Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Auf Samoa fährt man jetzt links

Der ehemalige Honorarkonsul von Samoa, Werner Schreckenberg, hat die Umstellung auf Linksverkehr als unsinnig bezeichnet. Der Widerstand gegen diese Entscheidung des Premierministers sei groß. Auch ökonomische Begründungen seien nicht haltbar.

Werner Schreckenberg im Gespräch mit Sandra Schulz | 07.09.2009
    Sandra Schulz: Der Straßenverkehr in Großbritannien hat für viele Kontinentaleuropäer so seine Tücken, denn die Briten fahren links. Der instinktive Blick beim Straßenüberqueren kann für Fußgänger dort also lebensgefährlich werden, denn wir sind schlicht an den Rechtsverkehr gewöhnt wie die Menschen in der großen Mehrheit aller Staaten weltweit. Großbritannien ist eines der weltweit nur rund 60 Länder mit Linksverkehr und das interessiert uns heute Morgen, denn ab heute wird es einer mehr sein. Auf dem pazifischen Inselstaat Samoa sollen die Menschen ab heute 6 Uhr Ortszeit umsteigen.

    Telefonisch bin ich verbunden mit dem Honorarkonsul von Samoa, mit Werner Schreckenberg. Guten Morgen!

    Werner Schreckenberg: Hallo, guten Morgen!

    Schulz: Sie sind gerade in Deutschland. Sind Sie vor der Umstellung geflüchtet?

    Schreckenberg: Nein, nein. Das war rein zufällig. Außerdem: Ich bin nicht mehr Honorarkonsul. Ich war das 12 Jahre, ich habe das gerade im letzten Jahr übergeben, um das zu korrigieren.

    Schulz: Das haben wir klargestellt. – Was kommt auf das Land zu mit dem Switch?

    Schreckenberg: Darauf kommt einiges zu. Wie schon erwähnt: Es gibt das Aktionsbündnis. Die haben alle Sachen aufgeführt. Am meisten wird kritisiert, dass der Premierminister nicht mal irgendwelche Sachverständigen konsultiert hat, sondern er hat diese Entscheidung einsam getroffen. Die meisten Kabinettsmitglieder wussten auch nichts davon und waren überrascht. Er hat vom ersten Tag an gesagt, es wird durchgezogen, es ist eine beschlossene Sache.

    Schulz: Es wird durchgezogen und was heißt das für die Verkehrsverhältnisse?

    Schreckenberg: Wir haben enge Straßen in Samoa. Die wenigsten der Samoaner, die in den Dörfern leben, haben einen Führerschein. Man lernt Fahren, es wird kaum kontrolliert und das macht es natürlich noch schwieriger. Nun hat zwar die Regierung versucht, vorzubereiten in den letzten 18 Monaten, oder eigentlich hat man nur in den letzten sechs Wochen angefangen, Pfeile auf die Straßen zu malen oder Fernsehsendungen auszustrahlen, wie man im Kreisverkehr sich verhält und so weiter. Aber die Gegner dieser Sache, und das ist die große Mehrzahl, sind sehr kritisch, ob das überhaupt wirken wird. Besonders Busse auf den Straßen, Schulbusse, da müssen die Leute auf der Mitte der Straße aussteigen und so weiter, auch andere Busse. Das sieht man im allgemeinen als ein sehr großes Hindernis oder als eine Gefahr.

    Schulz: Aber warum hat das Thema so eine Sprengkraft? Solche Umstellungen hat es ja auch in anderen Ländern schon gegeben.

    Schreckenberg: Das hängt damit zusammen, dass unser Premierminister, der über ein Dutzend Jahre im Amt ist, etwas sehr diktatorisch ist. Er dominiert sein Kabinett. Wir haben eigentlich einen Ein-Parteien-Staat. Es ist keine Opposition mehr im Parlament. Das kommt hinzu, dass das die Öffentlichkeit so aufwühlt.

    Schulz: Rechnen Sie denn auch mit zivilem Ungehorsam der Gestalt, dass die Menschen einfach weiter rechts fahren?

    Schreckenberg: Ich bin jetzt 14 Tage weg von Samoa und ich hörte meinen Sohn, dass er sagte, bestimmte Dörfer haben gesagt, bei uns wird weiter rechts gefahren. Aber ob das durchgeführt wird, das weiß man nicht. Es wird oft verkündet und es geht dann auf die Dauer doch nicht. Also man muss sich wahrscheinlich arrangieren.

    Schulz: Wie motorisiert ist das Land überhaupt insgesamt?

    Schreckenberg: Wir haben bei 200.000 Einwohner etwa 22.000 Autos, wenn man das mal umrechnet. Es gibt also relativ viele Autos. Ich kam vor 30 Jahren zum ersten Mal nach Samoa, da gab es 600 Autos im ganzen Land und heute sind es 22.000.

    Schulz: Das heißt, dass das Kalkül aber durchaus auch aufgehen könnte, das wirtschaftlich ja dahinter steht, dass eben die Autos dann aus Australien rüberkommen nach Samoa?

    Schreckenberg: Das ist insofern auch falsch: Das war vielleicht vor zwei Jahren noch eine kleine Kalkulation. Aber jetzt mit dem schwachen US-Dollar und mit der Umstellung in den USA werden die amerikanischen Wagen viel billiger und es leben auch 100.000 Samoaner auf der Westküste der USA und in Hawaii und die schicken auch Autos. Die können jetzt nicht mehr. Vom ökonomischen Standpunkt her gesehen finde ich es einfach sehr, sehr schade, dass dieses weiter getrieben wurde. Dem Premierminister ist auch immer wieder gesagt worden, jetzt in der Rezession ist das falsch und er soll noch mal umdenken, aber er geht seinen Weg.

    Schulz: Der Schriftsteller Robert Louis Stevenson hat seine letzten Jahre vor seinem Tod Ende des 19. Jahrhunderts ja auf Samoa verbracht. Wäre der Switch Stoff für ihn?

    Schreckenberg: Ohne Zweifel. Robert Louis Stevenson hat sich in seinen fünf Jahren, die er dort noch lebte – er war ja noch sehr aktiv und hat geschrieben –, immer sehr um die Politik gekümmert und er hätte sicherlich irgendetwas getan dort.

    Schulz: Wir haben jetzt ausführlich über dieses anarchische Element gesprochen. Gehen Sie denn auch davon aus, dass konkret Leben in Gefahr ist?

    Schreckenberg: Verkehrsunfälle kann man definitiv nicht ausschließen. Die Samoaner sind - in Bausch und Bogen - keine guten Autofahrer. Man ist ein bisschen lässig auf der Straße, die Polizei macht kaum Kontrollen. Die Polizei ist natürlich sehr verstärkt worden. Die hohen ökonomischen Kosten dieser ganzen Aktion werden deshalb vielleicht in 100 Jahren bezahlt machen, aber nicht jetzt.

    Schulz: In den "Informationen am Morgen" war das heute der frühere Honorarkonsul von Samoa, Werner Schreckenberg. Danke schön!