Freitag, 19. April 2024

Aufarbeitungspreis
Journalist und DDR-Opfer Karl Wilhelm Fricke wird geehrt

Der Publizist und langjährige Deutschlandfunk-Redakteur Karl Wilhelm Fricke wird von der Bundestiftung für die Aufarbeitung der SED-Dikatur geehrt. Er habe sich wie kein Zweiter mit der Repression in der DDR und der sowjetischen Besatzungszone auseinandergesetzt. Fricke verbüßte zudem vier Jahre in Einzelhaft in der DDR.

Von Tina Schimansky | 14.06.2017
    Karl Wilhelm Fricke
    Journalist und Publizist Karl Wilhelm Fricke wird am 15. Juni 2017 für sein Lebenswerk mit dem Aufarbeitungspreis der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ausgezeichnet, der 2017 erstmals verliehen wird. (picture alliance / dpa )
    Karl Wilhelm Frickes journalistisches Lebenswerk ist untrennbar mit der DDR verbunden - und er wusste aus eigener Erfahrung, worüber er berichtete.
    Schon Frickes Vater, Karl Oskar Fricke, stand den kommunistischen Machthabern skeptisch gegenüber. 1946 wurde er von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt, ein erstes Lebenszeichen erhielt die Familie erst 1950: Frickes Vater wurde in den Waldheimer Prozessen zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, zwei Jahre später starb er in der Haft.
    Fricke war ein Entführungsopfer
    Das Schicksal seines Vaters bestärkte den jungen Karl Wilhelm Fricke in seiner kritischen Haltung zum SED-Regime. Nach einer entsprechenden Äußerung wurde er denunziert und im Februar 1949 selbst verhaftet. Der 20-Jährige konnte entkommen und über die innerdeutsche Grenze in den Westen fliehen. In Wilhelmshaven und West-Berlin studierte er Politikwissenschaft und berichtete als Journalist über Verfolgung und Repression in der DDR.
    Bildnummer: 60132082 Datum: 07.09.2006 Copyright: imago/epd Freiganghof im DDR-Stasi-Gefängnis Bautzen II (undatiertes Archivfoto). Zu den prominenten Insassen zählten die Schriftsteller Erich Loest und Walter Janka, der Philosoph Rudolf Bahro und der Radiojournalist Karl Wilhelm Fricke. Fricke war einer von 124 so genannten Staatsfeinden , die im August vor 50 Jahren in die Gefängnisräume hinter dem Bautzener Gerichtsgebäude eingeliefert wurden.
    Freigangshof im DDR-Stasi-Gefängnis Bautzen II. Karl Wilhelm Fricke zählt zu den prominentesten Insassen, neben den Schriftstellern Erich Loest und Walter Janka und dem Philosoph Rudolf Bahro. (imago / epd)
    1955 wurde Wilhelm Fricke vom Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit entführt und in die DDR gebracht. Er war vier Jahre in Haft, unter anderem in Bautzen. Wieder in Freiheit, setzte er ab den 1960er-Jahren seine Arbeit im Westen fort, im Mittelpunkt standen dabei immer der SED-Staat und seine Repressionsmechanismen.
    "Die meisten Ehemaligen verdrängen ihre Vergangenheit. Sie verdrängen die Schuld, die sie auf sich geladen haben, und versuchen, die DDR, das Regime der SED genauer gesagt zu verharmlosen und schön zu färben. Das ist eine Tendenz, die sich allgemein erkennen lässt und die sich besonders abzeichnet in den Bemühungen ehemaliger Stasi-Kader, ihr Regime und ihre Tätigkeit als völlig legal darzustellen."
    Sagte Fricke im Deutschlandfunk über einen wiederentdeckten Schießbefehl in den Akten der Birthler-Behörde am 13.08.2007.
    Stellvertretender Chefredakteur im Deutschlandfunk
    Im Deutschlandfunk avancierte Fricke zum Leiter der Ost-West-Abteilung und stellvertretenden Chefredakteur. Die Ereignisse im Herbst 1989, die in schnellem Takt die DDR erschütterten, hielten Fricke oft von morgens bis spät abends im Sender. Viel Arbeit sei es gewesen, aber auch eine Zeit der Genugtuung – wenngleich das seiner Arbeit möglichst nicht anzuhören sein sollte: Der Deutschlandfunk war ein Informationssender.
    Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung war er auch Sachverständiger zweier Enquetekommissionen des Bundestages und bekam für seine Aufklärungsarbeit über die SED-Diktatur von der Freien Universität Berlin die Ehrendoktorwürde verliehen. 2010 erhielt er den Hohenschönhausen-Preis des Fördervereins Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.