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Attac: Köhler steht für knallharten neoliberalen Kurs

Heuer: Seit vier Jahren ist Köhler Direktor des Internationalen Währungsfonds, zusammen mit der Weltbank beschäftigt sich die UN-Finanzinstitution vorrangig, wie gehört, mit Staaten der so genannten Dritten Welt. Die Vergabe von IWF Krediten ist meist mit drastischen Auflagen an die Empfängerstaaten verbunden, kein Wunder also, dass der IWF nicht nur Freunde hat. Entschiedene Kritiker des Internationalen Währungsfonds sind die Globalisierungskritiker von Attac, einen von ihnen haben wir jetzt am Telefon, Peter Wahl nämlich, ein Führungsmitglied von Attac. Guten Tag, Herr Wahl.

Moderation: Christine Heuer |
    Wahl: Guten Tag, Frau Heuer.

    Heuer: Kennen Sie Herrn Köhler persönlich?

    Wahl: Ja, ich habe ihn mehrfach auf Konsultationen erlebt.

    Heuer: Welchen Eindruck haben Sie?

    Wahl: Herr Köhler ist so wie Christo ein ganz großer Verpackungskünstler, er ist ein großer Kommunikator, er ist als Person mit Ausstrahlung, er hat Kommunikationstalent. Aber, das große Problem ist, dass hinter dieser schönen Rhetorik von Herrn Köhler die Praxis im IWF die gleiche war, nämlich die Durchsetzung eines knallharten neoliberalen Kurses, und damit haben wir natürlich Probleme.

    Heuer: Auch wenn Horst Köhler Bundespräsident würde, nehme ich an?

    Wahl: Ich vermute, dass er als Bundespräsident eine ähnliche Funktion wahrnehmen würde. Wir haben ja auch in der Bundesrepublik jetzt eine Politik der Strukturanpassung, wie das im IWF-Jargon heißt, gegenüber den Entwicklungsländern war das so, das passiert jetzt bei uns auch: Sozialabbau, Privatisierungen und Ähnliches. Herr Köhler wird wahrscheinlich diesen Kurs mit seiner entsprechenden Rhetorik in Watte packen und abfedern.

    Heuer: Herr Köhler nimmt ja für sich selbst in Anspruch, dass der IWF sich in den vergangenen Jahren verändert hat, es gibt dafür auch Anzeichen. Gestern zum Beispiel wurde der IFW-Energiebericht vorgelegt und dabei wurde ausdrücklich das Ziel genannt, bei der Förderung von Energieprojekten künftig mehr auf erneuerbare Energien in Entwicklungsländern zu setzen. Das ist doch ein Fortschritt oder nicht?

    Wahl: Die Geschichte des IWF der letzten zehn Jahre ist ein einziges Gräberfeld solcher guten Absichten, Reports und Erklärungen. Was zählt bei dem IWF ist die ganz konkrete Kreditvergabe und die Strukturanpassungsprogramme, die die Entwicklungsländer durchführen müssen und dort setzen sich leider, das wird auch immer wieder innerhalb des IWF beklagt, die Deklarationen, die Grundsatzerklärungen und die Reports nicht durch. Jüngstes Beispiel: Auf der letzten Frühjahrstagung des IWF und der Weltbank ist der Versuch ein Insolvenzrecht durchzukriegen, um die Verschuldungsproblematik der Entwicklungsländer zu lösen, einfach von der Tagesordnung wieder abgesetzt worden.

    Heuer: Nun ist aber Horst Köhler auf jeden Fall jemand, der sich mit der Globalisierung intensiv beschäftigt hat. Birgt das nicht auch ungeahnte Chancen, Herr Wahl?

    Wahl: Wenn Herr Köhler das Thema Globalisierung in seinem Amt zu einem seiner Themen macht, wenn er die Probleme, die Risiken und die negativen Konsequenzen thematisiert, dann werden wir sehr gerne mit Herrn Köhler darüber reden und darüber reden, wie man praktische Alternativen dann anpacken kann, aber das ist es genau, die praktischen Konsequenzen, die man ziehen muss und nicht die Rhetorik, die dann für uns zählt.

    Heuer: Hätten Sie da schon eine konkrete Forderung an den künftigen, wahrscheinlichen Bundespräsidenten?


    Wahl: Ich würde mir wünschen, dass er einige klare Worte sagt zu dem gegenwärtigen Kurs des Sozialabbaus, der mit der Agenda 2010 verbunden ist und - das sind ja keine Reformen, das ist eigentlich eine Deformierung unseres Sozialstaats - wenn er das zum Thema macht und dazu beiträgt, hier einen Kurswechsel mit einzuleiten, dann hätte er wahrscheinlich sogar Fans bei Attac.

    Heuer: Erwarten Sie, dass er das tut?

    Wahl: Wir werden sehen, ich weiß es nicht.

    Heuer: Wer wäre denn aus Ihrer Sicht ein guter Kandidat für das höchste deutsche Staatsamt?

    Wahl: Zum einen finde ich grundsätzlich, dass es längst überfällig ist, dass mal eine Frau Präsident in diesem Lande wird. Von daher finde ich es schade, dass hier diese Debatte nicht gründlich genug geführt worden ist. Zweitens würden wir uns vorstellen, dass jetzt nicht aus dem Parteienproporz heraus überlegt wird sondern eine anerkannte Persönlichkeit zum Beispiel aus der Zivilgesellschaft, jemand, die als Künstlerin zum Beispiel ein internationales Renommee hat, das würde diesem Amt einmal eine ganz andere Aura geben als dieses immer ewig graue Parteienverfahren.

    Heuer: Verraten Sie uns auch einen Namen?

    Wahl: Da will ich jetzt keinen Namen nennen. Aber wir würden suchen und uns gerne an der Suche beteiligen und glauben, dass die Politikverdrossenheit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sich auch wieder etwas reduzieren könnte und sich auch viele daran wieder beteiligen würden, wenn das nicht einfach den Parteispitzen in ihrem traditionellen Gekungel überlassen wird.

    Heuer: Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, die ja von Rot-Grün vorgeschlagen wird, wäre dann sicher auch nicht Ihre Wunschkandidatin?

    Wahl: Zunächst einmal wäre es eine Frau. Das wäre sicherlich ein Fortschritt, das habe ich ja eben bereits gesagt. Dann ist Frau Schwan auch nicht unbedingt der Funktionärstyp per se, sie kommt aus dem wissenschaftlichen Beirat, auch das wäre sicherlich ein Fortschritt. Aber darüber hinaus kenne ich nun Frau Schwan zu wenig, um beurteilen zu können, ob sie wirklich geeignet ist. Ich befürchte ohnehin, dass sie sowieso nur so etwas wie eine Zählkandidatin ist.

    Heuer: Peter Wahl, Führungsmitglied bei Attac, war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch Herr Wahl.

    Wahl: Bitte schön.