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"Auch die Kirche soll zahlen!"

Die Italiener stöhnen über Steuererhöhungen. Doch die Steuerprivilegien der katholischen Kirche werden von der Regierung bislang nicht angetastet. Der Aufschrei in der Bevölkerung ist groß - jetzt signalisieren die Bischöfe erstmals Gesprächsbereitschaft.

Von Thomas Migge | 19.12.2011
    "Die Kamera ist in einer Aktentasche und das kleine Mikrofon unsichtbar in einer Tasche der Jacke versteckt."

    Die mit versteckter Kamera heimlich aufgenommene Szene spielt in Mailand, in der "Casa del Clero", ein Altersheim für Priester nahe beim Opernhaus La Scala. Der Besucher, ein Mitglied der Partei der Radikalen, betritt das Gebäude und stellt fest - die Kameraaufzeichnungen scheinen es zu belegen - dass die Unterkunft nicht nur für Priester bestimmt ist. Die Gästezimmer sind, eine Ordensfrau erklärt es, vor allem für zahlende Pilger und andere Reisende bestimmt.

    Die Reportage, die von den Radikalen auf ihrer Website gezeigt wird, sorgt in diesen Tagen für Aufsehen in Italien. Denn obwohl die Mailänder "Casa del Clero" eigentlich eine Non-Profit-Unterkunft ist, werden Einnahmen erwirtschaftet, für die aber keine Steuern gezahlt werden müssen. Ein Skandal, meint Mario Staderini, Parteisekretär der Radikalen:

    "Der italienischen Gesetzgebung zufolge braucht die Kirche für diejenigen Gebäude, die religiösen Zwecken dienen, keine Kommunalsteuern zahlen. Gebäude, mit denen man zu einem Teil Gewinne erwirtschaftet, kommen auch in den Genuss dieses Steuervorteils. Repräsentanten der Kirche behaupten immer wieder, dass der Vorwurf des Steuervorteils üble Nachrede sei."

    Nicht nur die Radikalen, sondern inzwischen auch linke Parteien, ein Teil der Medien und immer mehr Bürger - darunter, Umfragen belegen es, auch viele praktizierende Katholiken - sehen das anders. Im Jahr 2005 entschied die Regierung von Silvio Berlusconi, dass die Kirche für ihre Immobilien keine Kommunalsteuern zahlen muss. Ein Steuervorteil, der den Radikalen zufolge der Kirche mehr als 1,5 Milliarden Euro Ersparnis einbringt. Die italienische katholische Bischofskonferenz spricht hingegen nur von einigen Hundert Millionen Euro.

    Don Mario Cattanese von der Bischofskonferenz:

    "Dieses Steuergeschenk erlaubt es uns in ganz Italien Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten und zahllose andere Sozialeinrichtungen am Leben zu halten. Allein mit den Kirchensteuern gelingt uns das nicht. Ohne die kommunale Immobiliensteuer brauchen viele dieser Einrichtungen nicht mehr um ihr finanzielles Überleben zu ringen, und davon profitieren doch alle Italiener, ob Katholiken oder nicht."

    Die Regierung Prodi beschränkte das Steuergeschenk an die Kirche auf jene Immobilien, die, wie es offiziell heißt, "nicht ausschließlich kommerziellen Zwecken dienen". Eine schwammige Formulierung, meint der europäische Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. Er droht der italienischen Regierung mit einem Verfahren, weil sie mithilfe eines Steuervorteils die Wettbewerbsgleichheit außer Kraft setze. Das gelte vor allem für Kliniken und Hotels in Gebäuden der katholischen Kirche.

    Immer mehr Klostergemeinschaften und Diözesen vermieten bisher ausschließlich zu religiösen Zwecken genutzte Gebäude an Investoren, die darin Hotels einrichten und dafür Mieten zahlen. Einzige Voraussetzung, um für diese Einnahmen keine Steuern zu zahlen: Die kommerziell genutzten Räumlichkeiten müssen mindestens über eine Kapelle verfügen, in der Gottesdienste zelebriert werden. Und so finden sich zum Beispiel in Rom immer mehr Hotels, darunter viele 4- und 5-Sterne-Häuser, in denen es eine Kapelle oder sogar eine Kirche gibt. Giuseppe Roscioli, Präsident des römischen Hotelierverbandes, spricht von illegaler Konkurrenz:

    "Wir müssen den Politikern klarmachen, dass diese Art der Konkurrenz unserer Kategorie schweren Schaden zufügt, weil hier ein Mitspieler auf dem Hotelmarkt weitaus bessere Voraussetzungen genießt als alle anderen. Die Regierung muss dagegen einschreiten. Es ist gut so, dass die Medien endlich über dieses Problem berichten."

    Sogar Politiker der Konservativen fordern jetzt ein Ende des Steuervorteils für die katholische Kirche. So erklärte beispielsweise die konservative Präsidentin der Region Latium, Renata Polverini, dass sie notfalls im Alleingang die Kommunalsteuern für alle kirchlichen Immobilien wieder einführen werde.

    Die katholische Bischofskonferenz und der Vatikan geraten in Sachen Steuervorteil unter Druck. Vor allem jetzt, da angesichts des drohenden Staatsbankrotts und neuer Steuern die Bürger ihre Gürtel enger schnallen müssen. Und so erklärte in diesen Tagen Tarcisio Bertone, als Kardinalsstaatssekretär die Nummer Zwei im Kirchenstaat, dass, Zitat, "die Kommunalsteuern auf Immobilien ein delikates Problem sind, das vertieft werden muss". Vatikanexperten sehen in dieser Aussage einen ersten Schritt der Kirche in Richtung eines teilweisen Verzichts des Steuervorteils für Immobilien, um aus der Schusslinie der Kritik zu kommen.