregierung hier zu einem Einlenken zu gelangen. Wir sind uns ja alle einig, wir wollen die Anlagen nicht, wir können aber nichts dagegen ausrichten."
    Die Bevölkerung in den Anrainerländern aber hat ein Recht darauf, über die Gefahren aufgeklärt zu werden. Nach jetzigem Stand der Dinge seien die gesundheitlichen Risiken, die von einer endgültigen Lagerung hochradioaktiver Abfälle im Tongestein von Bure ausgingen, jedoch gering. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Ökoinstituts Darmstadt, das diese im Auftrag Luxemburgs, des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz erarbeitet hat.