Archiv


"Auch die Schwellenländer haben große Vorteile"

Der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, hält ein Scheitern der WTO-Verhandlungen für unrealistisch. Man werde sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner für die nächste Runde der Agenda im Jahr 2006 einigen. Letztlich seien alle großen Industrienationen im Interesse ihrer Wirtschaftskraft daran interessiert, dass die Welthandelsorganisation bestehen bleibe.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Dort ist uns zugeschaltet Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels. Einen wunderschönen guten Tag!

    Anton Börner: : Ja, guten Tag, Herr Birke!

    Birke: Herr Börner, Sie vertreten den deutschen Außenhandel. Denken wir einmal ganz egoistisch, was kann der Exportweltmeister Deutschland konkret in Euro und Cent durch eine erfolgreiche Handelsrunde in Hongkong gewinnen?

    Börner: : Ja nun, wir sind Exportweltmeister. Und wenn wir eine funktionierende WTO haben, dann nützt uns das natürlich gewaltig. Wir haben zehn Prozent Anteil am Welthandel. Das heißt, wenn das eintreffen würde, was sich alle Freihändler wünschen, nämlich die komplette Abschaffung der Zölle, würden wir pro Jahr etwa 300 Milliarden US-Dollar an Wachstum im weltwirtschaftlichen Umfeld erleben. Das heißt, bei zehn Prozent wären das 30 Milliarden, die direkt in die deutschen Kassen kommen würden und das würde natürlich als enormes Konjunkturprogramm wirken. Das heißt, wir könnten Arbeitsplätze sichern, wir könnten auch eine ganze Reihe Arbeitsplätze schaffen. Aber ich denke, dass ist doch ein zu optimistisches Szenario, mit dem wir nicht ernsthaft rechnen können.

    Birke: Das heißt, Sie stimmen in den Chor der Pessimisten jetzt im Vorfeld von Hongkong dieser Handelsgespräche mit 149 Nationen mit ein?

    Börner: : Also ich bin kein Pessimist. Ich würde mich eher als Realisten bezeichnen. Realistisch ist, dass die Konferenz nicht scheitern wird in diesem Jahr. Sondern man wird sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner für die nächste Runde der Agenda im Jahr 2006 einigen. Und dann allerdings kommt es zum Schwur - da läuft das Verhandlungsmandat des amerikanischen Präsidenten ab - ob die Welthandelsorganisation dann beerdigt wird oder ob es weitergeht. Und ich denke, letztlich sind alle großen Industrienationen interessiert, dass es weitergeht. Auch die Schwellenländer haben große Vorteile, gerade aus dem Agrarexport, so dass ich also doch eine realistische Hoffnung habe, dass man im nächsten Jahr auf kleinstem gemeinsamen Nenner weiterarbeiten kann.

    Birke: Herr Börner, es geht also wirklich auch um die Existenz dieser Mammutorganisation, der Welthandelsorganisation. Welchen Preis sollte denn Deutschland für die weitere Marktöffnung, die ja ein Konjunkturprogramm ist, wie sie es eben gesagt haben, zahlen?

    Börner: : Es ist keine Frage, welchen Preis Deutschland zahlen soll. Deutschland ist eines der am weitesten liberal organisierten Länder der Welt. Wir haben praktisch keinerlei Hindernisse für ausländische Investoren oder für ausländische Exporteure.

    Birke: Aber wir haben die Agrarsubventionen auf EU-Ebene und die sind ja den Entwicklungs- und Schwellenländern ein Dorn im Auge!

    Börner: : Genau, die EU. Deutschland ist aber nicht die EU, wir sind ein Teil der EU. Der große Bremser in der EU ist Frankreich und nicht Deutschland. Wir müssen hier versuchen, mit all unseren Möglichkeiten auf Frankreich einzuwirken, dass man also in der Tat dort mehr Zugeständnisse macht. Die große Problematik ist aber auch nicht die EU. Die große Problematik ist Brasilien und Indien. Diese beiden Ländern machen, ich will es mal drastisch formulieren, eine chauvinistische Politik, ihre eigenen Interessen durchzusetzen, auf Kosten in erster Linie der ärmsten Länder der Welt und der Schwellenländer. Diese Länder bewegen sich zurzeit nicht, ihre Industriezölle zu senken, obwohl sie selbst wesentlich mehr Vorteile hätten, weil sie ja selbst schon große Exporteure im Industriebereich sind, wenn sie das täten. Ich glaube, hier ist die Überzeugungsarbeit von der Politik zu leisten, dass man Brasilien und Indien erklärt und auch deutlich macht, dass beide Länder mehr profitieren würden, wenn sie Zugeständnisse machen. Dort liegt es.

    Birke: Sie unterstellen Brasilien und Indien also, dass diese beiden Länder, die Millionen von Armen im Land haben, nichts tun durch diese Verhandlungsblockade für die 1,1 Milliarden Armen in der Welt, die unter der Armutsgrenze leben?

    Börner: : Exakt. Das ist in der Tat so, denn Brasilien und Indien rechnen sich einen kurzfristigen Vorteil dahingehend aus, wenn WTO scheitert, dann bedeutet es Rückkehr zu Protektionismus, was kurzfristig diesen beiden Ländern nützen würde, und zu bilateralen Verträgen. Diese beiden Länder sind groß genug, um mit allen wesentlichen Industrieblöcken auf der Welt bilaterale Verträge zu machen. Und das können die kleineren Schwellenländer aber nicht und die Entwicklungsländer ohnehin nicht, so dass sie dann auf Kosten dieser Länder sich einen zusätzlichen Vorteil errechnen. Das mag für die nächsten zwei, drei Jahre sogar so sein. Langfristig allerdings wird es auch Brasilien und Indien schaden. Aber die Politiker denken ja bekanntermaßen kurzfristig.

    Birke: Herr Börner, nur war Brasilien ja gerade auch Sprachrohr einer ganzen Gruppe auch ärmerer Länder in Cancun vor zwei Jahren, als die letzte große Runde gescheitert war. Wie kann man zusammenkommen?

    Börner: : Das ist richtig, Brasilien hat hier eine sehr populistische Argumentationsschiene gefahren. Und es ist leider so gewesen, was wir immer bedauert haben, dass sich die Ländern von Brasilien diesbezüglich haben einwickeln lassen und diesen Sirenetönen gefolgt sind, obwohl sie sachlich und ökonomisch betrachtet falsch sind, und letztlich zum Schaden dieser armen Länder führen würden.

    Birke: Welche Rolle spielt eigentlich China, insbesondere im Bereich der Markenpiraterie, also beim Schutz des geistigen Eigentums?

    Börner: : China spielt eine Rolle, die Anfang der 60er Jahre Japan mal gespielt hat. Dort hat Japan alles abgekupfert und kopiert, was es zu kopieren gab. In dem Moment, wo China sieht, dass sie selbst über eigene Entwicklungen verfügen, und selbst auf den Weltmärkten als Exporteur akzeptiert werden, müssen sie diese Politik ändern. In der Spitzenpolitik und bei den Repräsentanten auch der großen chinesischen Unternehmen ist das angekommen. Es ist ein Prozess, der sicher schmerzhaft noch im Land durchgesetzt werden muss. Eines ist völlig klar, wenn China hier nicht strenger vorgeht gegen Markenpiraterie, wird es dem Land schaden. Es wird weniger Investitionen in dem Land geben von außen. Und was ganz wichtig ist, die Spitzentechnologie wird nicht nach China exportiert werden.

    Birke: Erwarten Sie ein Signal jetzt schon in Hongkong?

    Börner: : Wir haben schon Signale gesehen, beispielsweise die chinesische Zentralregierung hat schon eine entsprechende Behörde gegründet. Also man sagt uns immer, man tut etwas. Wir erkennen das auch. Von ganz oben fängt man an, das Thema sehr, sehr ernst zu nehmen. China ist natürlich groß und es dauert, bis das im letzten Dorf angekommen ist. Aber ich bin zuversichtlich, dass die nächsten Jahre sich in die Richtung einiges bewegen wird.

    Birke: Das war Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandelsverbandes hier in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk. Recht herzlichen Dank für dieses Gespräch, auf Wiederhören.