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"Auf Kritik reagiert man normalerweise souverän"

Wenn ein Bundespräsident sich zu einer Frage äußere und damit Kontroversen auslöse, müsse er Kritik aushalten können, sagt Volker Beck. Der Grünenpolitiker fordert die Bundesregierung auf, im Dialog mit den anderen Parteien nach einem geeigneten Nachfolger zu suchen.

Volker Beck im Gespräch mit Christoph Heinemann | 31.05.2010
    Christoph Heinemann: Wir erreichen telefonisch Volker Beck, den ersten parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Beck, guten Tag!

    Volker Beck: Guten Tag.

    Heinemann: Herr Beck, durfte Ihr Parteifreund Jürgen Trittin Horst Köhler mit Heinrich Lübke vergleichen?

    Beck: In der Ungeschicklichkeit lag dieser Vergleich nahe, aber trotzdem finde ich die Reaktion von Herrn Köhler darauf, dass es öffentliche Kritik an seinen Äußerungen gegeben hat, etwas erstaunlich. Auf Kritik reagiert man normalerweise souverän, indem man entweder sich korrigiert, oder erklärt, was man gemeint hat, und dann wäre es auch gut gewesen. Deshalb steht meines Erachtens das nicht in dem direkten Zusammenhang mit der Art der Diskussion, weil die war nicht unangemessen, und wenn ein Bundespräsident sich pointiert zu einer Frage äußert und damit Kontroversen auslöst, dann muss er sich auch als Bestandteil des demokratischen Diskurses verstehen und kann nicht sagen, man darf einer Position, die man politisch nicht für richtig hält und rechtlich für fragwürdig, nicht widersprechen, weil sie der Bundespräsident geäußert hat.

    Heinemann: Es ging aber nicht um Widerspruch, es ging um die Bissigkeit der Kritik. Noch mal die Frage: Ist der Vergleich mit Heinrich Lübke zutreffend?

    Beck: Ich will jetzt nicht bei dieser Debatte gegen Herrn Köhler nachtreten. Ich finde, man muss seinen Schritt respektieren und zur Kenntnis nehmen und darauf jetzt reagieren. Ich sehe es eher darin, dass der Bundespräsident irgendwie auch erschöpft war im Sinne von, dass er sich da nicht hinreichend klarstellend erklären konnte und wollte, und es gab ja vorher auch Kritik aus der Koalition, die vielleicht ihn etwas entmutigt hat. Das will ich nicht weiter bewerten. Er hat das jetzt getan und wir müssen jetzt nach vorne schauen und sehen, dass wir einen neuen Bundespräsidenten in den nächsten 30 Tagen wählen. Herr Köhler war ja ein Symbol für den Kampf von Schwarz-Gelb um die Macht bei den Bundestagswahlen und ich glaube, der heutige Tag ist auch Ausdruck dessen, dass dieser Anspruch fehlgeschlagen ist und dieses gesellschaftliche Bündnis eigentlich inhaltlich längst zerbrochen ist.

    Heinemann: Könnten Sie sich einen gemeinsamen Kandidaten von Regierungs- und Oppositionsparteien vorstellen?

    Beck: Ich denke, wenige Minuten nach dieser Situation ist es zu früh, über Kandidaten, Personen, Konstellationen zu reden, aber ich denke, die regierende Koalition, die ja in der Bundesversammlung auch weiterhin über eine Mehrheit verfügen würde, wäre gut beraten, wenn sie diese Wahl des Bundespräsidenten nicht erneut nutzt, um hier parteipolitische Spielchen zu machen, und eher danach suchen würde, überparteilich einen Konsens zu finden und eine Persönlichkeit zu suchen und das im Dialog mit den anderen Parteien, die die Akzeptanz breit in der Bevölkerung hat. Wir befinden uns ja in einer besonderen Krise. Das zeigt einerseits die Afghanistandebatte, andererseits die Haushaltslage in Europa, die Situation des Euro, wo wir auch ein bisschen zeigen müssen als politische Klasse, dass wir verantwortlich handeln.

    Heinemann: Herr Beck, die Nachrichten folgen. – Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen.