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Auch deutsche Firmen zahlten Schmiergeld an Irak

Deutsche Konzerne - darunter Daimler-Chrysler und Siemens - sind einer Untersuchung zufolge am Schmiergeldskandal um das UNO-Programm "Öl für Lebensmittel" im Irak beteiligt. Der Vorsitzende von Transparency International in Deutschland, Hansjörg Elshorst, sprach vom größten Korruptionsskandal der vergangenen Jahrzehnte. Er rechne damit, dass es nun zu Gerichtsverfahren komme, meinte er.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Hansjörg Elshorst ist Vorsitzender der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland und in dieser Funktion ein ausgewiesener Experte in Sachen Bestechung. Guten Morgen, Herr Elshorst!

    Hansjörg Elshorst: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Jedes zweite am Öl-für-Lebensmittel-Programm beteiligte Unternehmen ist in Korruption verwickelt. Ist das der bisher größte Korruptionsskandal?

    Elshorst: Das glaube ich schon. Wenigstens in jüngerer Zeit, das heißt wenn ich die letzten zwanzig Jahre überblicke, hat es so was nicht gegeben. Man kann weitergehen und sagen, in den letzten Jahren, seit es Anti-Korruptionsgesetzgebung auch für das Ausland gibt, hat es kaum einen großen Skandal gegeben, so dass es erstaunlich ist, dass in dieser Größenordnung, ich würde sagen, endlich mal etwas aufgibt.

    Heuer: Wie erstaunlich finden Sie es denn, dass unter den deutschen Firmen, die genannt werden, Daimler-Chrysler und Siemens sind?

    Elshorst: Kann ich nur sagen, die haben sicherlich Programme und Regelungen, die die Korruption vermeiden sollen. Das kennen wir relativ gut. Auf der anderen Seite hat es bei diesen Firmen in jüngerer Zeit durchaus Probleme gegeben und deswegen ist die Frage, ob diese Programme tatsächlich greifen, ob es nur die Größenordnung dieser Konzerne ist und die Unüberschaubarkeit dessen, was draußen gemacht wird. Jedenfalls sind wir froh darüber, dass Mark Pieth, der ein enger Freund von Transparency ist und von Anfang an mit uns gearbeitet hat, das so einschätzt, dass es hier einen Anfangsverdacht, einen begründeten Anfangsverdacht, gibt, der die Staatsanwälte auf die Bahn setzt, weil bisher gibt es kaum solche Vorverfahren vor Gericht, kaum Staatsanwälte, die sich zutrauen einen Prozess zu führen, der Korruption im Ausland anguckt.

    Heuer: Der wird jetzt kommen dieser Prozess, das glauben Sie?

    Elshorst: Die Staatsanwälte müssen, wenn es tatsächlich einen begründeten Anfangsverdacht gibt, dann auch tätig werden. Ich hoffe sie schätzen das auch so ein, wie Mark Pieth das tut.

    Heuer: Und welche Strafen können da erwartet werden?

    Elshorst: Zunächst mal muss man sagen, da werden ja nicht die Firmen bestraft. In Deutschland gibt es kein Unternehmensstrafrecht, sondern es gibt nur eine Bestrafung, eine Schuldfähigkeit auch, der Individuen. Und die Individuen können bis zu fünf Jahren bei normaler Korruption, bei erschwerter Bestechung sogar bis zehn Jahren verurteilt werden.

    Heuer: Nun sagen ja die beiden Firmen, über die wir zunächst sprechen wollen, also Daimler-Chrysler und Siemens, dass die Vorwürfe nicht berechtigt seien, sie seien unfair, sie seien voreilig. Wie interpretieren Sie, Herr Elshorst, diese Reaktion, ist das ein glaubwürdiges Dementi?

    Elshorst: Zumindest müssen die Firmen sich darüber klar sein, dass sie noch schlechter aussehen, wenn sich das als falsch herausstellt. Und sehr häufig reagieren Firmen auch anders, wenn sie ihrerseits Zeit genug hatten den Fall aufzuklären und wissen, dass sie da Dreck am Stecken hatten, dann schlagen sie vor, dass sie sich selbst engagieren mit ihren eigenen Institutionen, also Revisionen und so weiter, um die Sache aufzuklären, mit dem Staatsanwalt zu kooperieren, weil dann geht es ja im Endeffekt um Leute, und diese Leute sind dann meistens schon gefeuert, diese Leute sind nicht mehr in den Firmen, die Firma kann es sich relativ einfach machen mit dem Staatsanwalt zu kooperieren. Wenn also eine Firma sagt, wir tun das nicht, wir bestreiten das, dann muss sie eigentlich ganz ordentliche Grundlagen haben.

    Heuer: Der Volcker-Bericht unterscheidet ja auch ausdrücklich Personen, die bestochen haben, von Firmen, die davon vielleicht gar nichts wussten. Könnte das auf Daimler-Chrysler und Siemens zutreffen?

    Elshorst: Das kann natürlich auf die beiden zutreffen, aber das ist der Normalfall in Deutschland, es gibt keine Firma, die sich schuldig macht. Es gibt immer nur Personen. Und deswegen - wie vorhin schon gesagt - sind die Firmen normalerweise, wenn es Personen waren, die auf eigene Faust gehandelt haben, bereit zu kooperieren und mit dem Staatsanwalt oder eben einen Wirtschaftsprüfer oder wie auch immer die Dinge aufzuklären.

    Heuer: Jetzt haben wir, Herr Elshorst, über diese beiden großen gesprochen, die Global-Players Daimler-Chrysler und Siemens. Was ist denn mit kleineren Firmen, denn es sind ja 63 deutsche Firmen im Volckerbericht genannt, die sich bereichert haben am Öl für Lebensmittel-Pogramm?

    Elshorst: Da ist uns besonders wichtig, dass auch da die Staatsanwälte, obwohl es viel Arbeit machen wird, reingucken, weil wir bisher glauben, dass die kleinen Firmen so gut wie ungestraft davon gehen bei Korruption. Sie werden nicht genannt, wie auch heute wieder zunächst einmal diese beiden großen genannt werden, haben also keinen Schaden in der Öffentlichkeit, und normalerweise, da es sehr schwierig ist, sind sie auch relativ sicher vor Verfolgung durch die Staatsanwälte, die finden normalerweise die Informationen nicht, die sie brauchen, weil das Ausland nicht kooperiert und so weiter. Das ist ja hier anders, deswegen hoffen wir das endlich mal auch gegenüber kleineren Firmen Exempel statuiert werden, dass Korruption nicht straffrei ist.

    Heuer: Kann man da vielleicht auch die Gesetze in Deutschland oder auch weltweit verbessern, damit kleinere Firmen künftig leichter belangt werden können?

    Elshorst: Nein, das muss man gar nicht, die Gesetze sind ja unter anderem mit unserer Mitwirkung in 34 Ländern so gemacht, dass man da zufrieden sein kann damit, die müssen umgesetzt werden. Das ist eine Frage der Umsetzung, der mangelnden Ressourcen der Staatsanwälte, des mangelnden öffentlichen Drucks tatsächlich auch nachzuhaken und diese Mühsal der Aufklärung von Korruptionsfällen im Ausland auf sich zu nehmen. Und das ist hoffentlich jetzt bald fällig.

    Heuer: 63 Firmen sind es, deutsche Firmen, die im Volcker-Bericht genannt werden, das sind bei 2200 insgesamt genannten Firmen dann doch relativ wenige. Schneidet Deutschland da nicht noch einigermaßen gut ab?

    Elshorst: Es wurde ja auch gesagt, dass unter den 63 nicht die Tochterfirmen sind. Und das ist natürlich der normale Fall, normalerweise schmiert eine Firma nicht von hier aus, sondern tut es über irgendeine Struktur vor Ort und das sind Tochterfirmen, das sind Kooperationspartner. Also da muss man zunächst mal gucken, wie da die Bilanz aussieht.

    Heuer: Das heißt, es muss befürchtet werden, deutsche Firmen sind genauso korrupt wie andere?

    Elshorst: Das will ich nicht sagen, aber es muss befürchtet werden, dass es mehr wird, es wurde gesagt, dass Frankreich und Russland überproportional vertreten sind. Also es kann durchaus sein, dass diese beiden Länder stärker involviert sind.

    Heuer: Hansjörg Elshorst, der Vorstandvorsitzende von Transparency international Deutschland. Ich danke Ihnen für das Gespräch Herr Elshorst.

    Elshorst: Ich danke Ihnen Frau Heuer!