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Auf Stimmenfang vor der Landtagswahl

Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen ist für die Linke besonders wichtig. Aus dem Kieler Landtag musste sich die Partei schon verabschieden, in Düsseldorf droht ihr jetzt das gleiche Schicksal. Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht rühren daher die Werbetrommel - der eine auf dem Marktplatz, die andere im TV.

Von Christiane Wirtz |
    Schwere Wolken hängen über dem Marktplatz vor dem Düsseldorfer Rathaus. Der Himmel ist dunkel an diesem Nachmittag. Regen droht. Und trotzdem haben die Linken Bierbänke auf das Kopfsteinpflaster gestellt und Thüringer Würstchen auf den Grill gelegt. In diesen letzten Tagen vor der Landtagswahl muss die Partei noch einmal alles geben – auch ein bisschen Glamour kann da nicht schaden. Schließlich hat die Linke derzeit das prominenteste Paar der deutschen Politik zu bieten. Das zieht an:

    "Ja, ich möchte Oskar Lafontaine hören und sehen und auch Sahra Wagenknecht, weil ich einfach denke, das, was sie zu sagen haben, interessiert mich." - "Da kommen doch gleich Sahra und Oskar." - "Aus Interesse an der Partei schon, aber wählen würde ich sie nie. Aber ich wollte einfach mal dieses Ehepaar zusammen sehen." - "Ich kenne sie doch alle, ich bin doch ein alter Linker, einfach nur, man ist hier, um die mal zu sehen. Ein Familientreffen ist das hier."

    Aus dem Familientreffen wird am Ende doch nur eine One-Man-Show. Oskar Lafontaine kommt alleine. Er bahnt sich seinen Weg durch die Menschenmenge, lässt Fotos mit sich machen. Viele halten ihm den Flyer entgegen, mit dem die Partei für die Veranstaltung wirbt, darauf ein Bild von ihm und seiner Lebensgefährtin. Wenn sie schon Sahra Wagenknecht nicht auf der Bühne sehen, dann wollen sie wenigstens seine Unterschrift. Der Saarländer entschuldigt sich bei den rund 200 Menschen: Die Frau nicht an seiner Seite, da könne ja der Eindruck entstehen, er habe sie nicht im Griff. Dieser Eindruck sei richtig, räumt er ein.

    Sahra Wagenknecht indessen kämpft darum, ganz andere Männer in den Griff zu kriegen.

    "Ich will jetzt einfach auch mal was sagen."

    Sie will sich in Berlin Gehör verschaffen, in der Talkshow von Anne Will, deshalb sagte sie die Veranstaltung in Düsseldorf kurz vorher ab. Nicht ohne Bedauern:

    "Sie hätte gerne hier gesprochen, aber da gibt es eine ganz einfache Überlegung, wenn wir in einer großen Fernsehsendung unsere Argumente vortragen können, dann ist das im Wahlkampf besonders wichtig."

    Und dieser Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen ist für die Linke besonders wichtig. Aus dem Kieler Landtag musste sich die Partei schon am vergangenen Sonntag verabschieden, in Düsseldorf droht ihr jetzt das gleiche Schicksal. Vier Tage vor der Wahl sehen die Meinungsforscher die Partei bei drei bis vier Prozent. Die Piraten dagegen kommen auf neun bis zehn Prozent. Die Empörten sind übergelaufen: von links nach orange.

    "Selbstverständlich haben wir Verständnis für Protestwähler. Wir haben ja auch davon profitiert, eine Zeit lang, aber letztendlich muss auch die Partei der Piraten sagen, was sie eigentlich will."

    Die Linken sagen, was sie wollen, doch das hilft nicht. In NRW drohen sie über die Fünf-Prozent-Hürde zu stolpern - womit sich wieder einmal die Frage stellen wird, ob die Partei nur Osten und Oskar-Land kann, nicht aber Westen? Und so kämpfen Wagenknecht und Lafontaine an diesem Tag um jede Stimme. Jeder für sich, doch mit einer gemeinsamen Botschaft:

    "Und das Schlimme in Europa - und das gilt nicht nur in Griechenland -, ist ja, dass die Schuldenlast immer auf die kleinen Leute abgewälzt wird. Die Löhne müssen sinken, die Renten werden gekürzt, die Sozialleistungen werden zerstört."

    "Es kann ja nicht sein, dass die Linke erst stark wird, wenn sich die Menschen umbringen wie in Griechenland, weil sie ihren Familien nicht mehr zur Last fallen wollen oder die Mütter ihre Kinder abgeben, weil sie sie nicht mehr ernähren können. So weit darf es doch nicht kommen. Es braucht eine linke Kraft, um soziale Gerechtigkeit in den Staaten Europas umzusetzen."

    Während der ehemalige Parteivorsitzende allein auf der Bühne steht, mit vollem Körpereinsatz spricht, ohne unterbrochen zu werden, haben sich vor der Bühne eine Frau und ein Mann aufgestellt. Sie halten ein langes Banner mit den Händen, spannen es zwischen sich. Darauf steht: "I have a dream, we have a dream. Sarah for Bundeskanzlerin. Oskar als Bundespräsident."

    "Ist natürlich ein Wunschtraum, natürlich. Und auch das, was er erzählt, bleibt ein Wunschtraum."

    Das prominente Paar in den höchsten Staatsämtern - ein Wunschtraum, das weiß auch der Demonstrant. Wie wäre es eine Nummer kleiner? Die beiden in den höchsten Ämtern der Partei?

    "Wir haben vereinbart, auch auf meinen Vorschlag, die Personalfragen erst nach den Landtagswahlen zu klären. Und daran halte ich mich selbstverständlich."

    Doch selbstverständlich wird auch in diesen Tagen munter über Namen spekuliert. Fast könnte der Eindruck entstehen, Lafontaine habe diese Diskussion nicht im Griff. Mitnichten. Hier und da heißt es, er – also Oskar – will den Vorsitz der Partei und sie – also Sahra - den Vorsitz in der Fraktion. Am Montag wird sich zeigen, wer den Zugriff hat. Nach der Wahl in NRW.

    "Ich würde schon sagen, Oskar Lafontaine und auch die Wagenknecht. Weil zusammen – wenn ich überlege, Oskar Lafontaine wie damals Gerhard Schröder, wäre ein gutes Gespann."