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"Atomwirtschaft hat Schäden in Asse nicht zu verantworten"

Das Lager Asse liege voll in staatlicher Verantwortung, sagte der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder. Die Atomwirtschaft werde jedoch seiner Verantwortung für die Endlagerung durch Investitionen in Gorleben und Schacht Konrad gerecht. Die Vorfälle im Atomkraftwerk Krümmel bezeichnete Hohlefelder als "vergleichsweise irrelevant".

Walter Hohlefelder im Gespräch mit Dirk Müller | 16.07.2009
    Dirk Müller: Am Telefon begrüße ich nun Walter Hohlefelder, Präsident des Deutschen Atomforums. Guten Morgen!

    Walter Hohlefelder: Ja, guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Hohlefelder, haben Sie inzwischen auch Bauchschmerzen?

    Hohlefelder: Nein, ich habe keine Bauchschmerzen. Man muss natürlich feststellen, dass der Vorgang in Krümmel tatsächlich der Gesamtsituation der Kernenergie nicht förderlich ist und, um es klar zu sagen auch, geschadet hat.

    Allerdings muss man auch sich mal überlegen, was ist denn eigentlich passiert. Es hat hier eine Schnellabschaltung gegeben, das passiert weltweit im Jahr 400 Mal. Die Anlage hat ordnungsgemäß funktioniert. Auf der internationalen Bewertungsskala ist das ein Vorgang, der liegt auf der Bewertung null, also ein praktisch irrelevantes Ereignis. Und natürlich im Wahlkampf spielen solche Dinge immer eine große Rolle, insbesondere dann, wenn sich ein Vorgang wiederholt, wie das hier im Vergleich zu dem Vorgang vor zwei Jahren der Fall war. Und wenn der Ball sozusagen auf den Elfmeter gelegt wird, dann darf man sich nicht wundern, wenn jemand versucht, diesen Elfmeter auch zu versenken.

    Müller: Nun war das nicht die erste Elfmetergelegenheit bei Krümmel.

    Hohlefelder: Ich habe ja gerade darauf hingewiesen, dass dieser Vorgang dadurch, dass es ein Vorgang ist, der sich wiederholt hat, ähnlich war vor zwei Jahren, dass dadurch dieser Eindruck entstanden ist. Das ist bedauerlich, das hat Vattenfall ja auch gesagt.

    Aber wenn man mal auf die inhaltliche Seite geht - es wird ja immer hier von Störfällen gesprochen -, dann ist das kein Störfall, sondern die Anlage hat ordnungsgemäß funktioniert.

    Müller: Hat das Krisenmanagement beim Betreiber Vattenfall adäquat, angemessen funktioniert?

    Hohlefelder: Also es hat jedenfalls besser funktioniert als vor zwei Jahren. Es gab sofort eine Pressekonferenz, man hat sich entschuldigt für den Vorgang. Man wird, nachdem der Anlagenleiter den Hut genommen hat, weitere Konsequenzen sowohl in der Sache wie in der Organisation ziehen - also insofern wesentlich besser, nur unglücklicherweise mitten im Wahlkampf, und da werden Dinge immer überspitzt. Sie werden auch in einer Form überspitzt, dass, sagen wir mal, die Glaubwürdigkeit der Argumentation derjenigen, die daraus Honig saugen, auch etwas leidet.

    Müller: Nun können Sie sagen, Herr Hohlefelder, zu Recht aus Ihrer Position heraus, der Umweltminister hat vielleicht auf seine Gelegenheit gewartet, er hat auf der anderen Seite aber diesen Störfall ja zumindest nicht initiiert.

    Die Frage ist: Werden genügend Maßnahmen getroffen, ist das Sicherheitskonzept, auch gerade im Fall Krümmel, stark genug, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Kernkraft sicher ist.

    Hohlefelder: Also zunächst mal, natürlich der Umweltminister hat nicht die Ursache gesetzt, er hat allerdings einen, ich sag mal, vergleichsweise irrelevanten Vorfall - ich sag noch mal, INES [International Nuclear Event Scale] ist null - genutzt, der seine Bedeutung nur durch die Wiederholung des Ereignisses bekommen hat.

    Der Umweltminister hat gestern selber in seiner Statistik der meldepflichtigen Ereignisse für das Jahr 2008 belegt, dass unsere Anlagen sehr sicher sind, denn aus dieser Statistik ergibt sich, dass wir meldepflichtige Ereignisse alle in der Kategorie INES - das ist die internationale Sicherheitsmessung - der Kategorie null, also sicherheitstechnisch irrelevant, hatten, bis auf eines, das war INES 1, das ist eine sogenannte Störung.

    Fälle der Kategorie 2, INES 2, also das wären dann Störfälle, hat es in Deutschland überhaupt nicht gegeben. Also wir hatten in 2008 überhaupt keinen Störfall, und da ist es schon erstaunlich, wenn Herr Gabriel sagt, der Störfall sei der Normalfall in Deutschland.

    Müller: Herr Hohlefelder, kommen wir von Sigmar Gabriel ab und reden über Christian Wulff, Ole von Beust, Peter Harry Carstensen. Auch die haben sich bitterlich beklagt über das Krisenmanagement von Vattenfall und über den Zustand von Krümmel. Haben die auch unrecht?

    Hohlefelder: Also dass sie sich beklagt haben über den Vorgang, das kann ich in dieser Situation sehr gut verstehen und ist auch nachvollziehbar. Ich habe ja eben das Bild vom Elfmeter gebraucht, und der Elfmeter ist vom Unternehmen sozusagen verursacht worden, und das ist ärgerlich, das ist für mich nachvollziehbar.

    Die Duplizität der Ereignisse und das Drumrum zeigt natürlich, dass hier Handlungsbedarf bei dem Unternehmen besteht, das hat es selber auch angekündigt, dass hier weitere Untersuchungen mit eventuellen Konsequenzen erforderlich sind. Und da ist es völlig richtig, dass die Politiker, die Sie gerade genannt haben, gesagt haben, also dass muss jetzt erst mal untersucht und abgewartet werden, und dann schauen wir weiter.

    Müller: Ist das durchaus realistisch, dass Sie so langsam, aber sicher die Unterstützung der Politik, auch die Unterstützung der Union, verlieren?

    Hohlefelder: Also das sehe ich nicht so. Ich bin schon der Auffassung und sehe das auch, dass wir nach wie vor die Unterstützung zu einer Neubewertung der Kernenergie der Politik haben. Es gibt einen Rückschlag durch Krümmel, aber ich denke, wenn dieser Vorgang mal genau untersucht ist, sich der Pulverdampf gelegt hat, wir auch wieder zu den Grundthemen zurückkommen.

    Müller: Entschuldigung. Auch ein Rückschlag durch Asse?

    Hohlefelder: Nein, also ich meine, Asse ist ein Thema, das voll in der Verantwortung des Bundes gelaufen ist, und zwar, dass in den letzten ...

    Müller: Seit ein paar Monaten.

    Hohlefelder: Die Verantwortung lag praktisch bei allen Farben der Regierung, ob es Grüne, ob es Rote waren, ob es zum Teil auch CDU waren. Das ist etwas, das liegt völlig außerhalb des Verantwortungsbereichs der Kernenergiebetreiber, und es handelt sich hier um ein Forschungsendlager. Das ist - und das wird ja immer wieder gesagt - mit Gorleben überhaupt nicht vergleichbar. Das ist ein Salzbergwerk. Das ist bis an den äußersten Rand vorher als Gewinnungsbergwerk ausgegraben, ausgekoffer, wie die Bergleute sagen, worden.

    Müller: Aber die Probleme müssen ja jetzt gelöst werden, Herr Hohlefelder. Vier Milliarden Sanierungskosten, sagt der Umweltminister, ist die Atomwirtschaft bereit, da mitzuhelfen?

    Hohlefelder: Ich sag mal so, die Atomwirtschaft hat diese Schäden, die hier aufgetreten sind, nicht zu verantworten, sind voll in staatlicher Verantwortung gelaufen. Und das ist etwas, was auch der Bundesumweltminister in seinen schriftlichen Äußerungen zum Beispiel gegenüber dem Bundestag immer wieder betont und sagt, daher müssten die Kosten auch von der öffentlichen Hand getragen werden.

    Müller: Aber für ein Zwischenlager, Endlager sagen Sie, hat die Atomwirtschaft in diesem konkreten Fall keine Mitverantwortung?

    Hohlefelder: Was dieses Endlager Asse angeht, hat die Atomwirtschaft keine Mitverantwortung.

    Müller: Und deswegen gibt es auch keine finanzielle Beteiligung?

    Hohlefelder: Nein, daher auch keine finanzielle Beteiligung.

    Müller: Gibt es Alternativen - Schacht Konrad, Schacht Gorleben?

    Hohlefelder: Das sind praktisch keine Alternativen, sondern das sind die Lösungen, die wir für die Entsorgungsfrage haben. Die Atomwirtschaft ist hier ihrer Verpflichtung nachgekommen, sie hat bislang 1,5 Milliarden Kosten für diese Anlagen aufgewendet, sie wird das in Zukunft tun, und dann liegen wir etwa bei 3,5 bis vier Milliarden, die hier aufgebracht werden. Daran können Sie sehen, dass wir unserer Verantwortung auch voll gerecht werden.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Walter Hohlefelder, Präsident des Deutschen Atomforums. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Hohlefelder: Herzlichen Dank!